Mittwoch, 30. Januar 2019

Aufräumen, Ausmisten und Entrümpeln nach einem Todesfall: Wie Sie aus den Hinterlassenschaften eines gestorbenen Menschen ein Vermächtnis werden lassen - Tipps für Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise

Osnabrück –  Was machen wir nur mit all den Sachen, die die Verstorbenen hinterlassen haben? Vor dieser Aufgabe stehen viele, die einen Menschen verloren haben. Da sind immer noch all die Gegenstände, Kleidungsstücke, Schmuckstücke, Bücher, manchmal auch komplett eingerichtete Zimmer wie beispielsweise ein Kinderzimmer. kurzum: Alles, was der Verstorbene einmal besessen hat. Und dann? Freunde und Angehörige raten alsbald, man solle das Zeug doch wegwerfen. Aber das fühlt sich für viele so an, als würden sie den geliebten Menschen wegwerfen und ihn gleich nochmal verlieren. Es gibt jedoch auch andere Wege. Kreative, gute, hilfreiche. Hier ein paar Impulse:

1.) Den Gegenständen einen neuen Begriff geben: Habseligkeiten. Dieser Tipp stammt aus dem sehr wertvollen Buch "Übungsraum Trauerbegleitung", das Ende 2018 im Verlag Vandenhoeck und Ruprecht erschienen ist und zu dessen Co-Autorinnen die sehr erfahrene Hospiz- und Trauerfachfrau Monika Müller gehört. Sie empfiehlt in dem Buch, anstelle von "Dingen" oder von "Sachen" besser von "Habseligkeiten" zu sprechen. Alleine schon dieser kleine Wortwechsel macht eine Menge aus. Denn in dem Wort Habseligkeiten schwingen dreierlei Bedeutungen mit: Zum einen steckt darin das "Haben"; also der Besitz, hier jetzt meinend: Der Besitz des Verstorbenen. Darin steckt aber auch die Idee, dass die Gegenstände "selig" sind, also nicht bloß wertlose oder gar tote Dinge, sondern durchaus mit einem Eigenleben darin. Wenn man so will: Einer Lebendigkeit. Wobei Dinge natürlich nicht lebendig sein können. Gemeint ist eher, dass sich diese Lebendigkeit aus der - weiterhin lebendigen - Erinnerung speist, die der Gegenstand mit sich bringt. Und zuletzt steckt in dem Wort auch die Seele, also die Idee, dass jeder Gegenstand eine eigene darin verborgene Seele besitzt. Wenn wir von den Habseligkeiten sprechen, die ein Verstorbener hinterlassen hat, bringen wir diesen Gegenständen mehr Wertschätzung entgegen. Es ist eben nicht bloß Gerümpel, das noch da ist. Es ist Erinnerung, die leben darf und leben kann. Oder wie es der Autor Rainer Moritz in seinem Buch "Mein Vater, die Dinge und der Tod" formuliert: "Je länger ich an meinen toten Vater denke, über dessen Leben ich viel zu wenig weiß, desto mehr sprechen seine Dinge zu mir“. 




2.) In jeder Habseligeit das darin liegende Vermächtnis suchen. Das ist ein Prozess, der Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise nicht immer möglich ist, weil er ein bisschen Kraft kosten kann, aber es ist ein wertvoller Prozess - der sogar wieder Kraft geben kann: Es geht darum, sich den Habseligkeiten der Gestorbenen bewusst zuzuwenden. Sie sich Stück für Stück anzusehen, anzufassen und dabei nachzuspüren, welche Erinnerungen wachwerden, welches Vermächtnis in den Habseligkeiten liegt. Das kann - muss aber nicht! - ggf. mit einem ersten Aufräumprozess verbunden sein, weil sich vielleicht zeigt, dass manche der Habseligkeiten stärkere Gefühle wecken als andere, weil vielleicht gar nicht alle der Gegenstände etwas mit sich bringen, sondern nur manche. Es kann hilfreich sein, sich drei Kartons oder drei Kisten hinzustellen für diesen Sortierprozess: Kiste Eins für die unbedingt zu behaltenden, weil mit vielen Erinnerungen verbundenen Habseligkeiten. Kiste Zwei für die Fragezeichenkandidaten, bei denen man sich nicht sofort entscheiden kann, was man damit tun möchte. Und Kiste Drei für: Eine neue Verwendung suchen (dazu später mehr) oder wegwerfen. 



