Dienstag, 9. Januar 2018

Diesmal ein Beitrag, der sich vorwiegend an Nicht-Trauernde richtet - Tipps für alle Eltern: Warum es so wichtig sein kann, eine Sorgerechtsverfügung aufzusetzen - rechtzeitig alles regeln, solange es geht!

Osnabrück (eb) - Wer sich, so wie ich, mehrmals pro Woche mit allerlei Fragen rund um Tod, Trauer und Sterben beschäftigt, kommt zwangsläufig mit ganz vielen Themen des Lebens in Kontakt. Darunter sind viele Bereiche, die mit dem hier zugrundeliegenden Thema Trauer nur am Rande oder in der Schnittmenge etwas zu tun haben, die ich aber trotzdem gerne auf diesem Blog teilen möchte. Einfach, weil ich überzeugt davon bin, dass es so wichtig ist, sich damit auseinanderzusetzen - schon zu Lebzeiten, vor allem! Denn was sich noch im Leben, also im Vorfeld, alles regeln lässt, ist eine Menge - und meine ganz persönliche Erfahrung zeigt: Im Fall der Fälle ist nichts wertvoller und beruhigender als das. Also zu wissen, dass etwas geregelt ist. Und so richtet sich dieser Blogbeitrag nicht an aktuell Trauernde, sondern an Eltern, deren Kinder gesund und munter sind und leben. Was sie hoffentlich noch lange tun. Wobei es eben immer sein kann, dass jemand stirbt - oder dass Mama und Papa eben gleich beide auf einmal sterben, z.B. durch einen Unfall...  Und was dann? Das lässt sich zum Glück schon im Vorfeld regeln...

Höchst unwahrscheinlich, oder? So etwas wird ja nicht passieren… niemals? Nein? Folgende Geschichte habe ich neulich noch - über einige Ecken - gehört: Da hatten die beiden Eltern die Kinder für einen Nachmittag bei den Großeltern zur Betreuung abgegeben, damit sie sich um etwas Wichtiges kümmern konnten. Der Weg dorthin führt nur ein kurzes Stück über die Autobahn, es ist nicht weit, es sind nur zwei Abfahrten, das ist schnell gemacht. Aber weil die Stadtautobahn an dieser Stelle - zwischen zwei Autobahnkreuzen - stets gut befahren ist, gibt es oft Stau. So auch diesmal. Nur dass der Lastwagen hinter den beiden Eltern, wie es hier leider so oft geschieht, das Stauende nicht rechtzeitig gesehen hatte und mit vollem Karacho in das Auto der beiden hineinbretterte. Es quasi auf die Hälfte der ursprünglichen Größe zusammenschob. Beide Eltern starben. Die Mutter sofort, der Vater nur kurze Zeit später im Krankenwagen. Weil die Großeltern schon älter waren, die Geschwister weit weg wohnten und sich mit den Eltern nicht gut verstanden, stand die Frage im Raum: Und was wird jetzt aus den Kindern?

Ein Alptraum, über den man nicht nachdenken mag. Aber sollte. Was ist, wenn das Bett von Mama und Papa ab sofort immer leer bleiben wird? Was wird aus den Kindern?    (Thomas-Achenbach-Foto)

Eine Horrorgeschichte, okay. Viele meiner Freunde reagieren dann so: Alles kein Problem, wenn es uns einmal geschehen sollte, was wir kaum glauben, dann ist doch alles ganz klar, wie es zu laufen hat. Dann übernehmen Großeltern, Taufpaten, Freunde. Ist doch klar? Dem ist leider nicht so. Focus.de hat die folgenden Fakten zusammengetragen: Rund 1000 Kinder werden in Deutschland jährlich zu Vollwaisen, belegen laut der Recherche aktuelle Statistiken. Wer jetzt glaubt, in einem solchen Fall geht das Sorgerecht ganz automatisch an die nächsten Verwandten wie Großeltern oder eventuell vorhandene Geschwister der Eltern - oder gar an Taufpaten -, der täuscht sich allerdings. Denn es entscheiden im Todesfall der Eltern immer das Jugendamt und das Familiengericht zusammen, wer das Sorgerecht bekommt - oder ob das Kind beispielsweise in eine Pflegefamilie kommen soll oder gar ins Heim gehen wird, während das Sorgerecht an einen Vormundverein geht. Das kann beispielsweise passieren, wenn es keine Geschwister gibt und die Großeltern schon älter sind. Gibt es keine Sorgerechtsverfügung, entscheidet das Gericht zwar immer nach Wohl des Kindes, aber eben so, wie es glaubt, dass es für das Kindswohl richtig sein wird - ohne Kenntnis der Familie und der jeweiligen Situation. Taufpaten kommen übrigens sowieso nicht in Frage, denn die haben vor weltlichen Gerichten keine Leigitimation. Das lässt sich alles umgehen und vorher regeln- durch eine Sorgerechtsverfügung. Aber wie muss die aussehen? Was muss alles rein? Wie wird sie am besten formuliert? Ich habe mich auf die Suche nach Informationen gemacht.  


Vorsicht vor auszufüllenden Vordrucken - ungültig!


