Dienstag, 30. Januar 2018

Eine der schwierigsten Aufgaben in einem Trauerprozess: Überhaupt begreifen zu können, was da geschehen ist - was das so kompliziert macht und was dabei hilft (Tipps für den Umgang mit Trauernden)

Osnabrück - Da gab es einmal diese Tochter, die noch eben mit dem vitalen Vater telefoniert hatte – der dann kurz nach dem Telefonat völlig unerwartet einfach umkippte und starb. Wegen einer Herzgeschichte. Die damalige Lebenspartnerin des Vaters entschied sich für einen kurzen Weg voller Pragmatismus und Hemdsärmeligkeit – als die Tochter ihren Vater wiedersah, war der bereits Asche in der Urne. Kein Wunder, dass sie da gedanklich und emotional nicht hinterherkommen konnte. Dass es kein Begreifen geben konnte. Diese Geschichte, die Barbara Rolf auf der Messe Leben und Tod erzählte, macht auf drastische Weise klar: Um wirklich begreifen zu können, was der Tod eigentlich ist und tut, braucht es ein gutes Be-Greifen. Bloß wie?

So etwas ist besonders schwer: Ein Begräbnis ganz ohne Leiche. Da wird dann nur ein Holzsarg in die Erde gelegt, rein als symbolisch verstandene Tat. Beim Tsunami 2005 habe er das schon einmal so erlebt, erinnerte sich Bestatter David Roth auf der Messe Leben und Tod. Was dann hilft: Andere Rituale finden. Briefe an den Toten mit in den Sarg legen und diesen verbrennen. Aber: „Es ist immer erschwerte Trauer, wenn ich nichts habe, was das Begreifen möglich macht", so formuliert es auch Roth. Dabei muss es gar nicht mal etwas so Extremes sein wie in den beiden geschilderten Beispielen.

In Mechthild Schroeter-Rupiepers lohnendem "Handbuch für Trauergruppen" findet sich diese Schriftenillustration, die die Aufgaben in der Trauer näher beschreibt - dazu bald mehr auf diesem Blog (Thomas-Achenbach-Symbolfoto).

Denn was das Begreifen zusätzlich erschwert: Diese enorme Hektik, mit der heutzutage ein Trauerfall abgewickelt sein sollte und sein muss. Das beklagten beide Bestatter in ihren jeweiligen Vorträgen im April 2016 in Bremen. Denn das ist das Wichtigste, was man zum Thema Begreifen eben begreifen muss: Es braucht Zeit. Viel, viel Zeit. Und viel Geduld. Mit sich selbst und mit der Welt. So sieht das auch der Trauerforscher Dr. William J. Worden.


Was Trauernde leisten, sind Aufgaben, keine Phasen


Sein Modell von verschiedenen Phasen in einem Trauerprozess ist für mich die Überzeugendste der aktuell verfügbaren Beschreibungen. Das liegt alleine schon an der von ihm gewählten Formulierung: Worden spricht nicht von Phasen, sondern von Aufgaben der Trauer. Diese Idee gefällt mir: Der Tod eines lieben Menschen gibt uns Aufgaben auf. Eben kein passives Durchschreiten von sich irgendwie einstellenden Phasen, sondern aktiv zu leistende Aufgaben. So erleben das wirklich viele und es kommt meiner selbst oft erlebten und gefühlten Lebensrealität tatsächlich viel näher. Und die erste Aufgabe, so sagt es Worden eben, ist: Das Begreifen. Was leichter gesagt ist als getan, das sagen auch andere. 


Was der Verstand schon kann, erreicht nicht die Seele


Denn in meinem Interview mit der über ihren eigenen Trauerprozess schreibenden Bloggerin Anja Pawlowski hatte ich sie gefragt: Gab es irgendwann in Deinem Trauerprozess einen Augenblick, wo Du aus vollem Herzen sagen konntest, "Ja, es ist wahr, jetzt habe ich es wirklich begriffen, mein Mann lebt nicht mehr?"... Was sie darauf als Antwort gegeben hat, ist - so glaube ich - mustergültig für ganz viele Prozesse nach dem Tod eines Menschen. Zusammengefasst müsste es heißen: Ja und Nein. Oder wie Anja es formulierte (leicht gekürzt): "Mein Verstand hat begriffen, dass mein Mann nicht mehr lebt, als er aufgehört hat zu atmen. Mein Herz sagt mir: ,Ich verstehe die Frage nicht… wieso soll ich begreifen, dass er nicht mehr lebt? Er ist doch noch immer noch da? Schau, hier, hier tief drin in mir ist er doch noch…?'" Hier lässt sich ablesen, wie schwer das ist mit dem Begreifen. Vielleicht sogar unmöglich. Wenn man sowas wie Glück hat - aber wer hat das schon, wenn es um den Tod geht? -, durfte man ein paar Dinge erleben, die einem das Be-Greifen bei aller Schwere leichter gemacht haben. Zum Beispiel:

- Beim Sterben dabei sein zu dürfen. Es gibt derzeit im Internet eine spannende Diskussion darüber, dass diesem Thema zuviel - vor allem esoterische - Bedeutung beigemessen wird (nach dem Motto: "Ich habe schon drei Menschen sterben sehen dürfen" - "Und was sammelst Du sonst noch so?". Das ist sicher richtig so. Und doch: Wer erleben kann, wie der Tod eintritt, der ist einer Annäherung an ein Verstehen näher als derjenige, für den das eine abstrakte Nachricht ist. 

- Den toten Menschen erleben können. Ihn sehen, anfassen, eben auch greifen zu können. Das kann hilfreich sein, aber es kostet natürlich Überwindung. Und unsere Gesellschaft hat derzeit - das kann sich wieder ändern - das Gespür dafür verloren. In früheren Zeiten waren Aufbahrungen des gestorbenen Menschen im eigenen Zuhause etwas ganz Normales. Instinktiv gesehen geht es dabei eben auch.... - ums Begreifen.

- Den Sterbeprozess als eine sich vollziehende Entwicklung erleben können. Bei langen Krankheiten beispielsweise ist das manchmal möglich. Hilfreich daran ist erstens, dass mit dem Sterben auch ein schleichender, langsamerer Abschiedsprozess einhergeht und zweitens, dass die Erkenntnis vom Sterben des Menschen tröpfchenweise in einen einsickern kann. Angehörige von Unfallopfern oder sich Suizidierenden ist das nicht vergönnt - da fällt das Begreifen ungleich schwerer, weil die Plötzlichkeit und das Abrupte des Todes immer im Mittelpunkt steht. 

- Vorher darüber gesprochen haben zu können. Wie stellst Du Dir Deine eigene Trauerfeier vor? Was ist der Tod für Dich? Glaubst Du, dass es ein Danach gibt? Wer solche und ähnliche Fragen schon vorab hat besprechen können, lässt die Menschen um sich herum nicht mit ganz leeren Händen zurück. Das macht eine Annäherung an das Thema auf einer anderen Ebene möglich. 

Übrigens, ganz am Rande bemerkt: Das Aufgabenmodell von William J. Worden ist auch wegen vieler anderer Aspekte sehr spannend. Ich benutze es sehr gerne in Vorträgen oder im Kontakt mit Trauernden und durfte schon einmal erleben, wie es in einem Seminar über Trauer, das ich geben durfte, zu Aha-Effekten geführt hat. Deswegen war es mir auch einen eigenen Blogbeitrag wert, der sich jetzt unter diesem Link finden lässt


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Der Autor dieser Zeilen steht in Osnabrück und im Osnabrücker Land als Trauerbegleiter zur Verfügung. Thomas Achenbach ist zertifizierter Trauerbegleiter nach den Standards des BVT (Große Basisqualifikation). 

