Mittwoch, 27. September 2017

Vorgestellt: Drei neue Bücher rund um Trauer und Verlust und persönliche Krisen - Wenn die Eltern sterben, wenn Kollegen trauern, wenn Du Dir mit Schreiben hilfst

Drei Bücher, drei mal vorgestellt... (Thomas-Achenbach-Fotos)

Osnabrück - Drei neue Bücher rund um das Thema Trauer liegen vor mir auf meinem Schreibtisch, die ich hier und heute gerne vorstellen möchte...  

1.) "Trauern, wenn Mutter oder Vater stirbt" / Eva Terhorst

Kurzbeschreibung des Buches: Das neue Buch von Eva Terhorst, mit der ich hier auf diesem Blog auch unsere Dialoge zum Thema Trauer und Verlust gestalten darf, wofür ich sehr dankbar bin. Eva hat sich inzwischen in der Welt der Trauerbuchautoren einen guten Namen machen können und bringt mittlerweile ihr viertes Buch auf den Markt. Bekannt geworden war sie anfangs mit "Das erste Trauerjahr". Trotz der wechselnden Hintergrundfarben lässt sich schon an den Trademarks der Covergestaltung erkennen: Ah, das ist das neue Buch von Eva Terhorst. Geschickt gemacht. Veröffentlicht im Herder Verlag, Taschenbuch, 156 Seiten, 18 Euro.

Wie ich auf das Buch aufmerksam geworden bin: Der Verlag hatte es mir auf Evas Bitte hin zugeschickt. Das war eine schöne Überraschung für mich: Das Buch war irgendwann einfach in der Post, unangekündigt, prima.

Wie ich dieses Buch gelesen habe: Einmal unter dem Gesichtspunkt, ob es für Trauernde oder für Menschen nach einem Verlust hilfreich sein kann, zum zweiten aber auch mit der Neugier, wie das neue Buch geworden ist, weil ich Eva ja nun kenne und wir auch zusammen etwas schreiben.

Was mir an dem Buch gefällt: Das Thema. Ich kenne Menschen, die der Tod ihrer Eltern wirklich hart getroffen hat. Daher glaube ich, dass es durchaus Bedarf für ein solches Buch gibt. Zumal Eva in keinster Weise der Versuchung erliegt, die naturgemäß auch nicht immer einfache Eltern-Kind-Beziehung (die ja auch im Erwachsenenalter eine solche bleibt) irgendwie schönzufärben: Dass es da auch mal schwierig wird, dass es Verletzungen gibt, dass Eltern manchmal auch Dinge tun, die man ihnen vergeben muss und wie schwer das manchmal ist... das und mehr wird nicht ausgespart. Das macht das Buch so gut, weil so realitätsbezogen. Oder die in vielen Trauernde bohrende Frage, welcher immense Schatz an Wissen mit den Eltern ins Grab gegangen ist, Wissen, das jetzt nicht mehr zur Verfügung steht, über Verwandte, Familiengeschichten, aber auch eigene Erfahrungen... das ist tatsächlich ein immer wieder angesprochenes Thema nach dem Tod der Eltern, was für ein enormer Verlust das sein kann. Hierzu findet Eva angenehm klare und gute Worte. Sehr gelungen.

Wo ich beim Lesen noch Fragezeichen hatte: Eva macht einen längeren Exkurs zum Thema Weinen und Tränen. Das ist richtig und wichtig, allerdings müsste das Bestandteil eines jeden Trauerbuchs sein - in einem Buch über den Verlust der Eltern hätte ich persönlich das noch am allerwenigsten erwartet. An einer Stelle zitiert Eva zudem Katie Byrons Methode "The Work"... Da muss ich ehrlicherweise gestehen, dass ich dieser Methode eher mit Skepsis gegenüberstehe. Hat bei mir noch nie funktioniert, wenn ich ehrlich sein soll. Aber das bin nur ich. 




2.) "Die Seelenfeder"/Beatrix Schulte

Kurzbeschreibung des Buches: Im Grunde ein einziges, großes und mit viel Leidenschaft entwickeltes Plädoyer für die Kraft und Magie des Schreibens, verbunden mit zahlreichen Ideen und Anregungen, wie man es für sich selbst entdecken oder mal ausprobieren könnte. Veröffentlicht in der Edition Achtsamkeit des Helmut Lingen Verlags, Taschenbuch, 143 Seiten, 9,95 Euro.

Wie ich auf das Buch aufmerksam geworden bin: Eine das Buch vermarktende Promotionfirma war auf meinen Blog aufmerksam geworden und hatte mich angeschrieben, ob es mich nicht interessieren würde. Ich habe geantwortet, dass ich es mir gerne mal ansehe. Ganz abgesehen davon war das in diesem Blog auch schon Thema: die Frage, wie das Schreiben einem in einer Trauersituation helfen kann.

Wie ich dieses Buch gelesen habe: Rein aus der Perspektive eines Trauerbegleiters - aber weil dieses Thema in dem Buch nur einen Randaspekt darstellt, bin ich damit nicht die eigentliche Zielgruppe des Buches. Das sind alle Menschen jedweder Art, die am Schreiben interessiert sind.  

Was mir an dem Buch gefällt: Die spürbare Leidenschaft, mit der sich die Autorin Beatrix Schulte - gleichzeitig Bloggerin - dafür stark macht, dass man es mit dem Schreiben ruhig einmal versuchen sollte (dem kann ich mich nur aus vollen Herzen anschließen). Und die Liste mit den vielen Anregungen, die sie am Ende des Buches zusammengetragen hat, ist einerseits überraschend vielfältig, andererseits angenehm pointiert zusammengefasst. Das ist tatsächlich sehr gelungen. Dass sie einen wertvollen Schatz an allerlei Zitaten über das Schreiben geschickt mit einbaut in ihre Texte, macht das Buch zusätzlich angenehm.