Es gibt zu diesem Thema zahlreiche Einträge im Internet - wie beispielsweise bei Focus, aber auch bei Eltern.de oder in Artikeln von Notaren. Hier - und bei unserem Nachlassgericht - habe ich mir die wichtigsten Infos zusammengesucht. Es gibt auch allerlei Vordrucke für Verfügungen, die sich nur noch ausfüllen lassen. Davon bitte unbedingt die Finger lassen, denn wie sich hier später noch zeigen wird, sind ausgefüllte Vordrucke nicht ausreichend und werden vom Gericht nicht anerkannt. Okay. Fangen wir an:

1.)    Also, nochmal das Wichtigste: Gibt es keine Sorgerechtsverfügung, entscheiden das Familiengericht und Jugendamt gemeinsam, wer der neue Vormund für das Kind wird. Sie entscheiden ohne fundierte Kenntnis der echten Verhältnisse, aber so, wie es nach Meinung des Gerichts gut für das Kindswohl ist. Also: Besser dem Gericht - das immer das letzte Wort haben wird - mit einer Sorgerechtsverfügung den Elternwillen klar und eindeutig darstellen. Das hilft beiden Seiten. 

2.)    Wird ein neuer Vormund durch das Gericht bestimmt – das können beispielsweise Familienmitglieder sein, Vormundvereine oder Pflegefamilien -, kann dieser selbst immer noch bestimmen, dass das Kind andernorts aufgenommen wird, sofern es keine Verfügung gibt und sofern aus der Sorgererchtsverfügung nicht eindeutig hervorgeht, dass der neue Vormund mit dieser Aufgabe auch einverstanden ist. Allerdings müsste dann bei jedem antstehenden Verkauf (bspw. das Haus der verstorbenen Eltern oder andere Erbstücke von Wert) das Vormundschaftsgericht jeweils eine Genehmigung erteilen. Auch das lässt sich vorab anders regeln.

3.)    Gibt es KEINE Sorgerechtsverfügung, haben Verwandte und Bekannte gegen die Entscheidung des Gerichtes keinerlei Rechtsmittel. Alleine der neue Vormund hat ein Mitspracherecht, siehe oben. Alle anderen aber haben keines. 

4.)    GIBT es eine Vorsorgeverfügung – oder eine entsprechende Passage im Testament -, prüft das Gericht nur noch die Tauglichkeit: Ein 17-jähriger Bruder würde dann als Sorgeberechtigter im Zweifelsfalle vom Gericht ebenso abgelehnt wie sehr altersschwache Großeltern. Ansonsten wird der elterlich verfügte Wille vom Gericht aber bevorzugt anerkannt. Wichtig ist natürlich, dass die Eltern bzw. der alleinerziehende Elternteil mit den jeweiligen Kandidaten für das Sorgerecht im Vorfeld gesprochen hat und sich diese damit einverstanden erklärt haben, für das Kind zu sorgen.

5.)    Wer soll/kann/müsste der neue Vormund werden? Hier gibt es vieles mitzubedenken: Passen Lebensstil, religiöse Zugehörigkeit und die finanzielle Gesamtsituation zu den Einstellungen, die die Eltern hier favorisieren? Passt das Vertrauensverhältnis zwischen Vormund und Kind? Kennen sich die beiden überhaupt schon gut genug?

6.)    Sinnvoll ist  es zudem, in einer Verfügung auch gleich einen Ersatzvormund zu benennen. Falls irgendwas dazwischen kommt. Außerdem können Personen auch von vorneherein als potentieller Vormund ausgeschlossen werden, selbst wenn sie von den Familienverhältnissen her in Frage kämen, beispielsweise bei verrütteten Verhältnissen. Das Gericht würde diese nicht kennen. Wer älter als 60 Jahre ist, darf außerdem von der Vormundschaft zurücktreten, wenn er sich zu alt dafür fühlt – und dies als Grund angibt.

7.)    Zu berücksichtigen ist auch, dass die Vermögenssorge (wer kümmert sich um das Erbe für das Kind – beispielsweise das Geld aus einer Risikolebensversicherung, etc.?) und die Personensorge (wer kümmert sich um das Kind daselbst?) voneinander getrennt werden können. Es dürfen jedoch laut Gesetz nicht mehr als zwei Vormünder bestellt werden. 

8.)    Folgende Formalien müssen erfüllt sein: -> Die Verfügung muss, wie auch ein Testament, handschriftlich aufgesetzt sein. –> Bei zwei Elternteilen genügt es, die Verfügung einmal handgeschrieben abzufassen und vom zweiten Elternteil per Unterschrift bestätigt zu haben. –> Datum und Ort müssen immer mit angegeben sein. –> Die Seiten am besten mit Seitenzahlen versehen. > Die benannten Vormund-Kandidaten sollten regelmäßig befragt werden. – Auszufüllende Formblätter, z. B. aus dem Internet, sind nicht rechtswirksam, weil nicht komplett handgeschrieben (§ 2247 BGB, „Eigenhändiges Testament“). Wenigstens genauso wichtig ist noch die folgende Sache:

Wenn Kinder zu Vollwaisen werden, muss der Weg, der vor ihnen liegt, nicht steinig sein. Vieles lässt sich im Vorfeld verfügen. Wenn man es denn richtig macht....   (Thomas-Achenbach-Foto)

9.)    Wo deponieren? Wichtig ist, dass die Verfügung im Ernstfall auch gefunden wird – beim Notar, beim Anwalt oder zu Hause, also bei den genannten Sorgerechts-Kandidaten, lässt sich eine Verfügung gut hinterlegen. Gegen eine Gebühr übernehmen wohl auch Nachlassgerichte das Verwahren der Sorgerechtsverfügung, in Osnabrück beispielsweise kostet das 75 Euro - nach Auskunft des Gerichts.

