Dienstag, 30. Juni 2020

Was muss ich machen, wenn ich wegen Trauer krankgeschrieben werden möchte? Ist es möglich, eine Krankschreibung bei einem Todesfall zu bekommen und wenn ja, wie? Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um das Thema Trauer und Arbeitsunfähigkeit

Osnabrück - Es ist die von den Lesern meines Blogs am meisten gestellte Frage: Kann ich wegen Trauer krankgeschrieben werden? Hierzu gibt es zwei Dinge zu sagen. Erstens: Nein, nicht so wirklich, weil Trauer an sich nicht als Krankheit gilt, sondern als eine im Grunde gesunde Reaktion auf einen eher unnormalen Ausnahmezustand. Aber genauso wichtig ist, zweitens: Na klar kannst Du Dich krankschreiben lassen - du musst noch nicht einmal die neue dafür geschaffene "Verkomplizierte Trauer" dafür in Anspruch nehmen (alle Infos dazu gibt es hier). Weil es unbestreitbar so ist, dass einen die Symptome von Trauer massiv beeinträchtigen können - so massiv, dass man eben nicht mehr arbeitsfähig ist -, braucht sich auch niemand zu schämen, wenn er sich genau das von einem Arzt attestieren lässt. Aber wie genau geht das? Was muss ich beachten? Und was wird mir der Arzt als Diagnose auf den gelben Schein schreiben? Hier die wichtigsten Antworten auf all diese Fragen.

Zuallererst etwas ganz Wichtiges: Auch wenn es sich allgemein eingebürgert hat, von der "Krankschreibung" zu sprechen oder davon, dass man sich "krankschreiben" lässt, so ist das in Wahrheit falsch. Das zeigt schon ein einzelner Blick auf so einen Gelben Schein. Denn dort oben steht "Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung". Also die Bescheinigung, dass jemand nicht arbeitsfähig ist. Aber: Das heißt nicht automatisch, dass jemand auch krank sein muss. Im Fall von Trauer ist das eine ganz wichtige Unterscheidung. Denn es ist natürlich so, dass die durch Trauer ausgelösten Symptome einen Menschen stark beeinträchtigen können, auch wenn Trauer etwas ganz Normales ist und all diese Symptome zu dem Trauerprozess unmittelbar dazugehören können. Das können zum Beispiel sein: 


Wegen Trauer zum Arzt gehen? Warum denn nicht? (Alle Fotos: Thomas Achenbach)

Konzentrationsschwierigkeiten. Die Unfähigkeit, einen Text lesen zu können. Große innere Unruhe. Eine kaum stillbare und alles überstrahlende Sehnsucht nach den gestorbenen Menschen (auch noch lange nach seinem Tod). Schlafstörungen. Antriebslosigkeit. Appetitlosigkeit. Gedanken, die immer nur um das eine kreisen und nichts anderes zulassen... Das alles und mehr kann dazugehören, in verschiedenen Heftigkeitsstufen. Kurz: Symptome, die einen Alltag/Berufsalltag in ihrer Intensität unmöglich werden lassen. Aber: Das ist alles ganz normal, das geht vielen Menschen so, die jemanden verloren haben.


Trauer macht selten krank - arbeitsunfähig schon eher


Wer mit diesen Symptomen zum Arzt geht, bekommt also eine solche Bescheinigung einer  Arbeitsunfähigkeit, das ist kein Problem und wird von den meisten Hausärzten so umgesetzt - meistens wird dann eine "Anpassungsstörung" oder eine "Akute Belastungsreaktion" als Grund auf dem Gelben Schein angegeben, zwei Sammelbegriffe, unter denen sich viele der leichteren bis mittelschweren psychischen Reaktionen auf eine menschliche Krisensituation zusammenfassen lassen. Das ist nichts, weswegen man sich schämen müsste. Das ist alles: Ganz normal. Von Trauer an sich steht dort allerdings nichts. Denn bislang ist es technisch gesehen nicht möglich, sich alleine wegen Trauer auch medizinisch behandeln zu lassen - geschweige denn sich wegen Trauer alleine krankschreiben zu lassen. Denn Trauer und deren Folgen sind so nicht vorgesehen – jedenfalls nicht im Diagnose-System der Weltgesundheitsorganisation, der ICD ("International Statistical Classification Of Disease and Related Heath Problems"), die bei allen Hausärzten und niedergelassenen Ärzten zum Einsatz kommt