Wo ich beim Lesen noch Fragezeichen hatte: Für Trauernde bzw. für Menschen in einer Verlustkrise ist das Buch eher ungeeignet. Aus zwei Gründen. Zum einen, weil sich Beatrix Schulte entschieden hat, ihre Reise in die Welt des Schreibens auch als eine persönliche Reise durch Spanien und verschiedene Cafés zu gestalten. So ist das Buch gleichzeitig auch ein mit vielen Details ausgeschmückter Reisebericht aus der Welt des Schönen und Erträglichen - und damit für Menschen in einer Krisensituation eher schwierig zu ertragen. Zum zweiten, weil die Traueraspekte zwar an zwei Stellen im Buch vorkommen, aber nur als Randaspekte. Was Beatrix Schulte hier als Trauertagebuch zum Selberschreiben vorschlägt, ist mehr eine Suche nach biographischen Erinnerungen, also mehr eine Art Familientagebuch. Wertvoll ist das auch, aber es gäbe noch mehr Methoden, mit denen Trauernde arbeiten könnten. Dass sich Beatrix Schulte dafür stark macht, möglichst mit der Hand auf Papier zu schreiben, mag bei ihr gut funktionieren - für mich selbst wäre das indes eine Katastrophe. Meine Handschrift kann selbst ich schon nach kurzer Zeit kaum noch entziffern und als Linkshänder verschmiere ich alles, was irgendwie aus Tinte besteht...  (Anmerkung, 1. 10. 2017: In einer ersten Version dieses Beitrags hatte ich die Reise der Autorin irrtümlich nach Frankreich verlegt - ich danke für den korrigerenden Hinweis).



3.) "Wenn Kollegen trauern"/Franziska Offermann

Kurzbeschreibung des Buches: Mehr eine allgemeine, dabei aber viele wertvolle Details auslotende Reise in die Trauer, liefert dieses Buch einen guten Überblick darüber, was Trauer alles sein kann, was sie mit einem machen kann, welche Gefühle sie auslösen kann und was Menschen in einer Trauersituation helfen könnte. Obwohl das Buch "Wenn Kollegen trauern" heißt und diese Aspekte durchaus nicht unerwähnt bleiben, ist es im Grunde mehr ein ganz allgemeines Buch über den Umgang mit Trauer und Trauernden. Kösel Verlag, fester Einband, 224 Seiten, 19,99 Euro. 

Wie ich auf das Buch aufmerksam geworden bin: Weil ich in diesem Blog schon viele Beiträge für mein Jahresthema "Trauer in der Arbeitswelt/Trauer im Beruf" geschrieben habe und weil das Thema "Was können Kollegen tun?" noch in der Recherche und in der Pipeline steckt, war ich zufällig durch die Suchmaschinen auf das Buch gestoßen und hatte den Kösel Verlag gefragt, ob er mir ein Exemplar zuschicken könnte.

Wie ich dieses Buch gelesen habe: Genau unter diesem Aspekt: Was können Kollegen tun, wenn jemand in einer Trauerkrise steckt und vielleicht wieder in den Arbeitsprozess einsteigt.

Was mir an dem Buch gefällt: Dass es tatsächlich erstmal den großen Bogen aufmacht und die oben gestellte Frage ganz außer acht lässt, sondern zunächst einmal ganz allgemein die Trauer beschreibt. Das ist im ersten Augenblick irritierend, weil ich etwas anderes gesucht hatte, aber wenn man davon ausgeht, dass die Leser des Buches ja auch alle "Neulinge" in diesem Segment sind, ist es genau der richtige Ansatzpunkt. Dass die Autorin im weiteren Verlauf verschiedene Beispielgeschichten von Menschen in verschiedenen Krisensituationen wie einen roten Faden durch das Buch laufen lässt und dabei auch die Knackpunkte aufzeigt, die im Berufsleben auftreten können (u.a. auch Missgunst, Mobbing und Missachtung, das gehört ja leider auch dazu und es ist gut, dass das Buch es nicht ausspart), macht es lesenswert.


Wo ich beim Lesen noch Fragezeichen hatte: Der Titel des Buches ist meiner Meinung nach irreführend. Denn so wie ich gedacht hatte "Ah ja, das Buch richtet sich ausschließlich an Kollegen im Berufskontext und an Führungskräfte"; so wird es ja vielen Lesern gehen. Aber das Buch geht weiter und ist letztlich auch im Familienkontext genauso brauchbar bwz. es gibt auch ganzen Unternehmen Tipps, wie sich eine gute Trauerkultur inklusive Resilienzgedanken aufbauen lässt - letztlich also ein Buch über jeglichen Aspekt von Trauer im Arbeitskontext, nicht alleine unter Kollegen


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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Er hält auch Vorträge zum Thema Trauer und Umgang mit Trauernden. Mehr Infos gibt es hier

Ebenfalls auf diesem Blog: Tango auf der Trauerfeier, die Trauerrede als Audiodatei - was heute bei modernen Trauerfeiern alles möglich sein sollte

Ebenfalls auf diesem Blog: Was soll nach einem Todesfall gefeiert werden? "Nur" der Todestag - oder auch noch der Geburtstag des gestorbenen Menschen?


