Osnabrück/Berlin – Was genau ist das eigentlich, so eine "Trauerbegleitung" - wie genau funktioniert das? Solche Fragen erreichen mich relativ oft, gerne mal am Ende eines Vortrags. Hier sind ein paar Antworten - wieder einmal mit prominenter Unterstützung. Denn im dritten Teil unserer Serie "Zwei Trauerbegleiter unterhalten sich", die parallel hier auf diesem Blog und auf dem Blog der Buchautorin und Trauerbegleiterin Eva Terhorst aus Berlin (siehe hier) erscheint, geht es um genau dieses Thema und um die Erfahrungen, die wir beide gemacht haben. Diesmal darf ich den Auftakt machen. Los geht's:
Liebe Eva, ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass viele
Menschen mit dem Begriff „Trauerbegleitung“ eigentlich gar nicht so richtig
etwas anfangen können. Zu den Standardfragen, die dann gerne mal kommen, gehört
zum Beispiel: Wie funktioniert das eigentlich genau, so eine Trauerbegleitung? Gibt es da ein Ziel, auf
das man hinarbeiten kann? Oder, auch das kommt vor: Können Sie die Trauer
irgendwie wegmachen? Geht es Dir auch so, Eva, hast Du ähnliche Beobachtungen
gemacht? Und was sagst Du den Menschen denn dann? Liebe Grüße, Thomas
Eva Terhorst aus Berlin hat mehrere Bücher zum Thema Trauer geschrieben und arbeitet unter anderem als Trauerbegleiterin. Sie betreibt auch einen Blog zum Thema Trauer. |
Lieber Thomas, das ist gut, dass du dieses Thema ansprichst, denn der Begriff Trauerbegleitung ist in unserer Gesellschaft relativ neu und er wird leider noch oft missverständlich erklärt und aufgefasst. So steht zum Beispiel bei Wikipedia, dass Trauerbegleitung von Angehörigen, Freunden und Kollegen – eben vom Umfeld - geleistet wird. Erst dann, wenn die Trauer pathologisch werde, wird eine professionelle Trauerbegleitung genutzt. Dem möchte ich ganz vehement widersprechen. Die Menschen, die bisher zu mir gekommen sind, um sich von mir begleiten zu lassen, befanden sich allesamt und ausschließlich nicht in einem pathologischen Zustand der Trauer. Viele haben einfach festgestellt, dass sie selbst und auch das Umfeld sich eigentlich so gut wie gar nicht mit dem Thema auskennen. So kommt es zu so quälenden Situationen, dass Betroffene unter großem Druck stehen, wenn sie sich nach ein paar Wochen immer noch traurig und lustlos fühlen. Wenn dann noch Freunde, Verwandte und Bekannte gut gemeinte Bemerkungen machen, dass es doch mal so langsam wieder gut sein muss, denken viele, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Also suchen sie Hilfe aber sie sind ganz und gar nicht pathologisch. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie erleichtert manche meiner Klienten von mir fort gehen, weil ich ihnen klar machen konnte, dass das, was sie erleben und fühlen, komplett normal ist. Die schlechte Nachricht ist natürlich, dass so ein Trauerprozess einfach viel schwerer und länger ist, als man ihn sich vorgestellt hat und man erst so nach und nach lernt, damit umzugehen. Da gibt es viele Phasen und Momente an denen man selbst und das Umfeld überfordert ist und es eine wirklich gute Idee ist, sich Hilfe zu holen. Das bedeutet aber nicht, dass etwas mit einem nicht stimmt. Sich in schwierigen Situationen Hilfe zu holen, scheint etwas zu sein, was sich nur Wenige trauen. Das finde ich sehr schade, denn auch wenn die Trauerzeit ein sehr schwerer Lebensabschnitt ist, kann sie sehr intensiv genutzt werden. Zum Glück wird es aber in unserer Gesellschaft immer normaler und anerkannter, sich in schwierigen Situationen professionelle Hilfe zu holen. Lieber Thomas, jetzt sende ich dir erst Mal liebe Grüße aus Berlin und bin auf deine Antwort gespannt. Eva