Thomas Achenbach ist der Autor dieser drei Bücher: 

-> "Das ABC der Trauer - 77 Rituale und Impulse" (Patmos-Verlag)
-> "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise" (Campus-Verlag)
-> "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut" (Patmos-Verlag)

Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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Ebenfalls auf diesem Blog: Ist Trauerbegleitung ein echter Beruf? Kann man von Trauerbegleitung leben? Und wie werde ich überhaupt Trauerbegleiter?  

Ebenfalls auf diesem Blog: Macht es die Hinterbliebenen nicht noch trauriger, wenn wir sie auf ihren Verlust ansprechen? - Impulse bei großer Unsicherheit 

Ebenfalls auf diesem Blog: Warum die Formulierung "Mein Beileid" immer noch das Beste ist, was Du einem Menschen mit einem Verlust sagen kannst

Ebenfalls auf diesem Blog: Wie lange darf Trauer dauern? Ist es normal, wenn es jahrelang weh tut? Und ab wann wird trauern krankhaft?

Ebenfalls auf diesem Blog: Trauer und Schuldgefühle gehören zusammen - warum sich so viele Trauernde nach dem Tod eines Menschen schuldig fühlen

Ebenfalls auf diesem Blog: Keine Sorge, alles normal - was Trauernde alles so vermeintlich "Merkwürdiges" tun und warum das nicht peinlich ist

Ebenfalls auf diesem Blog: Wie uns die Trauer vor Aufgaben stellt und was das für den Trauerprozess bedeuten kann - über die "Aufgaben der Trauer"

Ebenfalls auf diesem Blog: Entrümpeln, Ausmisten und Aufräumen nach dem Tod eines Menschen - was mache ich damit und warum ist das so hart?

Ebenfalls auf diesem Blog: Professionelle Gesprächsführung mit Menschen in einer Krise - was wir von der Spiegeltechnik fürs Leben lernen können

Ebenfalls auf diesem Blog: Wir sind auf dem Weg in eine Sterbegesellschaft - Zahlen, Fakten und Daten darüber, wir eine gute Trauerkultur brauchen werden  

Ebenfalls auf diesem Blog: Wer ein Kind verloren hat, sollte nicht arbeiten gehen müssen - was wir von einer britischen Rechtsprechung lernen können 

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Dienstag, 23. Januar 2018

Warum auch meine alten ausgelatschten Chucks eine Kraftquelle für mich sind - Große Mitmachaktion "Hoffnungsvoll und Seelenschwer..." - Als verlängerte Fotoaktion auf diesem Blog: Kraftquellen – Stolpersteine – Achtsamkeit – Selbstfürsorge - 10 Jahre Bundesverband Trauerbegleitung - #JanuarFoto

Sie fallen langsam auseinander, aber trennen mag ich mich noch nicht - diese Schuhe haben mich durch manche Krise und manchen Glücksmoment getragen.  (Thomas-Achenbach-Fotos)

Osnabrück/Bonn - Wenn ich mich frage, was mich so trägt im Leben, dann fallen mir als Erstes meine Schuhe ein. Diese Schuhe dort oben, die inzwischen beinahe auseinanderfallen, waren die ersten "flachen Chucks" meines Lebens, gekauft während des ersten USA-Urlaubs meines Lebens in einem Outlet-Center in San Diego, direkt an der mexikanischen Grenze.... Seither Lebensbegleiter in allen Lagen. Und damit prädestiniert für meine inoffizielle Teilnahme an dieser offiziellen Fotoaktion.

Das erste Mal getragen habe ich diese Schuhe in San Francisco beim Besuch des hübschen japanischen Teegartens dort. Getragen dann im Auf und Ab des weiteren Lebens, das berufliche Krisen, persönliche Erfolge und Misserfolge, die Geburt meines Kindes, den Umbau meines Elternhauses samt Einzug und die Ausbildung zum Trauerbegleiter mit sich brachte - immer waren diese Schuhe meine Wegbegleiter. Und so wurden sie auch zu Symbolen dafür, dass es im Auf und Ab des Lebens auch einige weinge Konstanten gibt. Auch wenn diese ebenfalls nicht vor der Vergänglichkeit geschützt bleiben, denn inzwischen fallen die Schuhe fast auseinander. Heißgeliebt. Kaputtgeliebt. Aktuell nutze ich sie nur noch als schnell überzustreifende Gartenschuhe. Und als Motiv für diese Fotoreihe - die wiederum ist mein kleiner, aber nicht offizieller Beitrag zur Aktion "Hoffnungsvoll und seelenschwer" des Bundesverbands Trauerbegleitung. Die Fotos sollen alle Blogleser zur Teilnahme an der Aktion animieren!



Hintergrund: Der Bundesverband Trauerbegleitung (BVT) - in dem ich ebenfalls Mitglied bin - feiert seinen zehnten Geburtstag. Gegründet mit dem Ziel, der Ausbildung zum Trauerbegleiter in Deutschland einen einheitlichen Lehrplan und ein einheitliches Zertifikat verschaffen zu können, versteht sich der Verband inzwischen als Sprachrohr und Interessenvertretung für alle Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise. Sie sind es auch, die sich zur Teilnahme an der Aktion eingeladen fühlen sollen (alle Infos gibt es unter diesem Link). Wer sich ganz kreativ beteiligen möchte, kann sogar versuchen, ganze 365 Beiträge beizusteuern. Also für jeden Tag eines Kalenderjahres einen. Der Kreativität und der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, allein das Oberthema der Aktion gilt es zu beachten:



Nämlich die Fragestellung: Was sind Kraftquellen, Stolpersteine, was trägt mich in meiner Achtsamkeit, was ist hilfreich für meine Selbstfürsorge? Was bringt Wut in den Bauch, was streichelt meine Seele? Was lässt mich stolpern und wobei schöpfe ich Kraft? Es geht darum, Gefühle und Ressourcen sichtbar zu machen. In Wort, Bild oder anderen kreativen Ausdrucksformen. Die Idee ist es, aus allen Einsendungen eine bundesweite Wanderausstellung zu schaffen. Gleichermaßen soll die Aktion dazu dienen, wieder fokussierter und konzentrierter durchs Leben gehen zu können. Denn dass sich auf den Smartphones die schnell gemachten Fotos häufen, diese aber kaum mehr wahrgenommen werden, ist ein Phänomen unserer Zeit.


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Alle Infos zur Aktion "Hoffnungsvoll und Seelenschwer" gibt es auf der BVT-Website....

Erster Beitrag zur Fotoaktion (Januar): Warum auch meine alten ausgelatschten Chucks eine Kraftquelle für mich sind

Zweiter Beitrag zur Fotoaktion (Februar): Kraftquelle Waldeswillen - wie sich ein alter und gestürzter Baum einfach nicht unterkriegen lässt und warum das so gut tut

Dritter Beitrag zur Fotoaktion (März): Kraftquelle Kulturerlebnisse - wie sich mein Leben mit allen Tiefern und Höhen auch in Eintrittskarten abbilden lässt

Vierter Beitrag zur Fotoaktion (April): Kraftquellen Fotografie, Kreativität & Gestaltung: Wie das Fotografieren mir den Zen-Buddhismus näherbringt

Fünfter Beitrag zur Fotoaktion (Mai): Warum blühende Kastanien für mich zu einem Symbol dafür geworden sind, dass sich Krisen auch überstehen lassen

Sechster Beitrag zur Fotoaktion (Juni): Die alte Teekanne meiner Oma als ein Symbol für die Beständigkeit von Geteiltem im Leben - und für erlebtes Leiden

Siebter Beitrag zur Fotoaktion (Juli): Kindheit, die erste Heimat auf dieser Welt - so voller Mysterien und doch so zerbrechlich - von der Wirkmacht der ersten Jahre

Achter Beitrag zur Fotoaktion (August): Eintauchen in andere Welten durch Rock-LPs und ihre Plattencover - wie mir die Vermischung zweier Künste durch die Zeit half