3.) Fotografieren, dokumentieren, Erinnerungsbuch anlegen. Wer einen Menschen verloren hat, der hat oft große Angst davor, auch noch seine persönlichen Erinnerungen an den oder die Gestorbenen zu verlieren. So werden die Erinnerungen zu etwas beinahe Heiligem. Deswegen ist der alte und heute noch oft gegebene Rat, man müsse nun "loslassen", leider so gar nicht hilfreich. Gerade hierbei kann eine achtsame und intensive Beschäftigung mit den Habseligkeiten hilfreich sein: Jeden Gegenstand zu fotografieren, zu dokumentieren, vielleicht ein Erinnerungsbuch anzulegen, in dem zu dem dort eingeklebten Foto in Stichworten oder kurzen Sätzen die Erinnerungen festgehalten werden, das kann ein gutes Projekt sein, das einem den gestorbenen Menschen wieder nahebringt, das die Erinnerungen wach hält. Das ist natürlich eine durchaus Zeit kostende Beschäftigung. Aber eine, die sich lohnen kann. Und bei vielen Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise ist es ja so, dass sie ohnehin in ihren Gefühlen und Gedanken sehr, sehr lange um den gestorbenen Menschen kreisen - durchaus ein paar Jahre lang. Da bleibt also, so gesehen: Zeit genug. 



4.) Neue Verwendungen suchen. "Vergiss mein nie" - unter diesem Namen betreibt die Trauerbegleiterin Anemone Zeim einen Laden im schönen Hamburger Ortsteil Eimsbüren, der sich explizit an Trauernde richtet. Sie nennt ihn eine "Erinnerungswerkstatt". Was dort geschieht, ist nach meiner Kenntnis in Deutschland so einzigartig: Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise bringen ihre Lieblings-Habseligkeiten dorthin und lassen etwas Kreatives und Neues daraus bauen, das sie in ihren persönlichen Alltag mitnemen können. Das vielleicht einleuchtendste Beispiel ist der Kochlöffel ihrer Oma Lilly, aus dem die junge Trauerbegleiterin einfach ein kleines rundes Stück hat rausfräsen und dieses in einen goldenen Rahmen hat setzen lassen - nun trägt sie es einfach als Kette, also als Schmuckstück, um den Hals und ist somit ganz eng mit ihrer gestorbenen Oma verbunden. Wer, so wie ich, Anemone Zeim schon einmal in Person hat erleben dürfen (in meinem Fall: Auf der Messe Leben und Tod), der ist oft beeindruckt von dem kreativen Potenzial und den vielen Ideen, die in dieser jungen Frau schlummern. Kein Wunder: Studierte Designerin, Erfahrungen in der Werbebranche. Dann das, was vielen Menschen geschieht (das kennen wir): Sinnkrise, der Beruf verliert seine Bedeutung, das Wozu eigentlich wird lebensumfassend. Das Ergebnis dieses Prozesses: Die Erinnerungswerkstatt. Nun wird nicht jeder Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise nach Hamburg fahren können oder das Geld dafür haben, eine Kreativagentur mit dem Umdeuten der Habseligkeiten zu befassen. Aber alleine dieser hinter den Ideen steckende Prozess kann eine gute Inspiration sein: Nimm die Gegenstände und mach etwas Neues daraus, gib ihnen neues Leben und neue Möglichkeiten. 

Das geht auch sehr niederschwellig. Anstatt alles wegzuwerfen, lässt sich das eine oder andere vielleicht verschenken oder so weitergeben, dass es eine neue Nutzung erfährt. Das klappt am besten bei Spielzeug von verstorbenen Kindern: Einer der verwaisten Väter aus unserer Trauergruppe ist jedenfalls froh, dass das Mädchenfahrrad seiner gestorbenen Tochter jetzt eine neue Nutzung und Verwendung bei einem Mädchen gefunden hat, dass das gestorbene Kind sogar noch kannte


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Auf Youtube ansehen: Vortrag "Männer trauern anders" aus dem Forum St. Peter in Oldenburg (Niedersachsen) aus dem Juni 2021 - Link zum Video  

Ebenfalls auf diesem Blog: Wie lange darf Trauer dauern? Ist es normal, wenn es jahrelang weh tut? Und ab wann wird trauern krankhaft?

Ebenfalls auf diesem Blog: Trauer und Schuldgefühle gehören zusammen - warum sich so viele Trauernde nach dem Tod eines Menschen schuldig fühlen

Ebenfalls auf diesem Blog: Keine Sorge, alles normal - was Trauernde alles so vermeintlich "Merkwürdiges" tun und warum das nicht peinlich ist

Ebenfalls auf diesem Blog: Wie uns die Trauer vor Aufgaben stellt und was das für den Trauerprozess bedeuten kann - über die "Aufgaben der Trauer"

Ebenfalls auf diesem Blog: Entrümpeln, Ausmisten und Aufräumen nach dem Tod eines Menschen - was mache ich damit und warum ist das so hart?