Ab dem 1. Januar 2022 soll sich das übrigens ändern. Denn dann möchte die WHO - die World Health Organisation - in der ab diesem Tag gültig werdenden ICD 11 die "Anhaltende Trauerstörung" als neue Diagnosemöglichkeit einführen, die jedoch erst greift, wenn die Symptome sehr massiv sind und länger als ein halbes Jahr andauern. Derzeit ist diese neue Diagnosedefinition hinter den Kulissen noch in der Diskussion - und durchaus nicht unumstritten. Wohlgemerkt: Die Trauer soll dort explizit Bereich der psychologischen bzw. psychiatrisch zu behandelnden Störungen angesiedelt sein - und genau das ist im Augenblick der Gegenstand von zahlreichen Diskussionen und Empörungen, die ich in einem separaten Beitrag auf diesem Blog zusammengefasst habe (hier klicken).



Aber auch nach dem 1. Januar 2022 wird es so sein, dass die Reaktionen auf einen Verlust im ersten halben Jahr weiterhin als ""Anpassungsstörung" oder als "Akute Belastungsreaktion" beschrieben werden. Was im Fall von Trauer ja auch passt: Denn an eine solche für die menschliche Seele ungewohnte Ausnahmesituation muss man sich erst einmal anzupassen lernen, das ist für uns Menschen schon schwierig genug. Darf man sich als guten Gewissens wegen Trauer "krankschreiben" lassen? Nein, krank nicht. Aber arbeitsunfähig - auf jeden Fall. 

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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor der Bücher "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag und "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise", 220 Seiten, Campus-Verlag. Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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Ebenfalls auf diesem Blog: Der Trick mit der Selbstwirksamkeit - wie wir uns selbst gut in seelischen Krisen helfen können: psychologische Tipps

Ebenfalls auf diesem Blog: 27 gute Rituale für eine Trauerfeier - wie sich eine Gedenkfeier so gestalten lässt, das sie den Angehörigen/Trauenden gut tun kann

Ebenfalls auf diesem Blog: Warum sich Trauernde förmlich zerrissen fühlen  - eine Einführung in das "Duale Prozessmodell der Trauer" und seine Fallstricke

Ebenfalls auf diesem Blog: Warum sich ein Suizid viel öfter verhindern ließe als wir das glauben und warum es so wichtig ist, immer wieder darüber zu reden

Ebenfalls auf diesem Blog: Tipps zum Umgang mit Trauernden und Trauer - was Menschen in einer Verlustkrise hilft, was man Trauernden sagen kann 

Ebenfalls auf diesem Blog: Ist Trauerbegleitung ein echter Beruf? Kann man von Trauerbegleitung leben? Und wie werde ich überhaupt Trauerbegleiter?  

Der neue Podcast von Thomas Achenbach: "Trauergeschichten - Menschgeschichten", Gespräche über Leben, Tod und Sterben, jetzt online

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Mittwoch, 24. Juni 2020

Warum Anja Pawlowski immer "... ein Stück untröstlich" bleiben wird und warum es so gut ist, dass ihre Leidensgeschichte mitterweile auch in Buchform vorliegt - wertvolle Einblicke in die vielen Facetten und die ambivalenten Gefühle auf einem Trauerweg

Osnabrück - Es ist eine der wichtigsten Passagen in diesem Buch: Die wenigen Absätze, in denen die Bloggerin Anja von ihrer Wut auf ihren verstorbenen Mann erzählt. Davon, dass er sie manches Mal um Geld betrogen hatte und die für gemeinsame Projekte gedachten Rücklagen manches Mal versackert waren... in einem "magischen Loch". Darf man sowas über Tote sagen? Darf man davon noch berichten? Müssten die Gestorbenen nicht einfach nur in ihrem besten Licht geschildert und betrachtet werden? Zumal Anja soviel Gutes über Andreas, ihren gestorbenen Mann, zu berichten weiß und diese wenigen Worte eine Ausnahme bilden. Hier zeigt sich eindrucksvoll, wie facettenreich und ambivalent sich ein Trauerprozess entwickeln kann. Und genau das ist eines der größten Verdienste von Anja Pawlowskis Blog und dem daraus resultierenden Buch: Dass sie uns so unmittelbar und hautnah teilhaben lässt an dem, was sie innerlich beschäftigt.