Neunter Beitrag zur Fotoaktion (September): Standfest, sicher und ausgesetzt - warum die Bäume auf einem Osnabrücker Berg einen so hohen Symbolwert haben 

Zehnter Beitrag zur Fotoaktion (Herbst, die erste): Warum eine fundierte Ausbildung für einen Trauerbegleiter so wichtig ist und warum in meiner Schlümpfe eine Rolle spielen

Elfter Beitrag zur Fotoaktion (Herbst, die zweite): Ein ganzes Leben unter bunten Buchdeckeln - Warum Blanko-Notizbücher eine Kraftquelle sein können

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Der Autor dieser Zeilen 
bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Er hält auch Vorträge zum Thema Trauer und Umgang mit Trauernden. Mehr Infos gibt es hier

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Männertrauergruppe in der Region Osnabrück: Offene Gruppe, Einstieg jederzeit möglich - alle Infos über die Gruppe gibt es hier

Ebenfalls auf diesem Blog: Die merkwürdige Beständigkeit der Dinge - warum das Wegwerfen von Sachen für Menschen in einer Trauerkrise erstmal nicht möglich ist

Ebenfalls auf diesem Blog: Eine der schwierigsten Aufgaben in einem Trauerprozess - überhaupt begreifen zu können, was da geschehen ist - was das so schwer macht

Ebenfalls auf diesem Blog: Der Fluch der Tapferkeit - warum es Menschen in der modernen Gesellschaft so schwer fällt Trauer als etwas Normales anzuerkennen

Ebenfalls auf diesem Blog: Wer Öffentlichkeit will, muss sie selbst herstellen - Praxis-Tipps für gute Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Hospiz-, Trauer & Palliativinitiativen


Ebenfalls auf diesem Blog: Wenn Töne und Texte die Seele ins Schwingen bringen, Teil #01: Serie über Trauer und Musik - die besten Songs und Alben über Trauer und Tod 

Und im Kultur-Blog des Autors: Was "Babylon Berlin" wirklich zu einer ganz besonderen Serie macht - und das ist nicht alleine Bryan Ferry von Roxy Music

Mittwoch, 17. Januar 2018

Wie man Trauernden beistehen kann... Wie funktioniert eigentlich Trauerbegleitung, was bringt Trauerbegleitung und wie kann sie in einer Krise helfen? (Dritter Teil des Dialogs "Zwei Trauerbegleiter unterhalten sich")

Osnabrück/Berlin – Was genau ist das eigentlich, so eine "Trauerbegleitung" - wie genau funktioniert das? Solche Fragen erreichen mich relativ oft, gerne mal am Ende eines Vortrags. Hier sind ein paar Antworten - wieder einmal mit prominenter Unterstützung. Denn im dritten Teil unserer Serie "Zwei Trauerbegleiter unterhalten sich", die parallel hier auf diesem Blog und auf dem Blog der Buchautorin und Trauerbegleiterin Eva Terhorst aus Berlin (siehe hier) erscheint, geht es um genau dieses Thema und um die Erfahrungen, die wir beide gemacht haben. Diesmal darf ich den Auftakt machen. Los geht's:  

Liebe Eva, ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen mit dem Begriff „Trauerbegleitung“ eigentlich gar nicht so richtig etwas anfangen können. Zu den Standardfragen, die dann gerne mal kommen, gehört zum Beispiel: Wie funktioniert das eigentlich genau, so eine Trauerbegleitung? Gibt es da ein Ziel, auf das man hinarbeiten kann? Oder, auch das kommt vor: Können Sie die Trauer irgendwie wegmachen? Geht es Dir auch so, Eva, hast Du ähnliche Beobachtungen gemacht? Und was sagst Du den Menschen denn dann? Liebe Grüße, Thomas


Eva Terhorst aus Berlin hat mehrere Bücher zum Thema Trauer geschrieben und arbeitet unter anderem als Trauerbegleiterin. Sie betreibt auch einen Blog zum Thema Trauer.


Lieber Thomas, das ist gut, dass du dieses Thema ansprichst, denn der Begriff Trauerbegleitung ist in unserer Gesellschaft relativ neu und er wird leider noch oft missverständlich erklärt und aufgefasst. So steht zum Beispiel bei Wikipedia, dass Trauerbegleitung von Angehörigen, Freunden und Kollegen – eben vom Umfeld - geleistet wird. Erst dann, wenn die Trauer pathologisch werde, wird eine professionelle Trauerbegleitung genutzt. Dem möchte ich ganz vehement widersprechen. Die Menschen, die bisher zu mir gekommen sind, um sich von mir begleiten zu lassen, befanden sich allesamt und ausschließlich nicht in einem pathologischen Zustand der Trauer. Viele haben einfach festgestellt, dass sie selbst und auch das Umfeld sich eigentlich so gut wie gar nicht mit dem Thema auskennen. So kommt es zu so quälenden Situationen, dass Betroffene unter großem Druck stehen, wenn sie sich nach ein paar Wochen immer noch traurig und lustlos fühlen. Wenn dann noch Freunde, Verwandte und Bekannte gut gemeinte Bemerkungen machen, dass es doch mal so langsam wieder gut sein muss, denken viele, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Also suchen sie Hilfe aber sie sind ganz und gar nicht pathologisch. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie erleichtert manche meiner Klienten von mir fort gehen, weil ich ihnen klar machen konnte, dass das, was sie erleben und fühlen, komplett normal ist. Die schlechte Nachricht ist natürlich, dass so ein Trauerprozess einfach viel schwerer und länger ist, als man ihn sich vorgestellt hat und man erst so nach und nach lernt, damit umzugehen. Da gibt es viele Phasen und Momente an denen man selbst und das Umfeld überfordert ist und es eine wirklich gute Idee ist, sich Hilfe zu holen. Das bedeutet aber nicht, dass etwas mit einem nicht stimmt. Sich in schwierigen Situationen Hilfe zu holen, scheint etwas zu sein, was sich nur Wenige trauen. Das finde ich sehr schade, denn auch wenn die Trauerzeit ein sehr schwerer Lebensabschnitt ist, kann sie sehr intensiv genutzt werden. Zum Glück wird es aber in unserer Gesellschaft immer normaler und anerkannter, sich in schwierigen Situationen professionelle Hilfe zu holen. Lieber Thomas, jetzt sende ich dir erst Mal liebe Grüße aus Berlin und bin auf deine Antwort gespannt. Eva

Liebe Eva, ja, da hast Du recht. Ich hatte neulich nach einem meiner Vorträge genau diese Situation erlebt, dass ein Mann mich fragte, was denn Trauerbegleitung nun eigentlich genau ist. Ich erklärte es ihm – und er sagte: Aha. Also im Wesentlichen wird da geredet…? Auch wenn ich verstehen kann, dass es auf Außenstehende so wirkt, ist es natürlich eigentlich falsch. Denn im Wesentlichen wird bei einer Trauerbegleitung ja… - verstanden. Also: Das verstanden, was Freunde, Verwandte und Kollegen schon nicht mehr verstehen können oder wollen. Was man ihnen nicht vorwerfen kann oder sollte, denn wer in einer solchen Trauerkrise nicht drinsteckt, für den ist oft wirklich schwer nachvollziehbar, wie lange sich so etwas hinziehen kann. Wie wenig „Entwicklung“ oder „Vorwärtskommen“ darin steckt. Ich habe – genauso wie Du – oft die gute Erfahrung gemacht, dass den Trauernden es ungemein gut tut, wenn sie signalisiert bekommen: Es muss gar kein Vorwärtskommen geben. Es darf jetzt erstmal alles da sein, was gerade da ist. Und das muss raus. Und wenn das lange dauert – Monate, Jahre, länger -, dann ist das eben so. Das gehört dazu. Julian Barnes schreibt in seinem wundervollen Buch „Lebensstufen“ dazu: „Es tut exakt weh, wie es die Sache wert ist.“ Übrigens ist Trauerbegleitung gar nicht immer nur ein Miteinander-Reden. Manchmal ist es auch ein Miteinander-Schweigen. Oder einfach ein Aushalten. Dabei muss es auch gar nicht immer traurig zugehen: Ich habe neulich mit einer Trauergruppe gearbeitet, deren Mitglieder alle wirklich harte Schicksale zu ertragen haben. Aber an dem Abend wurde auch gelacht und es fühlte sich irgendwie gut an. Geht auch. In der Trauer. Hast Du bestimmt auch schon einmal erfahren, oder? Herzliche Grüße, Thomas