Ebenfalls auf diesem Blog: Professionelle Gesprächsführung mit Menschen in einer Krise - was wir von der Spiegeltechnik fürs Leben lernen können

Ebenfalls auf diesem Blog: Wir sind auf dem Weg in eine Sterbegesellschaft - Zahlen, Fakten und Daten darüber, wir eine gute Trauerkultur brauchen werden  

Ebenfalls auf diesem Blog: Wer ein Kind verloren hat, sollte nicht arbeiten gehen müssen - was wir von einer britischen Rechtsprechung lernen können 

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Mittwoch, 23. Januar 2019

Gräber ausmalen, Gitarren zerdeppern und die inneren Dämonen zermantschen - wie das Jugendbuch "Einfach so weg" alle 12- bis 16-Jährigen zu einem kreativen und guten Umgang mit Tod, Trauer und Sterben ermutigt - Buchtipp und gute Hilfe für trauernde Jugendliche

Osnabrück (eb) - Wer als Jugendlicher mit dem Tod konfrontiert ist, der gerät oft in mehrfacher Hinsicht in eine Krisensituation. Vor allem, wenn es sich dabei um den Tod eines Elternteils handelt. Ausgerechnet in dieser ohnehin nicht einfachen Lebensphase, die doch so dermaßen durchzogen ist von der Abnabelung von den Eltern, von großen neuen Unsicherheiten, von der beginnenden Suche nach sich selbst, von einer kompletten Um- und Neuprogrammierung des gesamten Lebens und des Körpers (dass sich tatsächlich das Gehirn neu umpolt in dieser Phase, ist inzwischen erwiesen), grätscht der Tod nochmal so heftig ins Leben rein, dass es besonders ratlos macht. Und das Schlimmste daran: Mit wem soll man darüber reden? Die Kumpel und Klassenkameraden, selbst oft unrfahren, machen einen auf cool und abgeklärt. Die Eltern haben als Ankerpunkt gerade ausgedient. Genau hier setzt ein Buch an, das die Ex-Schauspielerin Ayse Bosse jetzt veröffentlicht hat und das auf geschickte und dennoch spielerische und trotzdem nicht anbiedernde Weise die Generation der etwa 12- bis 16-Jährigen anspricht.

Das ist eine der Erfahrungen, die ich in den bisherigeren Jahren meiner Arbeit als Trauerbegleitung schon öfters gemacht zu haben glaube: Dass es sehr exakt auf die Zielgruppe zugeschnittene Angebote braucht, um Menschen wirklich gut begleiten zu können. Und im Falle von Jugendlichen bedeutet das, die Alterszahlen wirklich auch als Stadien von Entwicklung zu begreifen. Soll heißen: 12 Jahre alt sein bedeutet etwas ganz anderes als 14 Jahre alt sein bedeutet etwas ganz anderes als 16 Jahre alt sein bedeutet etwas ganz anderes als 18 Jahre alt sein... Im Grunde bräuchte es für jede Altersklasse wiederum eigene Angebote. Das Buch von Ayse Bosse und ihrem Co-Autoren Andreas Klammt jedoch schafft den Spagat über mehrere Altersklassen hinweg - und bleibt trotzdem irgendwie cool, ohne sich an die Zielgruppe heranzuwanzen. Es nimmt seine Leser ernst und weiß gut mit ihnen umzugehen. Zum Beispiel, in dem es leere Grabsteine zum Ausmalen anbietet. Und natürlich weitaus mehr.


(Alle Produktfotos: Thomas Achenbach).

Kurze Comics im Stile einer Graphic Novel gehören ebenso dazu wie jede Menge auszufüllende Seiten mit kurzen Impulsen für die Selbstreflektion oder witzige Ausmalbilder wie beispielsweise die "Dämonen-Matsch-Maschine", in der die jugendlichen Leser auch ihre ganz eigenen (inneren) Dämonen zerstören können. Kurze Geschichten und Gedichte finden sich ebenfalls in dem Buch. Und, für mich als Listen-Fan besonders gelungen: Listen mit den besten Trauersongs und Trauerfilmen - zusammengestellt von Jugendlichen aus Trauergruppen, also direkt von der angesprochenen Zielgruppe. Das Buch spiegelt in vielerlei Hinsicht die vielfältige Erfahrung, die die Autorin hat.


Auch Gräber zum Anmalen finden sich in dem Buch.


Denn Ayse Bosse bietet unter anderem Trauergruppen für Jugendliche an, wie sie auf dem Symposium in Sachen Trauer und Trauerbegleitung berichtete, das Ende vergangenen Jahres in Hildesheim stattfand. Organisiert von dem in Hildesheim aktiven Verein "Trauerzeit" und dem dortigen Kolping Bildungs- und Sozialwerk, waren bei dieser Veranstaltung etwa 50 Teilnehmer aus allen möglichen Kontexten versammelt - Hospizarbeit, Trauerredner, Notfalleinsatzkräfte -, um sich über Trauerbegleitung zu informieren. Und in einem am Nachmittag stattfindenden Vortrag stellte Ayse Bosse ihr Werk vor und berichtete von ihren Erfahrungen mit Jugendgruppen. Besonders prägend: Dass man Jugendlichen die für sie mitgebrachten Reflektionseinheiten und Aufgaben immer als Angebot auf Augenhöhe darbieten sollte - also mehr so nach dem Motto "Sag mal, hast Du Bock jetzt dieses und jenes zu machen?" als nach dem üblichen aus der Erwachsenenbildung bekannten Schema "So, wir machen jetzt mal gemeinsam dieses und jenes"... 