Auch so lässt sich inneres Leiden in Worte kleiden: Ein bisschen schnodderig, ein bisschen unangepasst, immer frei nach Schnauze und mit ganz viel Herzlichkeit. Frei von der Leber weg - und direkt aus der Seele geflossen. Genauso schreibt Anja Pawlowski, die oben an der Ostsee wohnt und sich deswegen in sozialen Kanälen "Lübschesprotte" nennen darf. In ihrem Blog "Ein Stück untröstlich" erzählt sie der Welt seit Juli 2017 die Geschichte ihrer Trauer - und die von ihrem Mann Andreas, der 2014 ziemlich überraschend an einem Hirntumor starb. Die ersten 41 Beiträge ihres Blogs liegen seit einiger Zeit auch als Buch vor, hübsch oldfashioned auf Papier und so. Und was dieses Buch so wertvoll macht, ist seine komplett ungefilterte Authentizität. 


Anja Pawlowski im Jahr 2020 (Foto: Andre Leisner, mit freundlicher Genehmigung).

Bei mir zuhause liegt das Buch nun schon eine ganze Weile herum. Nicht ungelesen, aber unbesprochen. Anja hatte es mir auf der Messe "Leben und Tod" im Jahr 2019 persönlich überreicht, da war es gerade ganz frisch erschienen. Wir kennen uns durch unser beider Blogger-Aktivitäten schon länger persönlich und ich hatte zudem das Vergnügen, sie für meinen Blog schon einmal interviewen zu dürfen. Auf der Messe hatte ich ihr eine Besprechung ihres Buches Blog fest zugesagt. Das hat dann allerdings eine Weile gedauert, länger als gedacht, weil erst noch meine eigenen Buchprojekte, Vorträge, Workshops und Lesungen dazwischenkamen. Dann kam Corona, alles auf Halt, das war schlecht. Aber ich hatte endlich genug Zeit für das Schreiben über aktuelle Bücher und das Lesen von frisch erschienen Büchern. Das war gut. Ambivalent, auch das. Wie das ganze Leben, immer. 


Grrrrrrrrrrrr........ ! ! !  Und: Stampf ! ! 


Waaaaassss? Grrrrrr.... Und: Stampf! Nicht selten geht es in Anjas Blog und in ihrem Buch zu wie in einem Comic. Das passt ganz wunderbar in diese Welt, in die wir da eintauchen dürfen. Denn Anjas Motto, so steht es auf dem Rückumschlag zu lesen, lautet: Einfach mal machen, kann ja auch gut werden. Genauso hat sie auch ihren Blog gestartet. Ist gut geworden. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass Anja gleich von Beginn an dieser Spagat gelingt, der ihre größte Qualität ist und bleiben wird: Einerseits durchmessen ihre Texte durchaus die Tiefe ihrer Trauer, andererseits sind sie von einer Leichtigkeit und Lebendigkeit durchzogen, dass das Lesen tatsächlich - und das will mal was heißen bei einem Buch über Trauer - ein lockerleichtes Vergnügen sein kann. "Es geht um Trauer - UND um Lebensfreude", schreibt Anja über ihren Blog. Das muss man auch erstmal schaffen, sowas - Respekt, Anja!