Thomas Achenbach ist der Autor dieses Blogs, er ist in der Region und Stadt Osnabrück als Trauerbegleiter aktiv.   (C.-Achenbach-Foto) 

Lieber Thomas, genau – es wird verstanden, was der Betroffene manchmal selbst noch gar nicht versteht und einordnen kann und wir helfen ihm dabei. Und was das Lachen betrifft, ich hatte mal eine Trauergruppe mit der ich so viel geweint und gelacht habe, dass ich es heute noch spüren kann. Genau in dieser Zeit meldete sich der Journalist Arnd Zickgraf von der Zeit und wollte ein Statement von mir über Trauer. Nach unserem Gespräch hat er seinen geplanten Artikel verworfen und einen neuen geschrieben: „Wer trauert,darf auch lachen“ . Ich habe mal ganz provokant gesagt, dass das Umfeld Trauernde weder weinen, noch lachen sehen möchte. Weinst du, ist es belastend, lachst du, ist es irritierend. In einer Trauergruppe ist beides möglich. Es wird verstanden, richtig eingeordnet und nicht bewertet. Keiner denkt dort, wenn jemand lacht, dass er nicht genügend trauert. Das ist so entlastend und wir alle wissen eigentlich, dass in Extremsituationen Weinen und Lachen sehr nahe beieinander liegen können. Ich kann es gar nicht oft genug betonen: Der Verlust eines geliebten Menschen ist eine Extremsituation! Schwierig macht es doch erst die Tatsache, dass Sterben zum Leben dazu gehört und von daher als normal empfunden wird. Bis es einen dann selbst trifft und die Umstände, die persönliche Struktur, die individuelle Situation und die spezielle Bindung an den geliebten Menschen einem aufzeigen, dass normal auch höllisch und lange weh tun kann. Hier hilft eine Trauerbegleitung, um sich selbst besser wahr zu nehmen. Zu begreifen, dass dieser große Schmerz mehr mit großer Liebe als mit großer Schwäche zu tun hat und wie man sie – die große Liebe – bewahren und trotzdem gut weiter leben kann – irgendwann. Lieber Thomas, ich freue mich sehr darüber, in dir jemanden gefunden zu haben, mit dem ich mich über diese wichtigen Themen unserer Arbeit auf diese Weise austauschen kann. Danke und liebe Grüße, Eva

Liebe Eva, ja, ich erlebe das auch als sehr wertvoll und es fließt mir fast wie von selbst aus den Händen. Ich glaube aber auch, dass sich Menschen in einer Trauersituation alleine schon aus diesen Dialogen etwas herauspicken können, was ihnen gut tut. Aber nochmal zurück zur Ausgangsfrage: Ob eine Trauerbegleitung irgendein Ziel braucht. Ich glaube: Das braucht sie nicht. Es ist ja kein Coaching, in dem sich immer alles darum dreht, welches Ziel auf welche Weise erreicht werden kann… Natürlich kann man auch mal auf Ressourcen gucken. Aber erstmal geht es ums Verstandenwerden. Das ist es, was ich im Gespräch mit Trauernden gerne sage, nein, es gibt jetzt erstmal keine Ziele für Sie. Es gibt nur ein Hindurchgehen. Was mir die Trauerbloggerin Anja von „Ein Stück untröstlich“ einmal darauf geantwortet hat, fand ich auch wertvoll – sie beschrieb mir, dass sie an einem Tag auf einmal wahrgenommen habe, dass sie atmet. Nicht mehr, nicht weniger. Aber so als Aha-Effekt: Ach, guck mal, ich atme ja. Hatte ich ganz vergessen, dass ich das tue. Dass ich das kann. So ein Wahrnehmen, als eine wichtige, sagen wir mal, Zwischenetappe auf dem Weg… das reicht oft manchmal. Solche Impulse sind es übrigens auch, die ich an unserer Arbeit so schätze – dass du auf diese vielen vermeintlichen Selbstverständlichkeiten gestoßen wirst, die in Wahrheit alles andere als selbstverständlich sind. Das weckt so etwas wie Demut in einem. Und Demut ist etwas Wichtiges, finde ich. In diesem Sinne sende ich Dir herzliche Grüße, Thomas

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„Zwei Trauerbegleiter unterhalten sich“: Hier tauschen sich die beiden Trauerbegleiter Thomas und Eva über die Themen ihrer Arbeit aus. Das soll zu einem besseren Verständnis beitragen, warum Trauerbegleitung wichtig ist und euch helfen, besser zu verstehen, was ihr gerade durch macht, wenn ihr einen geliebten Menschen verloren habt. Auch für Angehörige von Trauernden kann dieser Dialog hilfreich sein. Denn es ist manchmal nicht so leicht nachzuvollziehen, was in jemandem vor sich geht, wenn er trauert. So kommt es schnell zu Missverständnissen und gut gemeinten Ratschlägen, die oft das Gegenteil vom Beabsichtigten auslösen. Sehr, sehr gerne können Trauernde, Angehörige, Trauerbegleiter und alle, die mit dem Thema zu tun haben, mit ihren Kommentaren dazu beitragen, dass dieser Dialog lebendig und hilfreich sein kann! Mehr Infos über Eva und ihre Arbeit gibt es hier....

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Der Autor dieser Zeilen 
bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Er hält auch Vorträge zum Thema Trauer und Umgang mit Trauernden. Mehr Infos gibt es hier

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Männertrauergruppe in der Region Osnabrück: Offene Gruppe, Einstieg jederzeit möglich - alle Infos über die Gruppe gibt es hier


Ebenfalls auf diesem Blog: Trauer schiebt einen nicht durch irgendwelche Phasen hindurch - Trauer stellt einen vor ganz konkrete Aufgaben, sagt ein Trauerforscher

Ebenfalls auf diesem Blog: Die merkwürdige Beständigkeit der Dinge - warum das Wegwerfen von Sachen für Menschen in einer Trauerkrise erstmal nicht möglich ist

Ebenfalls auf diesem Blog: Eine der schwierigsten Aufgaben in einem Trauerprozess - überhaupt begreifen zu können, was da geschehen ist - was das so schwer macht

Ebenfalls auf diesem Blog: Der Fluch der Tapferkeit - warum es Menschen in der modernen Gesellschaft so schwer fällt Trauer als etwas Normales anzuerkennen

Ebenfalls auf diesem Blog: Wer Öffentlichkeit will, muss sie selbst herstellen - Praxis-Tipps für gute Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Hospiz-, Trauer & Palliativinitiativen


Ebenfalls im Kultur-Blog des Autors: Wie man als Autor vom Schreiben leben kann - Tipps für Hobbyautoren von einem echten Profi (und ein Plädoyer fürs Selfpublishing)

Dienstag, 9. Januar 2018

Diesmal ein Beitrag, der sich vorwiegend an Nicht-Trauernde richtet - Tipps für alle Eltern: Warum es so wichtig sein kann, eine Sorgerechtsverfügung aufzusetzen - rechtzeitig alles regeln, solange es geht!