Und im Kultur-Blog des Autors: Warum die "Live-im-Kino"-Ereignisse ein großer Wachstumsmarkt, was die Branche noch Spannendes plant und warum sie medial gesehen zwischen allen Stühlen sitzt - ein Interview rund um Rock'n'Roll & Oper im Kino

Mittwoch, 20. September 2017

Warum Facebook in Sachen "Trauer bei Mitarbeitern" ein weltweit führendes Unternehmen ist - 20 Tage bezahlte Auszeit und viel Flexibilität für Angestellte, da können andere von lernen (Jahresthema Trauer im Job/Trauer in der Arbeitswelt/Trauer am Arbeitsplatz, Teil 4)

Osnabrück - Facebook macht es vor: Was das Thema Trauer im Arbeitsleben angeht, ist das blaue Netzwerk das vermutlich weltweit führende Unternehmen. Bis zu 20 Tage bezahlter (!) Abwesenheit können sich die Angestellten dort nehmen, wenn sie einen Todesfall bei ihren Angehörigen zu erleiden haben. Damit dürfte Facebook weltweit einmalig dastehen. Natürlich spielen die sehr persönlichen Erfahrungen, die die dortige Geschäftsführerin Sheryl Sandberg mit dem Tod ihres Mannes gemacht hat und die sie in sehr persönlichen Beiträgen und einem Buch verarbeitet hat, dabei eine wichtige Rolle. Natürlich geht es dabei auch um Mitarbeiterbindung. Und natürlich bleibt der große blaue Datensauger ein kritisch zu beobachtendes Portal in Sachen "Big-Brother"-Totalüberwachung und bekloppter Fake-News-Streuung - und dennoch: menschlich gesehen ist das tatsächlich eine bahnbrechende Entwicklung. Ein gutes Beispiel. Wie überhaupt Sandbergs Trauerprozess sehr inspirierend sein kann.

Facebook geht mit einem solchen Schritt noch sehr viel weiter, als es das überhaupt müsste und dazu noch sehr viel weiter, als es sonst ein amerikanisches Unternehmen tut... Auch wenn Sandberg in ihrer Ankündigung im Februar 2017 alle anderen Firmen aufgerufen hat, dem Beispiel Facebook zu folgen, wie die Websites Business Insider und finanzen.net berichteten, wäre mir bislang keine Firma bekannt, dies das getan hätte. Nur mal so zum Vergleich: In Deutschland bekommst Du in der Regel einen bis zwei Tage frei, wenn ein direkter Angehöriger von Dir gestorben ist. Das ist es dann aber auch (noch schlimmer: Solltest Du eine Mutter von einem Sternenkind sein, also eine stille Geburt eines toten Kindes erleiden müssen, erlischt Dein Mutterschutz - Du musst dann zurück zur Arbeit...). Das alles wird keinesfalls dem gerecht, was im Innern von Menschen vorgehen kann, wenn sie in eine Trauer-/Verlustkrise geraten. Da können 20 bezahlte Tage wirklich Gold wert sein. Sandberg weiß das selbst am besten.


Nur kurz ins Fitnessstudio - von dort nie mehr zurück


Sie war mit ihrem Mann Dave Goldberg in den Urlaub gefahren (offenbar ohne die beiden Kinder). Ein Kurzurlaub in Mexiko. Doch mittendrin überholte das Paar die Vergänglichkeit - wie so oft im Leben völlig überraschend. Goldberg, 47 Jahre alt, wollte ein wenig trainieren und ging in das zum Hotel gehörene Fitnessstudio. Von dort kam er nicht mehr lebend zurück. Der Grund: Eine Herzschwäche, bisher unentdeckt. Ihren jüdischen Traditionen folgend, ging Sandberg in den Trauermonat Sheloshim oder auch Schloshim - nach der "Schiwa", der ersten Woche, in der alles stillsteht (die Regeln lauten: nicht arbeiten, nicht backen, sich nicht rasieren, nichts Körperliches tun), folgen in dieser Tradition 30 Tage innerer Trauer. Klar, dass 30 Tage eigentlich nicht lang genug sind, dennoch verlangt die jüdische Tradition, dass danach das Leben wieder normal weitergehen soll. Es gilt das Gesetz des Lebens, das sich über den Tod stellt. In selbst für eine Facebook-Managerin ungewohnter Offenheit wandte sich Sheryl Sandberg in einem bewegenden Beitrag an die Weltöffentlichkeit... Mit überwältigenden Reaktionen...


Das muss man Facebook lassen: Das Unternehmen tut eine Menge dafür, dass die Mitarbeiter ihre Batterien wieder aufladen können. Vielleicht ist es damit sogar weltweit einzigartig.    (Pixabay.de-Foto/Creative Commons 0 Lizenz)

Über 74000 Kommentare - ein Eintrag bewegt die Welt


Beinahe 75000 Mal ist dieser Eintrag inzwischen kommentiert worden, das öffentliche Echo war gewaltig. Inzwischen hat Sandberg das Buch "Option B" veröffentlicht, in dem sie schreibt, wenn die Option A, das gemeinsame Leben, nicht mehr möglich ist, hilft nur eines: "Kick the shit out ouf Option B" (sehr frei übersetzt: "Mach das Meistmögliche aus der Option B"; wörtlich übersetzt: "Hol' Dir so scheißviel wie nur möglich aus der Option B". Parallel startete Sandberg eine unvergleichliche Familienoffensive für die Facebook-Angestellten- mit einer ganzen Reihe von vorbildlichen Neuerungen, nicht alleine im Bereich Trauer. Zum Beispiel:


Bezahlte Betreuungstage, bezahlter Trauerurlaub - und mehr


Wer sich um kranke Familienmitglieder kümmern muss, kann sich für sechs Wochen von der Arbeit freistellen lassen. Bezahlt, wohlgemerkt. Drei zusätzliche freie Tage gibt es für Angestellte, die kurzfristig in die Betreuung kranker Familienmitglieder einspringen müssen, also zum Beispiel Kinder mit einer Erkältung (ja, das ist immer ein großes Orga-Thema, als junger Vater und ein Teil von zwei berufstätigen Eltern kenne ich das nur zu gut). Und der tatsächlich so genannte "Trauerurlaub" wurde von bereits 10 auf 20 Tage verdoppelt. Sheryl Sandberg betonte auf einer Konferenz, dass sei für sie „eine persönliche Sache“. Mark Zuckerberg und Facebook hätten ihr bei ihrem eigenen Trauerfall so eine lange Auszeit und soviel Flexibilität ermöglicht, dass sie etwas zurückgeben wollte. „Die Menschen sollten in der Lage sein zu arbeiten und gleichzeitig für ihre Familien da zu sein“, wird Sandberg im Business Insider zitiert. Tja. Und nun muss man sagen: Ja, Facebook ist ein fetter blauer Datensauger, eine Fake-News-Schleuder, eine moralisch fragwürde, weil Werbung um jeden Preis verhökernde Firma, die nicht davor zurückschreckt, das Suchwort "Judenhass" für verkaufte Werbung zu benutzen... Was alles nicht sonderlich vertrauenserweckend ist. Und dennoch. In Sachen Trauer und Mitarbeiterbindung muss man anerkennend sagen: Leute, schaut auf dieses Unternehmen!

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Das Buch zum Thema: "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise" von Thomas Achenbach aus dem Campus-Verlag enthält viele Tipps und Anregungen rund um die Themen Trauer am Arbeitsplatz, Mitarbeiter in Pflegeverantwortung und mehr.

Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an. Thomas Achenbach ist der Autor der Bücher "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag und "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise", 220 Seiten, Campus-Verlag. Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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Ebenfalls auf diesem Blog: Tipps zum Umgang mit Trauernden und mit Trauer - was Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise hilft und was man Trauernden sagen kann 

Ebenfalls auf diesem Blog: Warum das Sterben in Deutschland seit Januar 2020 nochmal deutlich teurer geworden ist - Die so genannte Leichenschau steht in der Kritik

Ebenfalls auf diesem Blog: Die Kunden müssen die Bestatterbranche bewegen - was alles möglich sein kann, wenn Menschen in einer Verlustsituation das wollen

Ebenfalls auf diesem Blog: Was soll nach einem Todesfall gefeiert werden? "Nur" der Todestag - oder auch noch der Geburtstag des gestorbenen Menschen?

Ebenfalls auf diesem Blog: Keine Sorge, alles normal - was Trauernde in einer Verlustkrise alles so tun und warum einem das nicht peinlich sein sollte

Ebenfalls auf diesem Blog: Tango auf der Trauerfeier, die Trauerrede als Audiodatei - was heute bei modernen Trauerfeiern alles möglich sein sollte

Ebenfalls auf diesem Blog: Der Fluch der Tapferkeit - warum es Menschen in der modernen Gesellschaft so schwer fällt Trauer als etwas Normales anzuerkennen

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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Freitag, 15. September 2017

Hilfe für die Kinder auch im Internet finden...- Wenn Mama oder Papa gestorben ist, stehen die verwitweten Elternteile vor schwierigen Fragen - was bei der Begleitung von Kindern im Trauerfall helfen kann

Bremen/Osnabrück Wie sollen wir mit Kindern über den Tod sprechen? Wie sollen wir sie begleiten? Vielleicht zudem noch in einer schwierigen Krisensituation, in der uns selbst nicht gut geht? In der wir vielleicht selbst am Boden liegen? Vor diesen Fragen stehen Eltern oft, wenn einer der Elternteile gestorben ist. „Sie können davon ausgehen, dass, wenn Kinder Fragen stellen, sie auch in der Lage sind, die Antworten auszuhalten.“ Diese wunderbaren Worte stammen von Beate Alefeld-Gerges, der Erfinderin des "Trauerland"-Konzeptes, das sie bereits 2015 auf der Messe „Leben und Tod“ in Bremen vorstellte (wo sie auch dieses Zitat brachte). Und es gibt noch mehr Ermutigendes und Beispielhaftes in Sachen Kindertrauer - für die Kinder.

Wie sollen wir Kindern den Tod erklären? Wie sollen wir Kindern dabei helfen, mit ihren Gefühlen umzugehen? Verwitwete Eltern, die einen Partner verloren, aber ein Kind zu betreuen haben, fühlen sich durch eine solche Aufgabe oft doppelt gefordert oder doppelt ohnmächtig - auf jeden Fall überfordert. Nicht überall gibt es vor Ort Angebote für Kinder wie beispielsweise das Trauerland in Belm oder in Bremen, über das ich schon einmal an anderer Stelle in diesem Blog berichtet hatte. Aber wie so oft bietet das Internet hier gute Dienste an. Mit einem hilfreichen Kinderangebot.


Gelb, bunt, übersichtlich, so präsentiert sich das Kindertrauerland im Internet - eine hilfreiche Internetseite, die Kindern in einer Trauersituation einen deutlichen Mehrwert bietet.    (Thomas-Achenbach-Foto)

Denn nicht an Erwachsene, sondern vor allem an Kinder richtet sich die Internetseite "Kindertrauerland". Auch für Kinder, die noch nicht so gut lesen können, ist die Seite gut geeignet, denn die charmante Comicfigur Gum bietet sich per Tonausgabe erstmal als sprechender Begleiter an, lässt sich aber auch ausschalten. Wer die Startseite aufmacht, kann sich erstmal aussuchen, ob er sich mit einer Jungenfigur oder einer Mädchenfigur auf die Reise in die Kindertrauerwelt machen möchte. Und mit welchem Gesicht die Figur unterwegs sein möchte, traurig, wütend, sorgenvoll oder heiter. "Und schon geht's los", sagt Gum. Und das tut es dann auch... 