(Dieses und das folgende Foto: Thomas Achenbach)

Drei Jahre sind bereits vergangen seit dem Tod von Andreas, als Anja Pawlowski 2017 ihren ersten Blogbeitrag veröffentlicht. Und schon dieser erste Text macht deutlich, wie gut strukturiert Anja ihre Gedankenwege und Innenwelten bereits durchfahren kann. Was ihr dabei bisher geholfen hat, in diesen ersten drei Jahren, findet sich in einer Liste, mit der Anjas persönliches Bekenntnisbloggen beginnt. Gleichzeitig hebt sie das Thema Trauer damit auf eine Metaebene, indem sie auch für andere umzirkelt, was hilfreich sein kann. Und genauso geht es weiter. Immer mal wieder spricht Anja ihre Leser direkt an und regt sie zum Mitdenken an ("Und was hilft Dir?"), was ihren Blog fast auf Ratgeberniveau hebt. Das mag für manche Leser sicher hilfreich sein, ich persönlich lese allerdings lieber die ganz persönlichen Reiseberichte dieser Nachtfahrten durch Anjas Seelenleben. 


Schuldgefühle, Fassungslosigkeit, Behördengedöns


Und was das angeht, hat sie einiges zu bieten. Eine immer wieder aufploppende Fassungslosigkeit, auch noch vier Jahre nach dem Tod ("Er ist weg, einfach weg, wirklich weg!"). Die sich immer mal wieder zu Wort meldenden Schuldgefühle, zum Beispiel weil der erste Mann, mit dem sie zusammen einen Sohn auf die Welt brachte, ebenfalls starb und weil für sie manchmal die Frage im Raum steht, ob sie eine Art Todesfluch über die Männer bringt. Aber auch die Qualen, die Behörden und der Papierkram bei ihr auslösen: Denn obwohl sie Andreas als ihren Mann bezeichnet, waren die beiden nie offiziell verheiratet. Das war für die Qualität ihrer Beziehung nie ein Problem, ist es aber von behördlicher Seite - denn wer nicht verheiratet ist, darf offiziell auch nicht Witwe sein. Auch wenn es sich tausendmal so anfühlt, auf dem Papier geht das nicht. Jedenfalls auf deutschem Behördenpapier.


All diese Facetten und mehr beleuchtet Anja in mal kürzeren, mal längeren Passagen. Und schließlich reift in ihr eine wesentliche Erkenntnis, die auch für alle anderen Menschen in einer Verlustsituation eine hilfreiche Botschaft darstellen kann: "Ich darf ein Stück untröstlich bleiben! Dieser Satz ist für mich der größte Schatz, den ich während meiner Trauerarbeit erspürt habe." Dass Anja mit dieser Arbeit noch lange nicht fertig ist, wenn auch auf einem guten Weg, zeigt ein Blick auf ihren Blog "Ein Stück untröstlich": Da ist sie noch immer aktiv und berichtet zum Beispiel davon, wie sie den fünften Todestag von Andreas erlebt hat. Gibt es bald also ein zweites Buch? Immer noch - ein Stück untröstlich? Wer weiß. Vorerst ist Anja jedenfalls ebenfalls mit Lesungen und Vorträgen unterwegs, zum Beispiel einer Autorenlesung bei der digitalen Version der Messe "Leben und Tod" 2020.  

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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor der Bücher "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag und "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise", 220 Seiten, Campus-Verlag. Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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Ebenfalls auf diesem Blog: Warum sich Trauernde förmlich zerrissen fühlen müssen - eine Einführung in das "Duale Prozessmodell der Trauer" und seine Fallstricke

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Samstag, 20. Juni 2020

Selber weiterleben, obwohl die Schwester ermordet worden ist - in Katrin Bibers Buch "Larissas Vermächtnis" erfahren wir, wie so etwas gehen kann und was diesen Weg so schwer und schmerzvoll macht - eindrucksvolle Einblicke in einen Trauer- und Leidensweg

Osnabrück/Innsbruck - Wer Katrin Biber einmal persönlich kennenlernen durfte, der wird sich an eine offene junge Österreicherin erinnern, die viel Positives ausstrahlt. Kaum vorstellbar, dass sich diese lebenslustige Frau, die sich gerne mit "I' bin die Katy" vorstellt, einmal ein Messer an die Pulsschlagadern gehalten und beinahe zugestochen hätte. Dass sie das tun wollte, weil ihr innerer Schmerz so unaushaltbar geworden war, dass sie sich nicht mehr anders zu helfen wusste. So beschreibt Katrin Bieber es in ihrem frisch erschienen Buch "Larissas Vermächtnis", in dem sie die Geschichte von ihrer ermordeten Schwester erzählt. Und die Geschichte ihrer Trauer darüber. Es ist aus mehrfachen Gründen lesenswert - auch wenn man vorab wissen sollte, was einen in diesem Buch erwartet.