Osnabrück (eb) - Wer sich, so wie ich, mehrmals pro Woche mit allerlei Fragen rund um Tod, Trauer und Sterben beschäftigt, kommt zwangsläufig mit ganz vielen Themen des Lebens in Kontakt. Darunter sind viele Bereiche, die mit dem hier zugrundeliegenden Thema Trauer nur am Rande oder in der Schnittmenge etwas zu tun haben, die ich aber trotzdem gerne auf diesem Blog teilen möchte. Einfach, weil ich überzeugt davon bin, dass es so wichtig ist, sich damit auseinanderzusetzen - schon zu Lebzeiten, vor allem! Denn was sich noch im Leben, also im Vorfeld, alles regeln lässt, ist eine Menge - und meine ganz persönliche Erfahrung zeigt: Im Fall der Fälle ist nichts wertvoller und beruhigender als das. Also zu wissen, dass etwas geregelt ist. Und so richtet sich dieser Blogbeitrag nicht an aktuell Trauernde, sondern an Eltern, deren Kinder gesund und munter sind und leben. Was sie hoffentlich noch lange tun. Wobei es eben immer sein kann, dass jemand stirbt - oder dass Mama und Papa eben gleich beide auf einmal sterben, z.B. durch einen Unfall...  Und was dann? Das lässt sich zum Glück schon im Vorfeld regeln...

Höchst unwahrscheinlich, oder? So etwas wird ja nicht passieren… niemals? Nein? Folgende Geschichte habe ich neulich noch - über einige Ecken - gehört: Da hatten die beiden Eltern die Kinder für einen Nachmittag bei den Großeltern zur Betreuung abgegeben, damit sie sich um etwas Wichtiges kümmern konnten. Der Weg dorthin führt nur ein kurzes Stück über die Autobahn, es ist nicht weit, es sind nur zwei Abfahrten, das ist schnell gemacht. Aber weil die Stadtautobahn an dieser Stelle - zwischen zwei Autobahnkreuzen - stets gut befahren ist, gibt es oft Stau. So auch diesmal. Nur dass der Lastwagen hinter den beiden Eltern, wie es hier leider so oft geschieht, das Stauende nicht rechtzeitig gesehen hatte und mit vollem Karacho in das Auto der beiden hineinbretterte. Es quasi auf die Hälfte der ursprünglichen Größe zusammenschob. Beide Eltern starben. Die Mutter sofort, der Vater nur kurze Zeit später im Krankenwagen. Weil die Großeltern schon älter waren, die Geschwister weit weg wohnten und sich mit den Eltern nicht gut verstanden, stand die Frage im Raum: Und was wird jetzt aus den Kindern?

Ein Alptraum, über den man nicht nachdenken mag. Aber sollte. Was ist, wenn das Bett von Mama und Papa ab sofort immer leer bleiben wird? Was wird aus den Kindern?    (Thomas-Achenbach-Foto)

Eine Horrorgeschichte, okay. Viele meiner Freunde reagieren dann so: Alles kein Problem, wenn es uns einmal geschehen sollte, was wir kaum glauben, dann ist doch alles ganz klar, wie es zu laufen hat. Dann übernehmen Großeltern, Taufpaten, Freunde. Ist doch klar? Dem ist leider nicht so. Focus.de hat die folgenden Fakten zusammengetragen: Rund 1000 Kinder werden in Deutschland jährlich zu Vollwaisen, belegen laut der Recherche aktuelle Statistiken. Wer jetzt glaubt, in einem solchen Fall geht das Sorgerecht ganz automatisch an die nächsten Verwandten wie Großeltern oder eventuell vorhandene Geschwister der Eltern - oder gar an Taufpaten -, der täuscht sich allerdings. Denn es entscheiden im Todesfall der Eltern immer das Jugendamt und das Familiengericht zusammen, wer das Sorgerecht bekommt - oder ob das Kind beispielsweise in eine Pflegefamilie kommen soll oder gar ins Heim gehen wird, während das Sorgerecht an einen Vormundverein geht. Das kann beispielsweise passieren, wenn es keine Geschwister gibt und die Großeltern schon älter sind. Gibt es keine Sorgerechtsverfügung, entscheidet das Gericht zwar immer nach Wohl des Kindes, aber eben so, wie es glaubt, dass es für das Kindswohl richtig sein wird - ohne Kenntnis der Familie und der jeweiligen Situation. Taufpaten kommen übrigens sowieso nicht in Frage, denn die haben vor weltlichen Gerichten keine Leigitimation. Das lässt sich alles umgehen und vorher regeln- durch eine Sorgerechtsverfügung. Aber wie muss die aussehen? Was muss alles rein? Wie wird sie am besten formuliert? Ich habe mich auf die Suche nach Informationen gemacht.  


Vorsicht vor auszufüllenden Vordrucken - ungültig!


Es gibt zu diesem Thema zahlreiche Einträge im Internet - wie beispielsweise bei Focus, aber auch bei Eltern.de oder in Artikeln von Notaren. Hier - und bei unserem Nachlassgericht - habe ich mir die wichtigsten Infos zusammengesucht. Es gibt auch allerlei Vordrucke für Verfügungen, die sich nur noch ausfüllen lassen. Davon bitte unbedingt die Finger lassen, denn wie sich hier später noch zeigen wird, sind ausgefüllte Vordrucke nicht ausreichend und werden vom Gericht nicht anerkannt. Okay. Fangen wir an:

1.)    Also, nochmal das Wichtigste: Gibt es keine Sorgerechtsverfügung, entscheiden das Familiengericht und Jugendamt gemeinsam, wer der neue Vormund für das Kind wird. Sie entscheiden ohne fundierte Kenntnis der echten Verhältnisse, aber so, wie es nach Meinung des Gerichts gut für das Kindswohl ist. Also: Besser dem Gericht - das immer das letzte Wort haben wird - mit einer Sorgerechtsverfügung den Elternwillen klar und eindeutig darstellen. Das hilft beiden Seiten. 

2.)    Wird ein neuer Vormund durch das Gericht bestimmt – das können beispielsweise Familienmitglieder sein, Vormundvereine oder Pflegefamilien -, kann dieser selbst immer noch bestimmen, dass das Kind andernorts aufgenommen wird, sofern es keine Verfügung gibt und sofern aus der Sorgererchtsverfügung nicht eindeutig hervorgeht, dass der neue Vormund mit dieser Aufgabe auch einverstanden ist. Allerdings müsste dann bei jedem antstehenden Verkauf (bspw. das Haus der verstorbenen Eltern oder andere Erbstücke von Wert) das Vormundschaftsgericht jeweils eine Genehmigung erteilen. Auch das lässt sich vorab anders regeln.

3.)    Gibt es KEINE Sorgerechtsverfügung, haben Verwandte und Bekannte gegen die Entscheidung des Gerichtes keinerlei Rechtsmittel. Alleine der neue Vormund hat ein Mitspracherecht, siehe oben. Alle anderen aber haben keines. 

4.)    GIBT es eine Vorsorgeverfügung – oder eine entsprechende Passage im Testament -, prüft das Gericht nur noch die Tauglichkeit: Ein 17-jähriger Bruder würde dann als Sorgeberechtigter im Zweifelsfalle vom Gericht ebenso abgelehnt wie sehr altersschwache Großeltern. Ansonsten wird der elterlich verfügte Wille vom Gericht aber bevorzugt anerkannt. Wichtig ist natürlich, dass die Eltern bzw. der alleinerziehende Elternteil mit den jeweiligen Kandidaten für das Sorgerecht im Vorfeld gesprochen hat und sich diese damit einverstanden erklärt haben, für das Kind zu sorgen.

5.)    Wer soll/kann/müsste der neue Vormund werden? Hier gibt es vieles mitzubedenken: Passen Lebensstil, religiöse Zugehörigkeit und die finanzielle Gesamtsituation zu den Einstellungen, die die Eltern hier favorisieren? Passt das Vertrauensverhältnis zwischen Vormund und Kind? Kennen sich die beiden überhaupt schon gut genug?