Vor dem Betreten der Landschaft können sich die Kinder aussuchen, ob sie mit einer weiblichen oder männlichen Figur dorthin gehen möchten - und mit welcher Stimmungslage, wütend, traurig, fröhlich oder nachdenklich.   (Achenbach-Foto)

Nun öffnet sich eine Landschaft mit einem Haus, einem See, einem Ballon und im unteren Teil runden Menüpunkten. Die Figur kann jetzt durch die Pfeiltasten bewegt durch die Landschaft laufen und Dinge entdecken, beispielsweise das virtuelle Trauerhaus betreten, in dem hinter jeder Tür etwas Neues passiert - jedoch dient dieses Trauerhaus im Wesentlichen dazu, per Videoeinspielungen vorzustellen, was in einem "echten" Trauerland so geschehen kann. Wer keines in seiner Umgebung hat, dem nützt das also eher weniger. Jedoch gibt es noch mehr Angebote.


Hilft: Erinnerungsblätter basteln oder seine Sorgen mitteilen


Beispielsweise die Glibberdusche, ein spielerisch lockerleichtes Angebot, bei dem ein Wort gefunden werden muss, während sich der Glibber im Eimer hoch über einem langsam über einem zu entladen droht (das macht einfach Spaß und ist lustig, lenkt also auf nette Art ab). Es gibt aber auch Möglichkeiten, seine eigenen Erinnerungen festzuhalten, beispielsweise ein selbstgestaltetes Erinnerungsblatt an den Baum der Erinnerungen zu hängen, an dem schon andere solcher Blätter zu sehen sind. In einer Art Kummerkasten lässt sich eine E-Mail als Sorgenpost ans Trauerkinderlandteam schicken. Und ansonsten setzt die Internetseite - sehr geschickt - auf eine kindgerechte und spielerische Vermittlung von Wissen zu allerlei Themen rund um Tod und Sterben und die Gefühle, die das alles auslösen kann. Das geht? Klar, das geht! Und wie. Oder die Kinder doch lieber von diesen Themen fernhalten? Nein, keine gute Idee, das ist falsch verstandene Überprotektion - schon gar nicht, wenn sie ohnehin betroffen sind. Denn...:


An dem kleinen See gibt es viel zu entdecken auf der Internetseite Kindertrauerland - Buchtipps und Wissensquiz und Spiele runden das Angebot ab und machen es besonders kindgerecht.   (Thomas-Achenbach-Foto)

„Kinder haben von Natur aus Eigenschaften, die Resilienz stärken“, sagte Beate Alefeld-Gerges auf der Messe Leben und Tod. Ermutigende Worte für alle Eltern und Betreuer, die ein Kind in einer Krisensituation begleiten. Auf diesen Faktor setzt eben auch die Internetseite www.kindertrauerland.orgEin Wissensquiz, Buchtipps und lustige kleine Schäfchen, die über die Seite laufen und einmal mähen, wenn man sie trifft, runden das bunte und hilfreiche Angebot ab. Auch für Erwachsene gibt es übrigens eine Unterseite mit zusätzlichen Informationen (ganz unten, ganz links). 

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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Mehr Infos gibt es hier

Ebenfalls auf diesem Blog: Trauer am Arbeitsplatz/Trauer im Arbeitsleben - wie belastend ist Trauer im Beruf, was können Unternehmen tun?

Ebenfalls auf diesem Blog: "Sei doch bitte wieder normal" geht leider gar nicht - Trauernde brauchen langfristiges Verständnis ohne Ziele 

Ebenfalls auf diesem Blog: Zehn Tipps für einen hilfreichen Umgang mit Trauernden - für Angehörige, Freunde und Kollegen

Und im Kultur-Blog: Theater kosten den Steuerzahler einfach zuviel Geld... ist das wirklich so? Und woher kommt die Theatersubventionierung eigentlich?

Sonntag, 10. September 2017

Buchverlosung für Angehörige oder Freunde nach einem Suizid: Ich verlose 3 x "Ich konnte nichts für Dich tun" von Eva Terhorst (zum Welttag der Suizidprävention 2017) - Beitrag zur Bloggerparade der Telefonseelsorge

Osnabrück/Berlin – Zum Welttag der Suizidprävention (jedes Jahr am 10. 9.) habe ich nicht nur ein neues Gespräch mit der Trauerbegleiterin Eva Terhorst auf diesem Blog veröffentlicht, sondern ich verlose heute auch drei Mal das Buch "Ich konnte nichts für Dich tun", in dem sich die Berliner Autorin und Trauerbegleiterin Eva Terhorst an die Angehörigen nach einem Suizid wendet... Und wer jetzt aufmerksam gelesen hat, dem steht vielleicht ein Fragezeichen über der Stirn. Wieso sollte es ausgerechnet an jenem Tag, an dem es darum geht, Suizide zu verhindern, um ein Buch gehen, das sich an die Menschen richtet, die eben das haben erleiden müssen - so einen Verlust? 

In Deutschland sterben mehr als doppelt so viele Menschen durch einen Suizid als durch einen Verkehrsunfall. Etwa alle 53 Minuten nimmt sich ein Mensch in Deutschland das Leben. Er mordet sich übrigens nicht, sondern "suizidiert" sich, diese Unterscheidung ist den Angehörigen ganz wichtig, weil Mord immer etwas mit Niedertracht und Besitzsucht zu tun hat. Rechnet man das hoch, macht das über 100000 Menschen im Jahr. Suizid ist, in einer bestimmten Vergleichsgruppe gemessen, die zweithäufigste Todesursache in Deutschland (unter Menschen zwischen 15 und 29 Jahren, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO gemessen). Und trotzdem weiß kaum jemand etwas darüber. Wie kann das sein? 