Liebe Eva, ja, da hast Du recht. Ich hatte neulich nach einem
meiner Vorträge genau diese Situation erlebt, dass ein Mann mich fragte, was denn
Trauerbegleitung nun eigentlich genau ist. Ich erklärte es ihm – und er sagte: Aha. Also im
Wesentlichen wird da geredet…? Auch wenn ich verstehen kann, dass es auf
Außenstehende so wirkt, ist es natürlich eigentlich falsch. Denn im
Wesentlichen wird bei einer Trauerbegleitung ja… - verstanden. Also: Das verstanden,
was Freunde, Verwandte und Kollegen schon nicht mehr verstehen können oder
wollen. Was man ihnen nicht vorwerfen kann oder sollte, denn wer in einer solchen
Trauerkrise nicht drinsteckt, für den ist oft wirklich schwer nachvollziehbar,
wie lange sich so etwas hinziehen kann. Wie wenig „Entwicklung“ oder
„Vorwärtskommen“ darin steckt. Ich habe – genauso wie Du – oft die gute Erfahrung
gemacht, dass den Trauernden es ungemein gut tut, wenn sie signalisiert
bekommen: Es muss gar kein Vorwärtskommen geben. Es darf jetzt erstmal alles da
sein, was gerade da ist. Und das muss raus. Und wenn das lange dauert – Monate,
Jahre, länger -, dann ist das eben so. Das gehört dazu. Julian Barnes schreibt
in seinem wundervollen Buch „Lebensstufen“ dazu: „Es tut exakt weh, wie es die
Sache wert ist.“ Übrigens ist Trauerbegleitung gar nicht immer nur ein
Miteinander-Reden. Manchmal ist es auch ein Miteinander-Schweigen. Oder einfach
ein Aushalten. Dabei muss es auch gar nicht immer traurig zugehen: Ich habe
neulich mit einer Trauergruppe gearbeitet, deren Mitglieder alle wirklich harte
Schicksale zu ertragen haben. Aber an dem Abend wurde auch gelacht und es
fühlte sich irgendwie gut an. Geht auch. In der Trauer. Hast Du bestimmt auch
schon einmal erfahren, oder? Herzliche Grüße, Thomas
Lieber Thomas, genau – es wird verstanden, was der
Betroffene manchmal selbst noch gar nicht versteht und einordnen kann und wir
helfen ihm dabei. Und was das Lachen betrifft, ich hatte mal eine Trauergruppe
mit der ich so viel geweint und gelacht habe, dass ich es heute noch spüren
kann. Genau in dieser Zeit meldete sich der Journalist Arnd Zickgraf von der
Zeit und wollte ein Statement von mir über Trauer. Nach unserem Gespräch hat er
seinen geplanten Artikel verworfen und einen neuen geschrieben: „Wer trauert,darf auch lachen“ . Ich habe mal ganz provokant gesagt, dass das Umfeld
Trauernde weder weinen, noch lachen sehen möchte. Weinst du, ist es belastend,
lachst du, ist es irritierend. In einer Trauergruppe ist beides möglich. Es
wird verstanden, richtig eingeordnet und nicht bewertet. Keiner denkt dort,
wenn jemand lacht, dass er nicht genügend trauert. Das ist so entlastend und
wir alle wissen eigentlich, dass in Extremsituationen Weinen und Lachen sehr
nahe beieinander liegen können. Ich kann es gar nicht oft genug betonen: Der
Verlust eines geliebten Menschen ist eine Extremsituation! Schwierig macht es
doch erst die Tatsache, dass Sterben zum Leben dazu gehört und von daher als
normal empfunden wird. Bis es einen dann selbst trifft und die Umstände, die
persönliche Struktur, die individuelle Situation und die spezielle Bindung an
den geliebten Menschen einem aufzeigen, dass normal auch höllisch und lange weh