Der Umschlag des Buches ist eher fröhlich gehalten. Pastelltöne in Rosa dominieren das Design, zwei Schmetterlinge zieren die Titelseite. "Papa", sagt meine sechsjährige Tochter überrascht zu mir, während ich in dem Buch stöbere, "du liest ja ein Frauenbuch!" In gewisser Weise hat sie ja sogar recht, hier geht es vor allem um Frauen. Doch darf der Umschlag des Buches nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Inhalt bitterernsten Stoff enthält. Es ist die Geschichte einer erwürgten Frau und die Geschichte ihrer Schwester, die darüber fast den Verstand verliert. Was soll sie auch sonst tun angesichts der Tragik dieser Ereignisse?

(Foto: Thomas Achenbach)

Dass dieser Blogartikel über Katys Buch an einem 20. Juni erscheint, hat sich einerseits zufällig so ergeben, weil ich passend ein paar Tage vorher mit dem Lesen des Buches fertig war - aber es ist auch aus einem zweiten Grund wichtig, dass sich das so gefügt hat. Denn am 20. Juni ist Larissas Geburtstag. Und an diesem Tag hat Katy vor einigen Jahren schon einen gemeinsamen Lauf in Erinnerung an ihre so sportliche Schwester veranstaltet, von dem sie ebenfalls in ihrem Buch berichtet - und der prägend war für ihre neue Lebensphase. Aber dazu später mehr. 


Angelegt wie ein biographischer Roman


Katy hat sich dazu entschieden, ihr Buch mehr wie einen biographischen Roman anzulegen - es gibt beispielsiwese sehr viele Dialoge, die Katy aus der Erinnerung wiedergegeben hat. Warum sie sich für diesen Weg entschieden hat, dazu findet sich ein Hinweis im Prolog zu dem Buch: Katy hat sich schon früher mit dem Schreiben beschäftigt und hat, wie viele andere Hobby-Autoren (und ich), das dazu passende und ziemlich geniale Buch von Stephen King gelesen: "Vom Lesen und Schreiben". Aus dem zitiert sie am Anfang. Passenderweise ist nun auch Katys Buch keine Aufzählung innerer Gedanken geworden, sondern ein fast filmisches Erlebnis von aneinandergereihten Szenen - das ist Segen und Fluch zugleich.


Katrin Biber (Foto: Peter Koren/Pieper-Verlag, mit freundlicher Genehmigung) 

Ein Segen ist es, weil das Buch ein echter "Pageturner" ist. Rasant erzählt, ebenso rasant durchgelesen, nicht eine Sekunde langweilig und trotz einiger - weniger - etwas holpernder Dialoge wirklich gut geschrieben. Zu einem Fluch kann es werden, weil der Leser sich immer wieder selbst daran erinnern muss: Nein, das ist kein Fernsehkrimi, keine Unterhaltung, keine Fiktion. Auch wenn Larissas Todesart dazu passen würde. Mord, das ist Spektakel und Sensation, das ist Gänsehautgrusel und Exotik, das ist Krimistoff und Boulevardpresse. Wenn wir von einem Mord lesen, sind wir ganz automatisch in so einem Zustand flirrender Anspannung - von dem wir uns leicht wieder befreien können, indem wir einfach das Buch zuklappen. Und vielleicht schaudernd die Schultern hochziehen. Katy kann das alles nicht, sie konnte es nie. Für sie ist der Mord an ihrer Schwester bittere Realität. Und bei der Lektüre ihres Buches muss sich der geneigte Leser manches Mal in den Arm kneifen, um sich in Erinnerung zu rufen, dass das hier Wirklichkeit ist. 