Ich verlose 3 x Mal das Buch "Ich konnte nichts für Dich tun" von Eva Terhorst.   (T.-Achenbach-Foto) 

Klar, das liegt einerseits daran, dass die Medien extrem zurückhaltend berichten. Was auch gut ist, hat man doch immer wieder beobachten können, dass es gerade die Berichte darüber sind, die zu weiteren Suiziden anstiften. Andererseits wird auf diese Weise auch eine öffentliche Debatte und zielgerichtete Aufklärung erschwert. Statistiken zeigen: Wer als Angehöriger erleben muss, wie sich ein Mensch suizidiert, den trifft es besonders hart in seiner Trauer. Das ist auch ein Grund, warum ich mich ausgerechnet jetzt, zum Welttag der Suizidprävention, an diese Menschen richte - diese ganz besondere Gefühlsmischung, die damit einhergeht...

Eva Terhorst aus Berlin hat mehrere Bücher zum Thema Trauer geschrieben und arbeitet unter anderem als Trauerbegleiterin. Sie betreibt auch einen Blog zum Thema Trauer. 

Denn die Angehörigen um Suizid haben es später in besonderer Weise mit Schuldgefühlen zu tun. Klar, Schuldgefühle gehören in gewissen Dosierungen zu jedem Trauerprozess dazu, sind vielleicht sogar unausweichlich. Aber es sind solche Welttage wie diese, die in der Gedankenmaschine im Kopf wieder etwas antriggern können. Etwas wie "Hätte ich es nicht doch vielleicht verhindern können..." oder "Wenn ich es nur eher gemerkt hätte, wäre das niemals passiert..." So wichtig es ist, sich der Suizidprävention zuzuwenden, sosehr gilt also auch: An diesen Tagen gilt ein besonderes Augenmerk auch den Menschen, die dazu nur post mortem etwas beisteuern können. Übrigens geht Eva - mit der ich dankbarerweise auch unsere Dialoge "Zwei Trauerbegleiter unterhalten sich..." gestalten darf - in ihrem Buch auf alle diese Fragen ein, sie beschreibt den Prozess und die Gedankenwelten, gibt hilfreiche Anregungen und Impulse.... Das Buch ist im Herder-Verlag als Taschenbuch erschienen, enthält 160 Seiten und kostet 16,99 Euro.

Buchverlosung zum Welttag der Suizidprävention...: Ich verlose drei Exemplare des Buches "Ich konnte nichts für Dich tun" von Eva Terhorst. Möglichkeit Eins zum Mitmachen: Einen Kommentar schreiben unter diesen Artikel. Das geht auch anonym. Oder Möglichkeit Zwei: Einfach eine E-Mail schreiben an thomas-achenbach at gmx.de. Die Verlosung läuft eine Woche und endet am 17. 9. 2017 (Sonntag). Der Rechtsweg ist übrigens ausgeschlossen. Allen Bloglesern schon mal ein herzliches Danke fürs Lesen und Mitmachen!
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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Er hält auch Vorträge zum Thema Trauer und Umgang mit Trauernden. Mehr Infos gibt es hier.

Ebenfalls auf diesem Blog: Ja, es ist so schlimm, wie es sich anfühlt - und das darf auch einfach so sein. Warum das mit dem Loslassen kein guter Ratschlag ist...

Ebenfalls auf diesem Blog: Trauer in der Arbeitswelt/Trauer am Arbeitsplatz bzw. Trauer im Berufsleben - was können Unternehmen und Mitarbeiter tun?

Ebenfalls auf diesem Blog: Tango auf der Trauerfeier, die Trauerrede als Audiodatei - was heute bei modernen Trauerfeiern alles möglich sein sollte

Ebenfalls auf diesem Blog: Nachsterben wollen - was mache ich, wenn meine Sehnsucht so groß wird, dass ich den Verstorbenen hinterhergehen möchte?

Und im Kultur-Blog des Autors: Warum die "Live-im-Kino"-Ereignisse ein großer Wachstumsmarkt, was die Branche noch Spannendes plant und warum sie medial gesehen zwischen allen Stühlen sitzt - ein Interview rund um Rock'n'Roll & Oper im Kino

Samstag, 9. September 2017

„Ja, es ist so schlimm, wie du es empfindest“: Warum "Loslassen können" gar nicht möglich ist und warum Trauer nicht ernst genug genommen wird - zweiter Teil des Dialogs "Zwei Trauerbegleiter unterhalten sich"

Osnabrück/Berlin – Auch mit solchen Fragen kommen Trauernde in eine Begleitung: "Darf ich mich wirklich so schlecht fühlen?" Und? Dürfen Sie es? Geht es nach den Freunden oder Angehörigen, steht alsbald die Erwartungshaltung im Raum: Nein, werd' bitte schnell wieder normal... - Im zweiten Teil unserer Serie "Zwei Trauerbegleiter unterhalten sich", die parallel hier auf diesem Blog und auf dem Blog der Buchautorin und Trauerbegleiterin Eva Terhorst aus Berlin (siehe hier) erscheint, starten wir zwar mit der Frage, ob man sich für Trauerbegleitung schämen muss, landen aber rasch bei tiefgehenden Fragen ganz allgemeiner Natur zu Trauer - und Liebe. Und auch der Welttag der Suizidprävention am 10. 9. spielt eine Rolle. Eva darf den Auftakt machen. Los geht's:  