6.)    Sinnvoll ist  es zudem, in einer Verfügung auch gleich einen Ersatzvormund zu benennen. Falls irgendwas dazwischen kommt. Außerdem können Personen auch von vorneherein als potentieller Vormund ausgeschlossen werden, selbst wenn sie von den Familienverhältnissen her in Frage kämen, beispielsweise bei verrütteten Verhältnissen. Das Gericht würde diese nicht kennen. Wer älter als 60 Jahre ist, darf außerdem von der Vormundschaft zurücktreten, wenn er sich zu alt dafür fühlt – und dies als Grund angibt.

7.)    Zu berücksichtigen ist auch, dass die Vermögenssorge (wer kümmert sich um das Erbe für das Kind – beispielsweise das Geld aus einer Risikolebensversicherung, etc.?) und die Personensorge (wer kümmert sich um das Kind daselbst?) voneinander getrennt werden können. Es dürfen jedoch laut Gesetz nicht mehr als zwei Vormünder bestellt werden. 

8.)    Folgende Formalien müssen erfüllt sein: -> Die Verfügung muss, wie auch ein Testament, handschriftlich aufgesetzt sein. –> Bei zwei Elternteilen genügt es, die Verfügung einmal handgeschrieben abzufassen und vom zweiten Elternteil per Unterschrift bestätigt zu haben. –> Datum und Ort müssen immer mit angegeben sein. –> Die Seiten am besten mit Seitenzahlen versehen. > Die benannten Vormund-Kandidaten sollten regelmäßig befragt werden. – Auszufüllende Formblätter, z. B. aus dem Internet, sind nicht rechtswirksam, weil nicht komplett handgeschrieben (§ 2247 BGB, „Eigenhändiges Testament“). Wenigstens genauso wichtig ist noch die folgende Sache:

Wenn Kinder zu Vollwaisen werden, muss der Weg, der vor ihnen liegt, nicht steinig sein. Vieles lässt sich im Vorfeld verfügen. Wenn man es denn richtig macht....   (Thomas-Achenbach-Foto)

9.)    Wo deponieren? Wichtig ist, dass die Verfügung im Ernstfall auch gefunden wird – beim Notar, beim Anwalt oder zu Hause, also bei den genannten Sorgerechts-Kandidaten, lässt sich eine Verfügung gut hinterlegen. Gegen eine Gebühr übernehmen wohl auch Nachlassgerichte das Verwahren der Sorgerechtsverfügung, in Osnabrück beispielsweise kostet das 75 Euro - nach Auskunft des Gerichts.

10.) Taufpaten sind eben Taufpaten – da geht es um Religion und die religiöse Weitererziehung des Kindes. Eine weltliche und gesetzliche Vormundschaft ist darin jedoch nicht beinhaltet, eine Anerkennung durch ein Gericht als Vormund wird Taufpaten also verwehrt bleiben. Es sei denn, sie werden in einer Sorgerechtsverfügung entsprechend als Vormund benannt.

11.)  Noch etwas mitbedenken: Es kann der Fall eintreten, dass Eltern nicht sterben, aber durch einen Unfall oder eine Krankheit plötzlich so eingeschränkt sind, dass sie das Sorgerecht nicht mehr ausüben können. Auch in einem solchen Fall übernimmt ein Vormund das Sorgerecht für das Kind. Diesen Fall kann man jedoch nicht durch eine Sorgerechtsverfügung abdecken, weil diese nur für den Todesfall gilt. Hierfür bräuchte es eine so genannte Sorgerechtsvollmacht. Eine solche Vollmacht muss immer widerruflich sein.

12.)  Spezialfall alleinerziehende Eltern: Bei Alleinerziehenden ist die Frage immer, wer das Sorgerecht hat – nur eines der beiden Elternteile, nämlich das das Kind gerade erziehende? Gibt es dann keine Sorgerechtsverfügung, überträgt das Gericht die Sorge immer dem anderen Elternteil.

13.) Und wie wird eine solche Verfügung am besten formuliert? Ich habe mal aus den gefundenen Formulierungsvorschlägen eine, wie ich finde, optimal zusammengemischte Version herausdestilliert - jedoch ohne jeden Anspruch auf juristische Vollständigkeit oder auf den Ersatz einer eigenen Recherche und einer Rechtsberatung, das muss hier betont sein. Dennoch. Es könnte sich dann so lesen....:

Wir, das Ehepaar Sieglinde Musterfamilie, geborene Mustermann, geboren am 22.11.1983 in Georgsmarienhütte, und Hermann Musterfamilie, geboren am 11.12.1977 in Bonn, wohnhaft in der Meller Straße 100 in 49124 Georgsmarienhütte, verfügen für den Fall, dass wir die elterliche Sorge für unser Kind Mäuschen Musterfamilie, geboren am 13.11.2007, wohnhaft in der Meller Straße 100 in 49124 Georgsmarienhütte, vorübergehend oder auf Dauer nicht mehr aus- üben können, dass Frau Tussnelda Mustermix, geborene Schultze, geboren am 07.05.1967 in Leipzig, wohnhaft in der Musterhausstaße 3 in 49078 Osnabrück, Telefon XXXX/XXXXX, das Sorgerecht übernehmen soll und zum Vormund bestellt wird. 

Frau Tussnelda Mustermix soll sowohl die Personensorge als auch die Vermögenssorge ausüben. Sollte Tussnelda Mustermix die Übernahme des Sorgerechts für Mäuschen Musterfamilie nicht möglich sein, soll Herr Walter Mustermuster, geboren am 27.04.1963 in Osnabrück, wohnhaft im Blumenring 33 in 49191 Belm, Telefon XXXX XXXx, das Sorgerecht übernehmen und zum Vormund bestellt werden. Herr Paul Meier soll sowohl die Personensorge als auch die Vermögenssorge ausüben.
Ort / Datum
Unterschrift Sieglinde Musterfamilie
Unterschrift Hermann Musterfamilie


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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor der Bücher "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag und "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise", 220 Seiten, Campus-Verlag. Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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Mittwoch, 3. Januar 2018

Noch mehr Tipps für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit - Für Hospizgruppen, Trauergruppen und alle anderen - Strategien für eine gelingende Presse-, Medien- und Öffentlichkeitsarbeit (Teil 2)

Osnabrück - Vor kurzem habe ich einen Blogbeitrag veröffentlicht, in dem ich ein paar Tipps und Anregungen für eine gelungene Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gegeben habe. Außerdem hatte ich angekündigt, noch eine weitere Liste solcher Tipps zu veröffentlichen. Hier ist sie nun. Und nur noch dieses eine Mal wechsele ich wieder von meiner Funktion als Trauerbegleiter in mein anderes, also hauptberuflich arbeitendes Ich, das als Redakteur und Redaktionsleiter einem Brötchenberuf nachgeht, damit die Trauerbegleitertätigkeit auch ehrenamtlich und nebenberuflich absolviert werden kann.... Okay, los geht's... Im direkten Anschluss an die ersten fünf Tipps machen wir gleich weiter:

6.) Formulieren Sie Ihre Texte immer für eine breite und allgemeine Öffentlichkeit, arbeiten Sie bitte mit so wenig Fachbegriffen wie irgendwie möglich. Das beste Beispiel für ein klassisches Trauerthema, das kaum jemand verstehen kann außer denen, die wirklich tief in der Materie drinstecken, ist die Diskussion rund um die ICD 11 (sprich: soll verfestigte Trauer irgendwann einen eigenen Krankheitsschlüssel bekommen oder nicht?). Dieses Thema lässt sich nur sehr, sehr schwer vermitteln. Dabei wäre es so wichtig, es fürs allgemeine Publikum begreifbar zu machen. Denn das ist so ein Klassiker, der bei unserer Arbeit immer wieder vorkommt. Da gab es zum Beispiel den erzürnten Anruf eines Arztes, der unserer Redaktion eine Pressemitteilung über eine neue Behandlungsmethode geliefert hatte, die wir auch veröffentlicht hatten. Aber so, dass sie alle unsere Leser verstehen konnten, auch ohne Medizinstudium. Weil es in dem Text vor lateinischen und sonstigen Fachbegriffen nur so gewimmelt hatte, war das Redigieren (also das Bearbeiten - wie wir gerne sagen: Redaktion kommt von Redigieren) eine aufwändige Sache gewesen. Und nun sagt der Arzt: "Ich mache mich doch lächerlich vor meinen Kollegen, wenn Sie so ein Zeugs veröffentlichen". Worauf ich freundlich gefragt habe, was der Arzt denn glaube, wie viele - in Prozent - der Leser einer Anzeigenzeitung studierte Mediziner sein dürften... Und wieviele davon vielleicht eher Oma Erna aus dem zweiten Stock sein dürften, also als Beispiel gesagt? (Diese Diskussion habe ich so auch schon geführt mit: Feuerwehrleuten, IT-Experten, Call-Center-Verantwortlichen, you name it...) Und genau für die schreiben wir: Für Oma Erna aus dem zweiten Stock. Oder für ihre Tochter oder ihre Enkel oder ihre Nachbarn oder die Kleinfamilie aus dem Haus nebenan. Oder den Sparkassenbetriebswirt, der vorne an der Ecke wohnt. Für die alle und noch viel mehr. Kurz: Für ein großes, aus zig Menschen und zig Alterskreisen und zig Schulbildungen bestehendes Gesamtpublikum. Was im Umkehrschluss wieder bedeutet: Alle Pressemitteilungen, die uns erreichen, sollten idealerweise ebenfalls so formuliert sein, dass z.B. eine ältere Dame ohne jede Fachkenntnis alles verstehen kann, was darin vorkommt. Große Redaktionen von Publikumszeitschriften haben sich genau diese Arbeitsweise zum Prinzip erkoren: An der Stirnseite der Großraumredaktionen stehen Pappfiguren von einer älteren Dame, die erkennbar gerade vom Markt oder vom Einkaufen kommt. Da kann jeder Redakteur jederzeit hingucken und sehen: Das ist unser Zielpublikum für unser Medium. Die Themen, die wir machen, müssen diese Dame ansprechen, sie müssen so formuliert sein, dass sie auch verstehen kann, was das alles mit ihr und ihrem Alltag zu tun hat. Okay, kommen wir zum nächsten Tipp...:


Basiswerkzeug für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Ein Computer, ein Notizblock und eine Fotokamera.   (Thomas-Achenbach-Symbolfoto)

7.) Machen Sie sich mit ein paar der wesentlichen Grundbegriffe vertraut... Es gibt beispielsweise für Journalisten einen fundamentalen Unterschied zwischen Werbung und Redaktion. Das ist auch so ein Klassiker, der immer wieder vorkommt: Jemand ruft in der Redaktion an und sagt, er interessiere sich dafür, Werbung in der Zeitung zu machen. Dann wird der Anrufer also zur Werbeabteilung (bei uns: Zum Medien Service Osnabrück, dem MSO) durchgestellt. Und dort stellt sich dann heraus, dass es in Wirklichkeit gar nicht um bezahlte Anzeigen geht. Sondern um Artikel im redaktionellen Teil. Also Anrufer wieder zurückleiten, nix als hin und her, Anrufer genervt, Redakteur irritiert... Lässt sich alles vermeiden, weil es nur an einem kleinen Wörtchen hing. Genauso die Formulierung "Platzieren" - jemand ruft in der Redaktion an und sagt, Hallo, er würde gerne einen Artikel "platzieren". Hier gilt selbiges: Platziert werden Anzeigen, keine Artikel. Wer also eine Pressemitteilung in eine Redaktion sendet, der ist interessiert an einem redaktionellen Beitrag. Handelt es sich um die Ankündigung einer kommenden Trauergruppe, die regelmäßig stattfindet, wird so etwas meistens in Form von kurzen so genannten "Meldungen" (nicht Mehrspaltern) geschehen oder in Form von Terminkalendereinträgen. Handelt es sich um größere, einmalige Anlässe wie Benefizkonzerte etc., sind auch mal größere Artikel drin. Vielleicht auch ein Aufmacher. Das ist allerdings auch abhängig vom nächsten, wichtigen Punkt: 

8.) Schicken Sie - wenn es irgendwie geht - IMMER Bilder mit, und zwar mit jeder Pressemitteilug - um bei dem eben genannten Beispiel zu bleiben: Bei einem Konzert beispielsweise sind Bilder von den Akteuren immer wichtig. Wenn ein Chor oder ein Orchester auftritt, wird es dort sowieso Fotos geben, die für Presseartikel benutzt werden, ganz bestimmt, das ist fast immer so. Falls nicht, tut es auch ein Bild vom Veranstaltungsort. Aber auch die regelmäßige, monatliche Pressemitteilung über neue Termine von Trauergruppen etc. dürfen gerne mit Bild eingeschickt werden, beispielsweise Portraits der Gruppenleiter. Das ist besonders wichtig, wer etwas an Online-Medien schickt, denn für Online-Medien gilt grundsätzlich: Niemals eine Pressemitteilung ohne Foto einsenden, jede Veröffentlichung braucht online auch ein Bild (Danke an meinen Kollegen Jens Lintel für diesen Tipp, denn das musste ich selbst vor kurzem noch neu verinnerlichen). Für Zeitungen und andere Printprodukte gilt indes eine andere Grundregel. Nämlich: Das Foto wird nicht jedes Mal mit veröffentlicht werden können, ganz sicher nicht. Aber irgendwann dann doch! Irgendwann, meist in den ganz ereignisarmen Zeiten (Ferienzeiten, Wintermonate wie Januar und Februar, Tage nach großen Feiertagen), wird die Redaktion mal dankbar sein, dass sie auch eine solche Meldung mit einem Bild aufpeppen kann - weil es sonst kaum Fotos geben wird. Machen Sie sich daher möglichst mit den rechtlichen Bestimmungen vertraut (im Kurzen: Das Urheberrecht liegt beim Fotografen, der kann Ihnen Nutzungsrechte einräumen, beispielsweise für regelmäßige Presseverwendung, UND: die gezeigten Personen müssen, solange es kein Gruppenbild von mehr als acht Leuten ist, sich bewusst mit der Veröffentlichung einverstanden erklärt haben wg. Persönlichkeitsrechten). Das alles schicken Sie am besten immer im Paket an die Presse. Bitte immer per E-Mail, nicht mehr als Brief. Und bitte möglichst mit einer Pressemitteilung im gängigen Word-Format und einem Foto von rund 1 MB Größe alleine im JPG-Format (Kein tiff, pdf, irgendwas anderes). Und dann heißt es, leider: Warten und gucken. Denn es gibt noch etwas Wichtiges zu sagen... Nämlich:


Ganz wichtig bei Gruppenaufnahmen: Nah ran ans Motiv, also an die Gruppe, und immer eine ganze Serie von Bildern machen - irgendwer hat immer gerade die Augen zu oder einen doofen Gesichtsausdruck.  (Thomas-Achenbach-Symbolfoto)