Dass Wut und Aggressionen ebenfalls zu einem Trauerprozess dazugehören, als ganz normaler Bestandteil, macht diese Mini-Graphic-Novel deutlich. Nach dem Motto: Somewhere Over The Rainbow? So'n Scheiß!

Man kann sich das gut vorstellen, wie Ayse Bosse, die sich mit ihren rund 42 Jahren selbst noch eine ansteckende jugendliche Frische und Vitalität erhalten hat und mehr so offen-lustig-verwirrt-und-total-locker rüberkommt, die Teilnehmer eines solchen Seminars gut mitnehmen kann. Aus all diesen Workshops mit Jugendlichen weiß sie eben auch, wie wichtig es ist, in der Trauer selbst aktiv zu sein. Und, wie Ayse Bosse es selbst sagte: Sich das eben trauen, so zu trauern, wie man das möchte, weil es da kein richtig oder falsch gibt, das ist halt wichtig. Dass sie zugleich mit dem Indie-Pop-Musiker Bosse aus Hamburg verheiratet ist, hat auch ihrem neuen Buch gut getan.



Dämonen zermantschen. Also mehr so: Innere Dämonen, hier aber sichbar gemacht. Wer würde das nich gerne?

Denn als zusätzliches Gimmick gibt es einen zum Buch dazugehörenden, aber nur über das Buch mitverkauften Song (klar, einen Trauersong), den Bosse zusammen mit dem Rapper Prinz Pi und der Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß geschrieben und eingespielt hat und der, wie das Buch selbst, "Einfach so weg" heißt. Hörenswert, übrigens, denn auf dem Symposium durften wir das Lied einmal auch so anhören. 


Lebt in Hamburg: Die Autorin und Trauerbegleiterin Ayse Bosse. (Stilller-/Carlsen-Verlag-/Presse-Foto)

"Einfach so weg" ist erschienen im Carlsen-Verlag als Hardcover, 176 Seiten, geeignet ab 12 Jahren, 15 Euro.

Übrigens: Noch ein lesenswertes Buch, das viele weitere Tipps für einen guten Umgang mit dem Tod enthält und im lockeren Tonfall existenzielle Fragen rund um den Tod behandelt, ist "The End" von Eric Wrede, hier geht es zu einer Besprechung. 

Transparenzhinweis: Das Buch ist mir auf Anfrage zur Besprechung vom Verlag als Rezensionsexemplar zugeschickt worden.


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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor des Buches "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag, 17 Euro, erschienen im März 2019. Mehr Infos gibt es hier.

Alle aktuellen Termine, Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare etc. mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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Ebenfalls auf diesem Blog: Die Kunden müssen die Bestatterbranche bewegen - was alles möglich sein kann, wenn Menschen in einer Verlustsituation das wollen

Ebenfalls auf diesem Blog: Was soll nach einem Todesfall gefeiert werden? "Nur" der Todestag - oder auch noch der Geburtstag des gestorbenen Menschen?

Ebenfalls auf diesem Blog: Keine Sorge, alles normal - was Trauernde in einer Verlustkrise alles so tun und warum einem das nicht peinlich sein sollte

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Ebenfalls auf diesem Blog: Wenn Töne und Texte die Seele ins Schwingen bringen, Teil #01: Serie über Trauer und Musik - die besten Songs und Alben über Trauer und Tod 

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Mittwoch, 16. Januar 2019

Achtung, Tod, wir kommen Dir jetzt näher - wie sich das Buch "Mein Jahr mit dem Tod" von Heike Fink in lesenswerter Reportageform dem großen Unbekannten zu nähern versucht - eine Besprechung und ein Buchtipp

Osnabrück (eb) - Wenn das Schneewittchen auf seiner Flucht vor der mordwilligen Stiefmutter bei den sieben Zwergen landet, dann ist es dort in Wahrheit im symbolischen Todesreich angekommen, aus dem es wieder herauskommen muss... Oder übersetzt gesagt: Im Übergangsreich zwischen Kindheit und Reife. So jedenfalls sagt es der prominente Märchenforscher Heinz Rölleke. Das war für mich eine der überraschendsten Erkenntnisse des Buches "Mein Jahr mit dem Tod" der Autorin Heike Fink, das ich schon eine Weile hier liegen (und gelesen) habe und das zu besprechen mir jetzt endlich gelingen soll. Heike Fink hatte mir von sich aus ein Buch zuschicken lassen und mich gefragt, ob es mich interessieren würde - und das tut es, natürlich, nicht alleine des Themas wegen. Sondern auch wegen der spannenden Herangehensweise.

