Mittwoch, 20. September 2017

Warum Facebook in Sachen "Trauer bei Mitarbeitern" ein weltweit führendes Unternehmen ist - 20 Tage bezahlte Auszeit und viel Flexibilität für Angestellte, da können andere von lernen (Jahresthema Trauer im Job/Trauer in der Arbeitswelt/Trauer am Arbeitsplatz, Teil 4)

Osnabrück - Facebook macht es vor: Was das Thema Trauer im Arbeitsleben angeht, ist das blaue Netzwerk das vermutlich weltweit führende Unternehmen. Bis zu 20 Tage bezahlter (!) Abwesenheit können sich die Angestellten dort nehmen, wenn sie einen Todesfall bei ihren Angehörigen zu erleiden haben. Damit dürfte Facebook weltweit einmalig dastehen. Natürlich spielen die sehr persönlichen Erfahrungen, die die dortige Geschäftsführerin Sheryl Sandberg mit dem Tod ihres Mannes gemacht hat und die sie in sehr persönlichen Beiträgen und einem Buch verarbeitet hat, dabei eine wichtige Rolle. Natürlich geht es dabei auch um Mitarbeiterbindung. Und natürlich bleibt der große blaue Datensauger ein kritisch zu beobachtendes Portal in Sachen "Big-Brother"-Totalüberwachung und bekloppter Fake-News-Streuung - und dennoch: menschlich gesehen ist das tatsächlich eine bahnbrechende Entwicklung. Ein gutes Beispiel. Wie überhaupt Sandbergs Trauerprozess sehr inspirierend sein kann.

Facebook geht mit einem solchen Schritt noch sehr viel weiter, als es das überhaupt müsste und dazu noch sehr viel weiter, als es sonst ein amerikanisches Unternehmen tut... Auch wenn Sandberg in ihrer Ankündigung im Februar 2017 alle anderen Firmen aufgerufen hat, dem Beispiel Facebook zu folgen, wie die Websites Business Insider und finanzen.net berichteten, wäre mir bislang keine Firma bekannt, dies das getan hätte. Nur mal so zum Vergleich: In Deutschland bekommst Du in der Regel einen bis zwei Tage frei, wenn ein direkter Angehöriger von Dir gestorben ist. Das ist es dann aber auch (noch schlimmer: Solltest Du eine Mutter von einem Sternenkind sein, also eine stille Geburt eines toten Kindes erleiden müssen, erlischt Dein Mutterschutz - Du musst dann zurück zur Arbeit...). Das alles wird keinesfalls dem gerecht, was im Innern von Menschen vorgehen kann, wenn sie in eine Trauer-/Verlustkrise geraten. Da können 20 bezahlte Tage wirklich Gold wert sein. Sandberg weiß das selbst am besten.


Nur kurz ins Fitnessstudio - von dort nie mehr zurück


Sie war mit ihrem Mann Dave Goldberg in den Urlaub gefahren (offenbar ohne die beiden Kinder). Ein Kurzurlaub in Mexiko. Doch mittendrin überholte das Paar die Vergänglichkeit - wie so oft im Leben völlig überraschend. Goldberg, 47 Jahre alt, wollte ein wenig trainieren und ging in das zum Hotel gehörene Fitnessstudio. Von dort kam er nicht mehr lebend zurück. Der Grund: Eine Herzschwäche, bisher unentdeckt. Ihren jüdischen Traditionen folgend, ging Sandberg in den Trauermonat Sheloshim oder auch Schloshim - nach der "Schiwa", der ersten Woche, in der alles stillsteht (die Regeln lauten: nicht arbeiten, nicht backen, sich nicht rasieren, nichts Körperliches tun), folgen in dieser Tradition 30 Tage innerer Trauer. Klar, dass 30 Tage eigentlich nicht lang genug sind, dennoch verlangt die jüdische Tradition, dass danach das Leben wieder normal weitergehen soll. Es gilt das Gesetz des Lebens, das sich über den Tod stellt. In selbst für eine Facebook-Managerin ungewohnter Offenheit wandte sich Sheryl Sandberg in einem bewegenden Beitrag an die Weltöffentlichkeit... Mit überwältigenden Reaktionen...


Das muss man Facebook lassen: Das Unternehmen tut eine Menge dafür, dass die Mitarbeiter ihre Batterien wieder aufladen können. Vielleicht ist es damit sogar weltweit einzigartig.    (Pixabay.de-Foto/Creative Commons 0 Lizenz)

Über 74000 Kommentare - ein Eintrag bewegt die Welt


Beinahe 75000 Mal ist dieser Eintrag inzwischen kommentiert worden, das öffentliche Echo war gewaltig. Inzwischen hat Sandberg das Buch "Option B" veröffentlicht, in dem sie schreibt, wenn die Option A, das gemeinsame Leben, nicht mehr möglich ist, hilft nur eines: "Kick the shit out ouf Option B" (sehr frei übersetzt: "Mach das Meistmögliche aus der Option B"; wörtlich übersetzt: "Hol' Dir so scheißviel wie nur möglich aus der Option B". Parallel startete Sandberg eine unvergleichliche Familienoffensive für die Facebook-Angestellten- mit einer ganzen Reihe von vorbildlichen Neuerungen, nicht alleine im Bereich Trauer. Zum Beispiel:


Bezahlte Betreuungstage, bezahlter Trauerurlaub - und mehr


Wer sich um kranke Familienmitglieder kümmern muss, kann sich für sechs Wochen von der Arbeit freistellen lassen. Bezahlt, wohlgemerkt. Drei zusätzliche freie Tage gibt es für Angestellte, die kurzfristig in die Betreuung kranker Familienmitglieder einspringen müssen, also zum Beispiel Kinder mit einer Erkältung (ja, das ist immer ein großes Orga-Thema, als junger Vater und ein Teil von zwei berufstätigen Eltern kenne ich das nur zu gut). Und der tatsächlich so genannte "Trauerurlaub" wurde von bereits 10 auf 20 Tage verdoppelt. Sheryl Sandberg betonte auf einer Konferenz, dass sei für sie „eine persönliche Sache“. Mark Zuckerberg und Facebook hätten ihr bei ihrem eigenen Trauerfall so eine lange Auszeit und soviel Flexibilität ermöglicht, dass sie etwas zurückgeben wollte. „Die Menschen sollten in der Lage sein zu arbeiten und gleichzeitig für ihre Familien da zu sein“, wird Sandberg im Business Insider zitiert. Tja. Und nun muss man sagen: Ja, Facebook ist ein fetter blauer Datensauger, eine Fake-News-Schleuder, eine moralisch fragwürde, weil Werbung um jeden Preis verhökernde Firma, die nicht davor zurückschreckt, das Suchwort "Judenhass" für verkaufte Werbung zu benutzen... Was alles nicht sonderlich vertrauenserweckend ist. Und dennoch. In Sachen Trauer und Mitarbeiterbindung muss man anerkennend sagen: Leute, schaut auf dieses Unternehmen!

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Das Buch zum Thema: "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise" von Thomas Achenbach aus dem Campus-Verlag enthält viele Tipps und Anregungen rund um die Themen Trauer am Arbeitsplatz, Mitarbeiter in Pflegeverantwortung und mehr.

Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an. Thomas Achenbach ist der Autor der Bücher "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag und "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise", 220 Seiten, Campus-Verlag. Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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