Und der Mörder sagt: "Heute ist Waschtag"


Dass der Sensationsfaktor des Geschilderten nie überhandnimmt, ist Katys schriftstellerischer Fähigkeit geschuldet, immer im richtigen Moment wieder ihr Innenleben einzublenden. So hält sich das Erzählte angemessen die Waage. Im September 2013 feiern Katrin Biber und ihre Schwester Larissa gemeinsam mit anderen in einer Bar, bis sich Larissa und ihr neuer Freund in seine Wohnung zurückziehen. Von dort wird Larissa nie wieder lebend zurückkehren. In einem Anfall von Eifersucht hatte Larissas Freund, mit dem die 21-Jährige erst seit kurzem zusammen war, sie erwürgt. Die Leiche hatte er im Inn, also einem Fluss, "entsorgt". Weil er sich anfangs noch an der Suche nach der Toten beteiligt, hat an seiner Unschuld kaum jemand Zweifel, obwohl er immer wieder verdächtige Zeichen hinterlässt. Dass Katy bei dem Mörder ihrer Schwester in der Wohnung gewesen ist, wo sich dieser mit einem "Heute ist Waschtag" aus der Affäre zu ziehen versucht angesichts der Frage, warum die am Todestag aufgezogene Bettwäsche schon frisch gereinigt ist, ist nur eine dieser Szenen, die beim Leser die Kinnlade runterklappen lassen. Und wieder ein Kneifen in den Arm: Nein, es ist kein Krimi. Dass das Leben solche Drehbücher schreiben kann, unfassbar!


(Foto: Thomas Achenbach)

Von diesem Moment an nehmen zwei wie in einer DNA miteinander verwobene Erzählstränge den Leser mit auf die Reise: Einerseits erfahren wir nach und nach, wie der Täter doch noch überführt und schließlich vor Gericht gestellt wird. Andererseits aber efahren wir, was das mit Katy und mit ihrer Familie gemacht hat. Letzteres ist der Teil, der mich persönlich am meisten interessiert hat. Denn ich will nicht verhehlen, dass ich aus meiner Position als Trauerbegleiter heraus mit einer speziellen Fragestellung an die Lektüre herangegangen bin - eine Fragestellung, von der ich mir vorstellen könnte, dass sie noch andere in Therapie und Trauerbegleitung aktive Menschen interessieren könnte: Müssten wir bei Menschen, die wegen eines Mordes trauern, andere Themen und Fragen besprechen als bei, sagen wir, Suizid oder Unfalltod? Oder sind die dadurch ausgelösten Gefühle und ggf. Traumata vergleichbar? Haben wir es mit vergleichbaren Prozessen zu tun? Katys schonungsloser Seelenbericht kann da wertvolle Hinweise liefern. Und, siehe da, vieles ist tatsächlich vergleichbar. Natürlich ist der Trauerweg, den Katy gehen muss, unsagbar schmerzvoll und brutal. Aber nicht bloß für sie.


Das Familiensystem ist völlig überfordert


So nimmt Katy ihre Leser mit zu Therapiesitzungen der ganzen Familie, sie zeigt - mit nachträglichem Verständnis kommentiert -, wie jeder in diesem Konstrukt seine eigenen Themen behandeln muss und seine eigenen Anforderungen an sich selbst und seine Trauer stellt. Alleine schon dieser eindrucksvolle Einblick in ein überfordertes Familiensystem macht das Buch zu etwas Besonderem. Überhaupt ist es gut, dass Katy manches von dem Geschilderten mit einer persönlichen Einordnung versieht - die unerträglichen Gefühle, an dem Mord selbst die Schuld zu tragen beispielsweise, weil sie Larissa aus der Kneipe hat weggehen lassen. Heute weiß Katy, dass solche Schuldgefühle zu einem Trauerprozess fast immer dazugehören und dass sie eine wesentliche Funktion darin haben. Und auch sonst lässt sich viel Wissenswertes in dem Buch entdecken.


Interview auf der Messe Leben und Tod 2018 - Katy (rechts) interviewt Silke Szymura (links) und mich (Youtube-/Achenbach-Screenshot).