Alles begann bei der Beerdigung eines guten Freundes. So, wie es Heike Fink dort erging, erleben das auch viele andere Menschen. Da ist plötzlich dieses merkwürdige und nicht zu fassende Mischmasch im Inneren, das irgendwie bedrohlich und irgendwie auch faszinierend ist. So eine diffuse, undurchschaubare, sehr massive Wand, die undurchdringlich und gewaltig groß zu sein scheint. Alles, was Heike Fink da fühlte, lässt sich zwar unter einem plakativen Etikett zusammenfassen – die Angst vor dem Tod – und ist doch in Wahrheit ein Geflecht aus so vielen einzelnen Gedanken, Gefühlen und Gestalten, dass erst das sehr genaue Hinsehen dabei hilft, dieses Durcheinander wirklich zu entwirren. Das ist oft schon Thema dieses Blogs gewesen, und genau darum geht es auch in diesem Buch: 


(Alle Produktfotos: Thomas Achenbach)

Heike Fink wollte also genauer hinsehen. Also hat sie sich ein ganzes Jahr lang mit Experten rund um den Tod getroffen, jeden Monat mit einem anderen, und ihre Begegnungen in Form einer in mehrere Teile aufgeteilten persönlichen Auseinandersetzung als Buch veröffentlicht. Jedes Kapitel behandelt einen Monat, einen Experten, einen Ort, alles ist verbunden mit dem Thema Tod. Da ist beispielsweise der Physiker, der sich an seinen eigenen (Nah-) Tod nicht mehr erinnern kann, da ist der 14-jährige Junge aus dem Kinderhospiz, der ein großer Darth-Vader-Fan ist, da ist die Trauerbegleiterin mit ihrem Projekt der gesprochenen Lebensbücher, da ist der Tatortreiniger, der so gar nicht seinem TV-Vorbild entsprechen mag… Eine Besonderheit bildet die Reise nach Kairo zu einem der wohl größten bewohnten Friedhöfe der Welt. Und da ist der bereits erwähnte Märchenforscher. Der natürlich von einer weiter entfernteren Perspektive auf das Thema Tod draufschaut. Ich will gar nicht verhehlen, dass mich das Buch am Anfang eher skeptisch machte - alleine schon, weil mich die Frage herumtrieb: Warum die Beschäftigung mit dem Tod, die doch ein Lebensthema sein sollte, auf nur ein Jahr beschränken? Aber dann wurde mir klar, dass das ein komplett unangemessener Gedanke von mir gewesen ist. Und das klingt jetzt hoffentlich nicht zu arrogant oder aufgeladen oder abgehoben. 

Die Autorin Heike Fink.  (Max-Höllwarth-Foto)

Aber: Als Trauerbegleiter und Trauerblogger und als Autor von Artikeln (und bald auch einem Buch) über dieses Thema beschäftige ich mich ja jeden Tag ein kleines bisschen mit dem Tod. Da bin ich also, sozusagen, immer ganz eng dran an diesem Thema. Wenigstens einmal pro Woche bekomme ich ein Schicksal berichtet, das ganz eng verwoben ist mit dem Tod. In meiner Ausbildung habe ich gelernt, eine persönliche Haltung zu entwickeln, die mir dabei hilft - eine Haltung auch dem Thema Tod gegenüber. Das ist aber eben nicht die Perspektive, aus der Heike Fink - und das von ihr angesprochene Publikum - das Thema betrachten wollen. Was für mich also bedeutete: Um diesem Buch gerecht werden zu können, musste ich wieder ein paar Schritte weiter zurückgehen in meiner ganz persönlichen Geschichte. Zurück an den oben beschriebenen Punkt: Als alles, was mit dem Tod zu tun hatte, eine undurchdringliche Wand gewesen ist. Wo man höchstens mal zaghaft hingucken wollte. Dann konnte ich mich gut einlassen auf dieses Buch. Und habe einfach mal geschaut: Was spricht mich an, wie wirkt es auf mich? 


Was Heike Fink hier vorlegt, ist in Wahrheit ein einziges, gigantisch großes Reportagestück. Soll heißen: Die Autorin versteht es sehr gut, mit ihren Worten Bilder zu malen, Sinne anzusprechen, den Leser in die jeweilige Szene zu versetzen. Was umso bemerkenswerter ist, als dass das ganze Buch ohne irgendwelche Fotos auskommt. Keiner der Protagonisten ist also wirklich zu sehen. In Erinnerung bleiben dann Szenen wie die vom Besuch eines Hospizes, wo die Mutter einer Freundin ihre letzten Tage verbringt: Nicht wissend, dass es dort als Symbol für den inzwischen eingetretenen Tod gehandhabt wird, hatte Heike Fink einen noch nicht überreichten Blumenstrauß vor der Zimmertür geparkt. Mit dem Resultat, dass eine der Schwestern hereinkommt mit einem Beileid auf den Lippen und der Frage: "Wann ist ihre Mutter denn gestorben?". Und immer mal wieder gibt es ein paar Passagen, die einen berühren und etwas in der Tiefe ins Schwingen bringen.