Lieber Thomas, gerade heute wurde ich wieder von einer trauernden Witwe gefragt, ob es nicht nach 5 Wochen nach dem Tod ihres Mannes zu früh wäre, sich Hilfe zu holen. Es sei doch bestimmt besser, dass alles irgendwie alleine zu bewältigen, obwohl sie das Gefühl hat, es würde ihr immer schlechter gehen. Einige meiner Klienten berichten mir, dass sie von ihrem Umfeld teilweise kritisiert werden, wenn sie erzählen, dass sie sich durch eine Trauerbegleitung Hilfe holen. Wahrscheinlich kannst du dir vorstellen, dass dann sogar mir für einen Augenblick die Spucke weg bleibt, wenn ich so etwas höre. Für alles gibt es Beratung und Profis, von Computern über Kücheneinrichtungen bis zu Typberatungen. Dafür wird ohne zu zögern Zeit und Geld investiert. Sobald es aber darum geht, sich Hilfe zu holen für das Schlimmste, das einem im Leben widerfahren kann, wird gezögert, diskutiert, ausgeredet und abgewertet. Eine Zeit lang habe ich angenommen, dass das Umfeld sich entlastet und beruhigt fühlt, wenn sich Betroffene Hilfe holen. Ich bin da ziemlich ratlos, woher diese Haltung wohl kommen könnte, dass Trauer keine Begleitung und Unterstützung benötigt, selbst, wenn man kaum noch ein und aus und wohin mit seinen bedrückenden Gefühlen in seiner Verzweiflung weiß. Vielleicht  glauben viele, dass sich Hilfe in der Trauerzeit zu holen bedeutet, dass man psychisch labil oder gestört ist. Und deshalb glaube ich, dass wir gar nicht genug betonen können, dass Trauer keine psychische Erkrankung und sich Hilfe bei Schwierigkeiten zu holen, kein Zeichen für Schwäche ist sondern durchaus ein Zeichen von Stärke sein kann. Was meinst du? Liebe Grüße aus Berlin, Eva

Eva Terhorst aus Berlin hat mehrere Bücher zum Thema Trauer geschrieben und arbeitet unter anderem als Trauerbegleiterin. Sie betreibt auch einen Blog zum Thema Trauer.

Liebe Eva, das ist ein wichtiges Thema, was Du da ansprichst.  Auf der Messe „Leben und Tod“ in 2017 hat die Bestatterin Barbara Rolf den Begriff „Fluch der Tapferkeit“ geprägt. Wer als Kind oft zu hören bekam „Ist nicht so schlimm“ oder „Das schaffst Du schon“ oder, am schlimmsten, „ein Indianer kennt keinen Schmerz“, der setzt sich diese inneren Marker als unbewusste Botschaften in die Seele. Ich glaube tatsächlich, dass uns diese frühkindlichen Prägungen im Erwachsenenleben viel stärker beeinflussen, als uns das lieb ist. Reines Bauchgefühl, ich bin kein Psychologe, ich kenne keine Forschungen (Ich werde darüber demnächst noch bloggen, der Text ist derzeit in Arbeit.  Hier also in aller Kürze eine Verdichtung des Kommenden)... Und wenn dann mal jemand stirbt…. Dann kommst Du aus diesen alten Mustern so ohne Weiteres nicht wieder raus. Was noch erschwerend hinzukommt: Trauer wird nicht ernst genug genommen. Kaum einer hat das richtige Bild von Trauer im Kopf. Wie denn auch? In Fernsehserien wird ständig gestorben, auf die spektakulärsten Arten – aber dass einer der Angehörigen an seiner Trauer darüber zerbricht, wird leider nie gezeigt. Dabei wäre das normal. Sowas kommt vor. Das gehört dazu. Und so herrscht dann, so befürchte ich, sogar bei Trauernden selbst so eine Meinung vor wie: Alles nicht so schlimm, irgendwie werde ich das doch wohl schaffen… das „bisschen“ Trauer… Oder übertreibe ich da, was meinst Du? Herzliche Grüße, Thomas

An anderer Stelle in diesem Blog verlose ich die Bücher "Ich konnte nichts für Dich tun" von Eva Terhorst - die Verlosung startet am Sonntagabend, am Welttag der Suizidprävention (10.9.).   (T.-Achenbach-Foto)

Nein, lieber Thomas, da übertreibst du überhaupt nicht. Einer meiner wichtigsten Sätze in meiner Begleitung ist: „Ja, es ist so schlimm, wie du es empfindest.“ (Egal was andere versuchen, dir einzureden). Eine meiner Klientinnen saß mal bei mir und sagte: „Jetzt ist mein Mann schon seit 7 Wochen tot und ich weine immer noch.“ Ich habe ihr damals gesagt, dass sie wohl noch das gesamte erste Jahr unglaublich viel weinen wird. Davon abgesehen, dass diese Heulerei enorm anstrengend ist und wir uns alle bis dahin kaum vorstellen konnten, dass wir überhaupt so viel weinen können, ist es ein Zustand, der natürlich nicht alle Menschen so hart trifft. Manche schaffen es, sich Hilfe zu holen und manche versuchen, es mit sich alleine auszumachen. Was ich aber so besonders an unserer Arbeit finde, ist, dass die Leute genau dann so schwer trauern, wenn sie durch sehr große Liebe mit dem Verstorbenen verbunden waren bzw. immer noch sind und verzweifelt einen Weg suchen, wie sie diese Liebe irgendwie weiter leben können. Das bedeutet, dass es Verluste gibt, die man leichter verkraftet und welche, die kaum überwindbar sind. Dadurch sind wir alle dazu aufgerufen, die einzelnen Situationen ganz individuell zu betrachten und zu würdigen, statt von der einen Art des Umgangs damit auf die andere zu schließen und die falschen Erwartungen daran zu knüpfen. Es ist eben nicht nur so, dass jeder anders trauert, sondern dass auch noch jeder anders liebt und das jede Beziehung auch noch ihre ganz besondere Eigendynamik hat. Wir können es doch schon in Familien sehen, in denen der Vater oder die Mutter stirbt und die Geschwister komplett unterschiedlich darauf reagieren. Daher plädiere ich auch in Sachen Trauer für mehr Toleranz, Offenheit und auch Mut das zu leben, was man fühlt und nicht das, was einem beigebracht und eingeredet wird. Also mach's gut, Eva