9.) Versuchen Sie zu akzeptieren, dass es Dinge gibt, mit denen Sie leben müssen - dass es beispielsweise keine Rückmeldungen auf Ihre Einsendung gibt. Ganz oft lautet die Klage: "Wir bekommen ja auch nie eine Rückmeldung auf unsere Einsendungen". Ganz oft steht in den die Pressemitteilung begleitenden Mailtexten: "Bitte teilen Sie uns vorab mit, wann Sie und wie Sie unsere Pressemitteilung veröffentlichen werden." Oder so etwas wie: "Falls Sie an dem eingesandten Pressetext Kürzungen vornehmen müssen, stimmen Sie diese bitte vorher mit uns ab..." Und ich kann das sehr, sehr gut verstehen, wie unbefriedigend das ist, seine mit viel Arbeit und vielleicht auch viel Unsicherheiten verbundenen Sachen in so ein schwarzes Loch hineinzuschicken - und dann nur abwarten zu müssen, ob etwas kommt, wann etwas kommt und in welcher Form es dann kommt. Falls überhaupt. Mir geht es übrigens ganz genauso, wenn ich selbst - in meiner Funktion als Trauerbegleiter und Trauergruppenleiter oder als Dozent eines Seminars - Pressemitteilungen an die Kolleginnen und Kollegen verschicke: Hinschicken, abwarten, staunen - oder auch nicht. Weil nix kommt. Oder gleich eine Interviewanfrage. Alles schon passiert. Aber ich weiß ja, wie das ist: Auf jedem ganz normalen Mailpostfach eines ganz normalen Redakteurs eines Durchschnittsmediums wie der Tageszeitung laufen an einem normalen Arbeitsalltag rund 60 bis 100 E-Mails auf. Einfach so und ständig. Macht bis zu 600/700 E-Mails pro Woche. Und das ist kaum übertrieben. Dazu kommen noch die im ersten Artikel schon genannten öffentlichen Postfächer wie redaktion(at) und Co., die auch durchgesehen und gepflegt werden müssen - würde man jetzt auf jede E-Mail reagieren wollen, durch individuelle Rückmeldung, müsste man dafür extra jemanden einstellen. Und das wäre Quatsch. Also wird es wohl beim schwarzen Loch bleiben müssen. Was Sie, spätestens jetzt, vielleicht nicht mehr schocken kann. Genausowenig, wenn ich noch die folgende Anregung habe:

10.) Betrachten Sie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit als ein kundenorientiertes Serviceangebot und als eine aktive und selbstbestimmte, nicht rein reaktive, Arbeit. Das ist der eine Gedankenschalter, den die Profis in Sachen Pressearbeit, PR-Arbeit und Öffentlichkeitsarbeit umlegen können: Sie definieren sich als Dienstleister. Und zwar als Dienstleister für alle Ansprechpartner, also die hausinternen wie die externen. Soll heißen: Sie begreifen ihre Aufgabe so, dass sie allen, die das wünschen, ihren Service anbieten, zum einen den Service, die eigenen Belange geschickt zu formulieren und in die Medien zu geben, wie auch den Service, den Machern der Medien als Ansprechpartner und Vermittler zur Verfügung zu stehen. Das ist eine Haltungsfrage. Aber sie hat maßgeblichen Einfluss auf alles, was man tut. Wenn ich beispielsweise in meiner Eigenschaft als Redakteur auf meiner Arbeit angerufen werde und mich der Anrufer in einem fast schon ärgerlichen oder provokativen Tonfall fragt: "Ich habe Ihnen letzte Woche eine Pressemitteilung geschickt und wieso haben Sie die jetzt noch immer nicht veröffentlicht?", habe ich es mit einer anderen Haltung zu tun als einer serviceorientierten. Denn sonst hätte es beispielsweise so heißen können...: 


Wer in die Öffentlichkeitsarbeit einsteigen möchte, sollte sich mit professioneller Kommunikation beschäftigen - zumindest aber sollte er seine persönliche Haltung einmal prüfen oder überlegen.   (Thomas-Achenbach-Symbolfoto)

"Hatten Sie schon eine Chance, sich das Material ansehen zu können - ist es für Sie so verwendbar, bräuchten Sie noch etwas, kommt es für Sie überhaupt infrage?". Andere Haltung, wichtiger Unterschied. Es ist grundsätzlich immer schwierig, mit einer Erwartung an das Thema ranzugehen wie "Diese blöden Medien, die müssen uns jetzt mal ordentlich entgegenkommen, das haben wir ja wohl langsam mal verdient" (was nach meiner Beobachtung übrigens eine nicht selten vorkommende Haltung ist)... Machen Sie sich bitte möglichst immer bewusst: Es geht bei der professionellen Presse- und Medienarbeit nicht darum, die Arbeit von einzelnen (z.B. von Ehrenamtlichen) würdigend in den Vordergrund zu stellen. Es geht überhaupt gar nicht um Würdigung von irgendetwas. Es geht immer nur um Information. Eine Trauergruppe findet statt - und zwar dann und dort und zu diesen Bedingungen. Ein Konzert wird gegeben für den guten Zweck. Das ist sachlich und nüchtern. Das sind Nachrichten, Fakten, Verlässlichkeiten. Es sind keine Würdigungen. Denn dafür, sorry, sind Medien in der Regel nicht zuständig (bis auf Ausnahmen wie Konzertkritiken etc.). 

Puh. Noch aufnahmefähig? Okay, dann kommt jetzt noch mein allerwichtigstes Herzensthema, sozusagen mein persönlicher Spezialtipp, mit dem ich bei meinen Seminaren zu diesem Thema immer wieder auch verstörte oder irritierte Blicke bei den Teilnehmern erzeuge....: 

Wichtig bei Gruppenaufnahmen: Darauf achten, dass die Fotografierten gut versetzt stehen und keiner verdeckt wird.   (Thomas-Achenbach-Symbolfoto)

10.2.) Wenn Sie irgendwo anrufen, dann fragen Sie bitte immer, immer, immer zuerst, ob Sie stören.... Denn das ist professionelle Kommunikation. Als Anrufer können Sie nicht sehen und nicht wissen, in welche Situation Sie hineingeraten. Vielleicht versucht der Redakteur, den Sie erreichen wollen, gerade sich zu konzentrieren und einen schwierigen Text zu schreiben. Vielleicht ist gerade noch ein Gesprächspartner im Raum, mit dem der Redakteur persönlich etwas besprochen hat? Wer weiß. Also: Erst fragen, ob man stört. Das gibt dem anderen nicht nur die Chance, sagen zu können, "Ja, es passt gerade wirklich nicht so gut, aber ab 15 Uhr habe ich wieder gute Freiräume". Es ist auch ein guter und freundlicher und zuvorkommender Gesprächseinstieg. Man hat ein anderes Entrée - als wenn man direkt anfängt gleich loszusprudeln. Denn werfen wir ganz kurz einen Blick auf die aktuelle Situation. Oder auf den Arbeitsalltag eines lokalen Redakteurs. Egal, ob in einer Radioredaktion, einer Zeitungsredaktion oder bei einem Onlineportal, die Faktoren sind überall ähnlich bis gleich: Die Mailpostfächer quillen über von Pressemitteilungen. Die Zeit ist knapp. Die Ressourcen sind es auch. Wer als Redakteur noch rausgehen und Termine wahrnehmen kann, gönnt sich einen leider seltener werdenden Luxus. Das ist überall so. Und dann klingelt ganz oft noch das Telefon, hier fragt einer etwas nach, dort ein anderer etwas anderes. Wir müssen ehrlich sein: Das kann kolossal nerven. Umso besser, wenn man einen zuvorkommenden Einstieg wählen kann. Nehmen Sie die Luft raus, den Druck raus und fragen Sie, ob Sie stören. Immer. Ich tue das auch immer, ganz egal, wo ich anrufe, ob hausintern in einer anderen Abteilung oder beim Pressesprecher eines Unternehmens. Und, klar, natürlich ist das deren Job, die Anrufe anzunehmen und verfügbar zu sein. Aber man kann doch trotzdem einfach mal nett sein. Schadet selten. 

Hier geht es zum ersten Teil der Tipps für gelingende Presse- & Öffentlichkeitsarbeit... 

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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor der Bücher "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag und "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise", 220 Seiten, Campus-Verlag. Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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Der Podcast von Thomas Achenbach: "Trauergeschichten - Menschgeschichten", Gespräche über Leben, Tod und Sterben, jetzt online

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