Wenn die Leiterin des Kinderhospizes davon berichtet, dass es ihrer Erfahrung nach die Kinder selbst sind, die frei über den Zeitpunkt ihres - natürlichen! - Todes entscheiden. Wenn sich Heike Fink nach dem Besuch eines Hospizes eine persönliche Top Ten der schönsten Dinge des Lebens anlegt. Wenn ein Ballettchoreograph den vielleicht intuitiv gelassensten Zugang zum Tod findet und sagt, man müsse ihn vielleicht einfach umarmen. Und am Ende findet auch Heike Fink ein kleines Stückchen Transzendenz. Wie gesagt, mit am eindrucksvollsten für mich war tatsächlich die Passage mit dem Märchenforscher. Was zum einen daran liegt, dass ich selbst in den todesdurchtränktesten Märchen nicht soviele Todessymbole habe sehe können, wie sie doch darin zu entdecken sind. Was sicherlich auch daran liegt, dass ich derzeit viel mit Kindern und dem Vorlesen von Märchen beschäftigt bin (und durch die Buchlektüre feststellen musste, dass Märchen eigentlich überhaupt nicht für Kinder geeignet sind, weil es letztlich oft um Menstruation, Erwachsenwerden und das Überwinden des Todes geht, aber sei' s drum).


Beim Dornröschen steht der Stich mit der Spindel übrigens als Sinnbild für die erste Menstruation. Diese Erkenntnis war selbst mir nicht ganz so neu. Aber dass die dann folgenden 100 Jahre an Schlaf und Stillstand als Symbol für die Pubertät gelten sollen, fand ich faszinierend. Und, ja, das macht irgendwie Sinn: Trotz all der Wirrnis in einem drin und trotz all der hormonellen Sturm-und-Drang-Überflutung und trotz aller tatsächlich stattfindenen Entwicklung im Innen wie im Außen habe ich diese Jahre meines Lebens auch manches Mal so erlebt -als großen Stillstand. Das ist jetzt anders. Auch, und da schließt sich der Kreis - durch die häufige Beschäftigung mit dem Tod. Denn die führt einen unmittelbar zurück ins Leben.

"Mein Jahr mit dem Tod" von Heike Fink ist erschienen im Sommer 2018 im Gütersloher Verlagshaus als Hardcover, gebunden, 317 Seiten, 20 Euro.

Übrigens: Noch ein lesenswertes Buch, das viele weitere Tipps enthält und im lockeren Tonfall existenzielle Fragen rund um den Tod behandelt, ist "The End" von Eric Wrede, hier geht es zu einer Besprechung. 

Transparenzhinweis: Das Buch ist mir auf Bitten der Autorin zur Besprechung vom Verlag als Rezensionsexemplar zugeschickt worden.

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Der Autor dieser Zeilen 
bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Er hält auch Vorträge zum Thema Trauer und Umgang mit Trauernden. Mehr Infos gibt es hier

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Männertrauergruppe in der Region Osnabrück: Offene Gruppe, Einstieg jederzeit möglich - alle Infos über die Gruppe gibt es hier


Ebenfalls auf diesem Blog: Wenn Töne und Texte die Seele ins Schwingen bringen, Teil #01: Serie über Trauer und Musik - die besten Songs und Alben über Trauer und Tod 

Was einem helfen kann - Fotoaktion: Kraftquellen Fotografie, Kreativität & Gestaltung: Wie das Fotografieren mir den Zen-Buddhismus näherbringt

Ebenfalls auf diesem Blog: Die merkwürdige Beständigkeit der Dinge - warum das Wegwerfen von Sachen für Menschen in einer Trauerkrise erstmal nicht möglich ist

Ebenfalls auf diesem Blog: Der Fluch der Tapferkeit - warum es Menschen in der modernen Gesellschaft so schwer fällt Trauer als etwas Normales anzuerkennen

Ebenfalls auf diesem Blog: Wer Öffentlichkeit will, muss sie selbst herstellen - Praxis-Tipps für gute Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Hospiz-, Trauer & Palliativinitiativen


Und im Kultur-Blog des Autors: Wie man als Autor vom Schreiben leben kann - Tipps für Hobbyautoren von einem echten Profi (und ein Plädoyer fürs Selfpublishing)


Donnerstag, 10. Januar 2019

Wir müssen besser mit dem Tod umgehen lernen - und mit unseren Toten (und wir müssen den Kindern den Tod gut vermitteln)... - Noch ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer neuen Trauerkultur und Bestattungskultur - der Berliner Bestattungs-Revoluzzer Eric Wrede hat ein Buch geschrieben - warum "The End" zur gesellschaftlichen Pflichtlektüre werden sollte (Buchtipp)