Liebe Eva, ja, das wird in Deinen Zeilen spürbar, dass es Dich da gepackt hat – das scheint ein Thema zu sein, bei dem Du an Deinem ganz eigenen Grundwasser angekommen bist…. Womit wir beim Thema Selbstachtsamkeit gelandet wären, aber das besprechen wir besser später mal. Was beim Lesen Deiner Zeilen in mir wach geworden ist: Diese Angst, die Liebe zu dem verstorbenen Menschen irgendwie verlieren zu können, das ist wirklich oft ein Thema. Oder, noch viel schlimmer, die Angst davor, dass die Erinnerungen an den gestorbenen Menschen verblassen könnten. Oder sogar verschwinden könnten. Deswegen trifft es Menschen in einer Verlustkrise ja auch so hart, wenn ihnen andere Menschen raten, sie sollten die verstorbenen Menschen jetzt einmal „loslassen“. Aber das geht ja gar nicht – und darum geht es ja auch gar nicht. Ich zitiere an dieser Stelle immer gerne Roland Kachler, der gesagt hat: Es geht nicht ums Loslassen, es geht darum, der Liebe zum gestorbenen Menschen eine andere Form zu geben. Es geht darum, den Verstorbenen in einer neuen, transformierten Form im eigenen Leben, in der eigenen Biographie verankern zu können – aber, und das ist das Wichtige: So verlässlich dort verankern zu können, dass ich mich getrost darauf verlassen kann, diesen Menschen ebendort, an diesem neuen inneren Platz, immer wiederfinden zu können. Das ist es, glaube ich, was man als Trauerweg beschreiben könnte. Und an die Stelle des „Loslassens“ muss ein sanftes Begreifen treten: Ja, es ist wahr, der Mensch ist wirklich gestorben… Das ist natürlich, wie alles, leichter gesagt als getan. Aber das wird Dir in Deiner Arbeit mit Trauernden sicher auch immer wieder begegnen, oder? Was sagst Du Ihnen dann? Und wie siehst Du das überhaupt? Herzliche Grüße, Thomas


Thomas Achenbach ist der Autor dieses Blogs, er ist in Osnabrück als Trauerbegleiter aktiv.   (C.-Achenbach-Foto) 

Lieber Thomas, dadurch dass ich bereits meine Mutter durch Suizid und meinen Lebenspartner Tom durch Krebs verloren habe, kann ich Trauernden versichern, dass es funktioniert, dass diese Menschen, die einem einst so wichtig waren, immer wichtig bleiben werden und dürfen. Tatsächlich leben sie weiter in meinem Herzen. Wir haben auf diese Weise die Gelegenheit festzustellen, wie groß unser Herz eigentlich ist und dass dort auch noch ordentlich viel mehr Platz ist, um auch noch mehr Lebende dort zu verorten. Unser Herz ist eben ein Muskel und wenn wir diesen trainieren, dann wächst er und wird stark. Das ist ein gutes Gefühl auch wenn der Verlust genau dort in unserem Herzen unendlich weh tut. Aber da ich weiter oben den Suizid meiner Mutter angesprochen habe: Übermorgen, am 10. September ist Welt-Suizid-Präventionstag. Eines meiner Ziele ist es, dem Thema Suizid in unserer Gesellschaft zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen, daher habe ich das Buch: „Ich konnte nichts für dich tun: Trauern und Weiterleben nach einem Verlust durch einen Suizid“ geschrieben (Anmerkung von Thomas: Buchverlosung findet gleichzeitig auf diesem Blog statt). Es ist mir wichtig, dass wir begreifen, dass es viel mehr Menschen gibt, die unter Depressionen leiden, als wir es uns vorstellen können. Viele Betroffene merken es oft noch nicht einmal selbst, dass sie diese Krankheit haben und es wird unterschätzt, wie tödlich diese sein kann. Daher kann Aufklärung als Prävention sehr entscheidend sein. Beispielsweise bin ich heute beim rbb in die Sendung zibb eingeladen worden, um über dieses Thema zu sprechen. Dass über den Welt-Suizid-Präventionstag immer mehr in den Medien berichtet wird, führt hoffentlich dazu, das Menschen, denen es seelisch nicht gut geht, sich aufmachen, um sich Hilfe zu holen. Auch hier, genau wie beim Thema Trauer, statt sich Hilfe zu holen, zögern die Menschen oft viel zu lang und schlagen sich ganz alleine mit schwierigen Situationen und Gefühlen durch die Welt und werden dabei immer einsamer und verstummen immer mehr. Das ist nicht gut. Für niemanden. In diesem Sinne Grüße ich dich, Eva

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„Zwei Trauerbegleiter unterhalten sich“: Hier tauschen sich die beiden Trauerbegleiter Thomas und Eva über die Themen ihrer Arbeit aus. Das soll zu einem besseren Verständnis beitragen, warum Trauerbegleitung wichtig ist und euch helfen, besser zu verstehen, was ihr gerade durch macht, wenn ihr einen geliebten Menschen verloren habt. Auch für Angehörige von Trauernden kann dieser Dialog hilfreich sein. Denn es ist manchmal nicht so leicht nachzuvollziehen, was in jemandem vor sich geht, wenn er trauert. So kommt es schnell zu Missverständnissen und gut gemeinten Ratschlägen, die oft das Gegenteil vom Beabsichtigten auslösen. Sehr, sehr gerne können Trauernde, Angehörige, Trauerbegleiter und alle, die mit dem Thema zu tun haben, mit ihren Kommentaren dazu beitragen, dass dieser Dialog lebendig und hilfreich sein kann! Mehr Infos über Eva und ihre Arbeit gibt es hier....

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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor der Bücher "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag und "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise", 220 Seiten, Campus-Verlag. Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 
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