Angehenden oder aktiven Notfallseelsorgern, allen Rettungskräften oder Polizeibeamten sei hiermit vor allem jene Passage ans Herz gelegt, in der die Familie vom Kriseninterventionsteam daheim besucht wird und in der sie zum ersten Mal die Nachricht erhält, dass es erstens ein Mord war und dass zweitens Larissas Freund der Täter war - in Katys Erzählung von diesem Besuch wird eindringlich klar, dass alles, was nach dieser Botschaft noch gesagt wird, überhaupt nicht mehr bei den Menschen ankommt, dass es nicht mehr ankommen kann. Dass das Gesagte beim Überbringen einer Todesnachricht nicht das Wichtige ist, sondern das Da-Sein, das Wie, das Seelsorgerische. Was aktive oder angehende Trauerbegleiter aus diesem Buch mitnehmen können, ist vieles, was oft zum Trauerprozess dazugehören kannDer Neid auf das unversehrte Leben der anderen Menschen, selbst derer, die aktiv Hilfe leisten; die krassen körperlichen Reaktionen auf das Trauma, der Haarausfall, der Kraftverlust; die Flucht in den Rausch durch Alkohol, gerne auch schon vormittags;  die überall lauernden Trigger, beispielsweise der Anblick von Flüssen oder die Menschen, die unachtsam mit Worten umgehen ("Ich bin so schnell gejoggt, ich wäre fast gestorben"); das eigene Nacherlebenwollen der Todesart durch ein Sich-selbst-würgen; das Nachsterbenwollen; die verzweifelte Suche nach einem Sinn in dem Geschehen... und viel mehr.


Mystische Erfahrungen brauchen auch Nichtgläubige


Auch jene Leser, die selbst gerade eine Trauer- und Verlustkrise durchleiden, finden Hilfreiches in dem Buch für ihren eigenen Prozess - und sei es nur die Erlaubnis, dass es beim ersten Weihnachtsfest ohne den gestorbenen Menschen (und den folgenden) durchaus auch mal traurig zugehen darf. Oder die Tatsache, dass sich selbst Katy als nichtgläubige Atheistin einen wie auch immer erlebten mystischen Kontakt zu ihrer Schwester zugesteht - oder um es in den Worten des durchlebten Trauerprozesses zu formulieren: Dass sie ihre Schwester anderswo zu verorten versteht, was ein gutes Gefühl sein kann. Sie spürt die Anwesenheit ihrer Schwester und sucht das Gespräch mit ihr, manchmal, und das tut ihr gut. Und dass es gut tun kann, Briefe an die Verstorbenen zu schreiben, ob in einem kleinen Notizbuch, so wie Katy es tut, oder jeweils auf separatem Papier. 


(Foto: Thomas Achenbach)

Am Ende ihres Buchs beschreibt Katy in wenigen Absätzen ihre Wandlung von der nichtsportlichen Alkoholliebhaberin zur Inhaberin einer Firma für Fitnessangebote in seelischen Notlagen, dem von ihr entwickelten "Seelensport" - ein für sich besonders wohltuender Schritt, weil Larissa so sportlich war und weil ein Teil von Larissa in Katys Sportangeboten weiterlebt. Als Erbe auf dieser Welt. Und damit noch einmal zurück zum ersten Eindruck, den man beim Kennenlernen von Katy bekommt: Eine sportliche, durchtrainierte und fröhliche junge Frau. So wie ganz sicher auch Larissa es war. Und wie sie erinnert wird. 

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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor der Bücher "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag und "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise", 220 Seiten, Campus-Verlag. Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

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Sonntag, 14. Juni 2020

Wie wir Kindern und Teenagern die Themen Tod und Sterben so erklären können, dass sie auch im späteren Leben ohne Ängste und Unsicherheiten damit umzugehen wissen - Wissens-Experte Ralph Caspers gibt in einem neuen Buch angenehm knackige Tipps und gute Impulse - Die Toten sind gestorben, sie sitzen nicht auf Wolken