Osnabrück/Berlin - Immer mehr Bücher und immer mehr Akteure gibt es heutzutage, die eine wichtige Botschaft vermitteln: Wir brauchen eine neue Trauer- und Bestattungskultur in unserer Gesellschaft. Wir brauchen wieder eine gemeinsame Sprache für diese Dinge, ein gemeinsames Verständnis und neue, uns alle verbindende Rituale. Diese Thesen sind hier auf diesem Blog schon desöfteren geäußert worden - und nun gibt es ein neues und grandioses und meiner Meinung nach durchaus lesenswertes Buch, das diesen Bogen noch weiter spannt. Geschrieben von einem Mann, dessen Lebensgeschichte alleine schon ein halbes Buch wert ist - was er nun auch selbst erkannt hat, weswegen seine eigene Geschichte einen kleineren Teil des Werkes füllt. Aber eben nur einen kleineren Teil: Die Rede ist von Eric Wrede, der schon mehrmals als Gast auf der Bremer Messe "Leben und Tod" dabei war. Hatte er einstmals beim Musikgiganten Motor Music/Universal für Bands wie Selig und Polarkeis 18 ("Allein allein") gearbeitet, schmiss er eines Tages alles hin - um ein eigenes Bestattungsunternehmen aufzumachen. Aus enorm guten Gründen. 

"Warum gibt es eigentlich keine GPS-erfassten Grabstellen? Bei einer Seebestattung bekommen die Angehörigen die exakten Koordinaten übermittelt, wo die Seeurne im Wasser versenkt wurde. Auf Friedhöfen schert das niemanden" - Es sind Impulse und Absätze wie diese, die mich dieses Buch so mögen lassen: Gleichsam hemdsärmelig und trotzdem mit ganz viel Wärme und Verständnis für Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise geschrieben, immer ganz nah dran am eigentlich Machbaren, gibt das Buch vielfältige Ideen und Anregungen für moderne und entstaubte Trauerfeiern, für das eigene Sterben und für die Begleitung von Trauernden - vor allem auch: trauernden Kindern. Gerade an diesen Stellen ist das Buch besonders gut. Und es hat mich selbst dazu gebracht, dass ich meine eigenen schon länger vorbereiteten Verfügungen für mein Lebensende nochmal überarbeiten möchte. Beispielsweise weil mir die Idee so gut gefällt, die besten Freunde zu fragen, ob sie dann ggf. den Sarg tragen würden/könnten.


Eric Wrede und sein Absprung: Aus dem Musikzirkus hinein in die Bestattungsbranche... (Random-House-/Erik-Weiss-Foto mit freundlicher Genehmigung).

Das Buch beginnt dann auch gleich mit Eric Wredes Testament - bzw. mit einem Auszug daraus. Klingt nach Nabelschau, ist aber extrem lehrreich, denn in nur wenigen Zeilen macht Wrede eindrucksvoll deutlich, wie einfach so etwas sein kann und dass es kein halbes oder ganzes juristisches Studium braucht, um eine eindeutige und sehr klare Verfügung zu verfassen. Soviel sei vorab schon verraten: Auf seinem Grabstein soll stehen: 'E. W., ich habe gelebt.' Später erfahren wir: Bei seiner eigenen Bestattung sollen später mal die Kings und John Cale gespielt werden. Auch das hat Eric Wrede bereits verfügt. Da ist  die Nähe zum ehemaligen Musikmanager (A&-R-Manager, für die Auskenner) noch immer spürbar, wie an vielen anderen Stellen des Buches. 

"Schick mir die Post schon ins Spital...." - mit Musik durchs Buch


Die Kapitelüberschriften sind nämlich allesamt Songtitel - die allerdings ein ganz kleines bisschen musikliasches Auskennertum erfordern, wenn auch kein Spezialwissen. Darunter sind beispielsweise "Bring mir die Post schon ins Spital" von der österreichischen Rock'n'Roll-Kapelle Wanda, die im Konzert zu erleben ein enormer Spaß sein kann, oder "Keep Me In Your Heart" von Warron Zevon, das dieser - bereits um seinen nahenden Tod wissend - auf seinem bewegenden Album "The Wind" veröffentlichte. Der Song wird in meiner ganz eigenen Serie rund um "die hilfreichsten und wirkmächtigsten Songs und Alben über Trauer, Tod und Sterben" ganz sicher auch noch an die Reihe kommen (die erste Folge dieser Serie findet sich hier).


Alle weiteren Fotos: Thomas Achenbach.

Besonders erfreulich an dem Buch: Die Kinder nehmen darin viel Raum ein Beziehungsweise die Frage: Wie gehen Kinder eigentlich mit dem Tod um? Auch hier kann Eric Wrede viele hervorragende Praxistipps anbieten, wie man das Thema mit Kindern am besten besprechen kann – und wieviel die Erwachsenen dabei immer wieder falsch machen in der irrigen Annahme, die Kinder vor diesem Thema irgendwie schützen zu müssen (auch das war bereits ein viel beachtetes Thema hier auf diesm Blog – bei Interesse hier klicken). Denn Kinder haben oft ganz pragmatische Alltagsfragen, wenn es um den Tod geht. Pupst der noch, beispielsweise. Aber eben auch ganz praktische Fragen des Alltagslebens. Wenn die Oma sterben kann, dann vielleicht auch die Mama – aber wer kocht denn dann noch für mich?  Wir sprechen nämlich ganz falsch vom Tod, sagt Eric Wrede an einer Stelle. Und auch damit trifft er voll ins Schwarze. Wir senken unsere Stimmen, werden bei dem Thema ganz andachtsvoll und würdevoll und irgendwie vorsichtig. Das macht es im Umgang mit Kindern, aber überhaupt im Umgang mit dem Tod, alles nur noch schlimmer. Alleine deswegen sollte das Buch zur gesellschaftlichen Pflichtlektüre werden.