tun kann. Hier hilft eine Trauerbegleitung, um sich selbst besser wahr zu
nehmen. Zu begreifen, dass dieser große Schmerz mehr mit großer Liebe als mit
großer Schwäche zu tun hat und wie man sie – die große Liebe – bewahren und
trotzdem gut weiter leben kann – irgendwann. Lieber Thomas, ich freue mich sehr
darüber, in dir jemanden gefunden zu haben, mit dem ich mich über diese
wichtigen Themen unserer Arbeit auf diese Weise austauschen kann. Danke und
liebe Grüße, Eva
Liebe Eva, ja, ich erlebe das auch als sehr wertvoll und es fließt mir fast wie von selbst
aus den Händen. Ich glaube aber auch, dass sich Menschen in einer
Trauersituation alleine schon aus diesen Dialogen etwas herauspicken können,
was ihnen gut tut. Aber nochmal zurück zur Ausgangsfrage: Ob eine
Trauerbegleitung irgendein Ziel braucht. Ich glaube: Das braucht sie nicht. Es
ist ja kein Coaching, in dem sich immer alles darum dreht, welches Ziel auf
welche Weise erreicht werden kann… Natürlich kann man auch mal auf Ressourcen
gucken. Aber erstmal geht es ums Verstandenwerden. Das ist es, was ich im
Gespräch mit Trauernden gerne sage, nein, es gibt jetzt erstmal keine Ziele für
Sie. Es gibt nur ein Hindurchgehen. Was mir die Trauerbloggerin Anja von „Ein
Stück untröstlich“ einmal darauf geantwortet hat, fand ich auch wertvoll – sie
beschrieb mir, dass sie an einem Tag auf einmal wahrgenommen habe, dass sie
atmet. Nicht mehr, nicht weniger. Aber so als Aha-Effekt: Ach, guck mal, ich
atme ja. Hatte ich ganz vergessen, dass ich das tue. Dass ich das kann. So ein
Wahrnehmen, als eine wichtige, sagen wir mal, Zwischenetappe auf dem Weg… das
reicht oft manchmal. Solche Impulse sind es übrigens auch, die ich an unserer
Arbeit so schätze – dass du auf diese vielen vermeintlichen
Selbstverständlichkeiten gestoßen wirst, die in Wahrheit alles andere als
selbstverständlich sind. Das weckt so etwas wie Demut in einem. Und Demut ist
etwas Wichtiges, finde ich. In diesem Sinne sende ich Dir herzliche Grüße, Thomas
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„Zwei Trauerbegleiter unterhalten sich“: Hier tauschen
sich die beiden Trauerbegleiter Thomas und Eva über die Themen ihrer Arbeit
aus. Das soll zu einem besseren Verständnis beitragen, warum Trauerbegleitung
wichtig ist und euch helfen, besser zu verstehen, was ihr gerade durch macht, wenn
ihr einen geliebten Menschen verloren habt. Auch für Angehörige von Trauernden
kann dieser Dialog hilfreich sein. Denn es ist manchmal nicht so leicht
nachzuvollziehen, was in jemandem vor sich geht, wenn er trauert. So kommt es
schnell zu Missverständnissen und gut gemeinten Ratschlägen, die oft das
Gegenteil vom Beabsichtigten auslösen. Sehr, sehr gerne können Trauernde,
Angehörige, Trauerbegleiter und alle, die mit dem Thema zu tun haben, mit
ihren Kommentaren dazu beitragen, dass dieser Dialog lebendig und hilfreich
sein kann! Mehr Infos über Eva und ihre Arbeit gibt es hier....
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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Er hält auch Vorträge zum Thema Trauer und Umgang mit Trauernden. Mehr Infos gibt es hier.
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Männertrauergruppe in der Region Osnabrück: Offene Gruppe, Einstieg jederzeit möglich - alle Infos über die Gruppe gibt es hier
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