10.) Taufpaten sind eben Taufpaten – da geht es um Religion und die religiöse Weitererziehung des Kindes. Eine weltliche und gesetzliche Vormundschaft ist darin jedoch nicht beinhaltet, eine Anerkennung durch ein Gericht als Vormund wird Taufpaten also verwehrt bleiben. Es sei denn, sie werden in einer Sorgerechtsverfügung entsprechend als Vormund benannt.

11.)  Noch etwas mitbedenken: Es kann der Fall eintreten, dass Eltern nicht sterben, aber durch einen Unfall oder eine Krankheit plötzlich so eingeschränkt sind, dass sie das Sorgerecht nicht mehr ausüben können. Auch in einem solchen Fall übernimmt ein Vormund das Sorgerecht für das Kind. Diesen Fall kann man jedoch nicht durch eine Sorgerechtsverfügung abdecken, weil diese nur für den Todesfall gilt. Hierfür bräuchte es eine so genannte Sorgerechtsvollmacht. Eine solche Vollmacht muss immer widerruflich sein.

12.)  Spezialfall alleinerziehende Eltern: Bei Alleinerziehenden ist die Frage immer, wer das Sorgerecht hat – nur eines der beiden Elternteile, nämlich das das Kind gerade erziehende? Gibt es dann keine Sorgerechtsverfügung, überträgt das Gericht die Sorge immer dem anderen Elternteil.

13.) Und wie wird eine solche Verfügung am besten formuliert? Ich habe mal aus den gefundenen Formulierungsvorschlägen eine, wie ich finde, optimal zusammengemischte Version herausdestilliert - jedoch ohne jeden Anspruch auf juristische Vollständigkeit oder auf den Ersatz einer eigenen Recherche und einer Rechtsberatung, das muss hier betont sein. Dennoch. Es könnte sich dann so lesen....:

Wir, das Ehepaar Sieglinde Musterfamilie, geborene Mustermann, geboren am 22.11.1983 in Georgsmarienhütte, und Hermann Musterfamilie, geboren am 11.12.1977 in Bonn, wohnhaft in der Meller Straße 100 in 49124 Georgsmarienhütte, verfügen für den Fall, dass wir die elterliche Sorge für unser Kind Mäuschen Musterfamilie, geboren am 13.11.2007, wohnhaft in der Meller Straße 100 in 49124 Georgsmarienhütte, vorübergehend oder auf Dauer nicht mehr aus- üben können, dass Frau Tussnelda Mustermix, geborene Schultze, geboren am 07.05.1967 in Leipzig, wohnhaft in der Musterhausstaße 3 in 49078 Osnabrück, Telefon XXXX/XXXXX, das Sorgerecht übernehmen soll und zum Vormund bestellt wird. 

Frau Tussnelda Mustermix soll sowohl die Personensorge als auch die Vermögenssorge ausüben. Sollte Tussnelda Mustermix die Übernahme des Sorgerechts für Mäuschen Musterfamilie nicht möglich sein, soll Herr Walter Mustermuster, geboren am 27.04.1963 in Osnabrück, wohnhaft im Blumenring 33 in 49191 Belm, Telefon XXXX XXXx, das Sorgerecht übernehmen und zum Vormund bestellt werden. Herr Paul Meier soll sowohl die Personensorge als auch die Vermögenssorge ausüben.
Ort / Datum
Unterschrift Sieglinde Musterfamilie
Unterschrift Hermann Musterfamilie


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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor der Bücher "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag und "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise", 220 Seiten, Campus-Verlag. Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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1 Kommentar:

  1. Ein sehr guter Beitrag zu einem nicht unwichtigen Thema! Mein Ehemann und ich haben jetzt inzwischen auch eine Risikolebensversicherung abgeschlossen, da wir immer an die Kinder denken müssen. Gott bewahre, aber man weiß ja nie. Ich werde ihm auch deinen Blogbeitrag zeigen, da sind einige Sachen geschrieben, die wir noch nicht bedacht haben.
    Übrigens, allen die eine solche Versicherung abschließen wollen würde ich diese Seite empfehlen, da kann man verschiedene Angebote vergleichen und für sich das beste heraussuchen. Ist ja im Endeffekt von Situation zu Situation immer ein wenig anders. Ist gut wenn man sich einen Überblick verschafft, bevor man sich an etwas bindet.

    Liebe Grüße,
    Anne

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