Aber auch wegen der vielen brauchbaren Praxistipps ist es viel wert: Dass es beispielsweise, wenn man sich das leisten kann, enorm sinnvoll sein kann, für seine Trauerfeier gleich eine Doppelfeier zu beantragen, um die extrem kurz getakteten Zeiten in den Friedhofskapellen von maximal 20 bis 30 Minuten für eine Trauerfeier einfach für sich verlängern zu können. Dass es eine schöne Idee sein kann, die Gäste einer Trauerfeier in Form eines kleinen persönlichen Briefes ihre eigenen Erinnerungen an den oder die Verstorbenen aufschreiben zu lassen und diese Briefe dann zu sammeln und zu einer großen Erinnerungsmappe zusammenzutragen. Und dass überhaupt die Trauerfeiern viel individueller auf den Menschen ausgerichtet sein müssen, der dort begraben wird - Eric Wrede erinnert sich an einen etwa 50-Jährigen, dessen Leidenschaft Progressive Metal gewesen ist - also wirklich wirklich frickeliges Musikzeugs, 20 Minuten Laufzeit pro Stück, zahlreiche Tempiwechsel und so. Also hörte sich die gesamte Trauergemeinde auf der Trauerfeier durch solcherlei Musikstücke durch. Das war sauanstrengend - und es wurde dem Menschen, der da gestorben war, tausendmal gerechter als jede staubüberzogene Normalfeier. Am Ende des Buches finden sich in einer Art Serviceteil noch die wichtigsten Informationen zum Thema Bestattungen, wichtige Dokumente, die auch im Internet als Download bereitstehen. Auch das ist hilfreich.


In einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Urne ausgebuddelt...


Ebenfalls spannend: Der Blick hinter die Kulissen der Bestatterszene, den Eric Wrede immer wieder unternimmt. Die Schilderungen des Bestatteralltags, die kuriosen, rührenden, harten, aber teils auch lustigen Ereignisse, die es dort gegeben hat. Manchmal wird Wrede dabei ein wenig zynisch, wenn auch zur Recht – wenn er von Bestatterkollegen berichtet, die die toten Omas mit ihren vollen Windeln lieblos in den Sarg hineinwerfen… Kommt leider alles vor, wie Wrede mehrmals erfahren hat. Was auch schon vorgekommen ist: Dass er in einer nicht genehmigten Nacht-und-Nebel-Aktion eine Urne ausgebuddelt hat. Aber leider die falsche. Das ist übrigens ein großer Pluspunkt dieses Buches: Der charmante Plauderton, den Eric Wrede gekonnt anschlagen kann (oder war es ggf. doch sein Ghostwriter – die Dankesworte am Ende des Buches ließen einen solchen Schluss jedenfalls zu). Und es gibt noch mehr.


Denn aufgelockert wird das Buch durch eingestreute Interviews mit Prominenten wie beispielsweise Judith Holofernes, wobei diese Texte jedoch eine Zweitverwertung von bereits auf Eric Wredes Podcast veröffentlichten Sprachbeiträgen sind (der Podcast trägt übrigens gleichfalls den Namen "The End"). Sei's drum, für mich, der ich nicht die Zeit hatte, die Podcasts anzuhören, ist die gedruckte Auswertung der Gespräche in dem Buch eine sinnvolle Ergänzung. 

Coole Socke mit grünen Socken: Ein Schnappschuss von Eric Wredes Füßen - der Bestatter war auch bei der Podiumsdiskussion auf der Messe "Leben und Tod" zu Gast und hatte genauso wie die Moderation Bärbel Schäfer knallgrüne Socken an.  (Thomas-Achenbach-Foto)

"The End" von Eric Wrede ist erschienen im Dezember 2018 im Verlag Heyne-Encore als Taschenbuch, 190 Seiten, 16 Euro.

Übrigens: Noch ein lesenswertes Buch, das viele weitere Tipps enthält, ist "Das letzte Hemd hat viele Farbenvon Sabine Bode und David Roth - hier geht es zu einer Besprechung dieses Buches. 

Transparenzhinweis: Das Buch ist mir auf Anfrage vom Verlag bzw. der zuständigen Presseagentur als Rezensionsexemplar zugeschickt worden, vielen Dank dafür, 


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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor des Buches "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag, 17 Euro, erschienen im März 2019. Mehr Infos gibt es hier.

Alle aktuellen Termine, Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare etc. mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link

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