Osnabrück - Was Kinder von uns Erwachsenen brauchen, wenn wir ihnen den Tod eines Menschen erklären wollen, íst in Wahrheit ganz wenig. Am besten nur ein ganz kurzer Satz, das reicht. Und das dann erstmal sackenlasssen. Denn worauf wir uns getrost verlassen können, ist das: Wenn die Kinder etwas wissen wollen, dann werden sie uns schon fragen. Aber sie wissen selbst am besten, wann sie wieder mehr Informationen aufnehmen können. Deswegen ist es viel, viel besser, nur zu sagen: Die Oma ist gestorben. Anstatt die Kinder ungefragt mit einem Konglomerat an Informationsbrocken zu überfrachten, die alle gar nicht zusammenpassen wollen: Die Oma ist gestorben, deswegen werden wir sie jetzt in der Erde verbuddeln, aber dann ist die Oma auch im Himmel und guckt von einer Wolke auf uns runter, trotzdem siehst Du sie niemals wieder... Häh?? Wie jetzt? Sich ganz kurz zu halten, auch wenn es schwerfällt, das ist nur einer von vielen Tipps, die der bekannte TV-Moderator Ralph Caspers in seinem neuen Buch gesammelt hat. Ein wertvolles Buch mit vielen guten Hinweisen und Impulsen, nur an wenigen Stellen ein bisschen arg zugespitzt.

"Wenn Papa jetzt tot ist, muss er dann sterben?" - Schon der Titel seines neuen Buches ist original Ralph Caspers. Ein bisschen augenzwinkernd und ironisch, gleichsam aber seine Zielgruppe ganz ernstnehmend. Und den Autoren - den kennt jedes Kind. Sei es aus der "Sendung mit der Maus", aus dem Kika, aus der Sendung "Wissen macht Aah" oder einem anderen Fernsehformat. Immer ein bisschen nerdig, immer ein bisschen witzig, ein guter Typ. Was nur die wenigsten wissen: Ralph Caspers hat im Alter von 15 Jahren seinen Vater verloren. Und er war dann vermutlich mit all den Erfahrungen konfrontiert, denen er jetzt mit seinem Buch entgegentritt: Vor allem die Hilflosigkeit und eigentlich gut gemeinte Ungeschicktheit der Erwachsenen. Die sind es auch, die die wahre Zielgruppe des Buches sind, auch wenn manche der Passagen sich genausogut als Vorlesestoff für wissbegierige Kinder eignen. Denn Ralph Caspers ist halt einer, der selbst komplexe Sachverhalte wie einen Verwesungsprozess so erklären kann, dass sich echte Aha-Effekte einstellen.


Den kennt man!  Ralph Caspers moderiert unter anderem die TV-Sendung "Quarks" (Foto: WDR-Presse/Linda Meiers, mit freundlicher Genehmigung)

Das gelingt ihm im ersten Teil seines Buches wirklich gut. In angenehm kurzen, angenehm verdichteten, dabei aber wunderbar simplen Informationshappen arbeitet sich Caspers in munterem Plauderton durch alles, was Kinder (und Erwachsene) zum Thema Tod, Trauer und Sterben so wissen sollten und wissen wollen. Für alle Fragen, mit denen neugierige Kinder ihre überforderten Eltern löchern, gibt es gute Antworten. Darf ich etwas in den Sarg mit hineinlegen (Antwort: Ja, so ziemlich alles, das kann bei der Trauerverarbeitung sogar ein wohltuender Prozess sein). Darf ich auch lachen, wenn ich in Trauer bin (Antwort: Ja, natürlich, Du darfst alles tun, was Dir gut tut). Aber auch tiefergehende Fragen wie: Was kann ich gegen das Vergessen meiner Erinnerungen tun?  Wie schnell muss der Tote abgeholt werden? Was ist, wenn ich mich vor dem Tod noch mit der gestorbenen Person gestritten habe? Und, und, und...  Dabei hat das Buch gleich mehrere Zielgruppen im Blick.


(Dieses und alle folgenden Fotos: Thomas Achenbach)

Immer mal wieder wendet sich Ralph Caspers direkt an die Eltern und beantwortet einige ihrer drängendsten Fragen: Darf ich mich von meinem Kind trösten lassen? Darf ich vor meinem Kind auch weinen? Hier räumt Ralph Caspers mit dem Trugbild auf, dass die Eltern immer die "Starken" sein müssen bzw. dass Starksein eben nichts damit zu tun, sich nicht von Tod und Trauer berührt zu zeigen. Für trauernde Eltern kann es sehr wohltuend und hilfreich sein, wenn sie diese Erlaubnis bekommen. Und die vielleicht allerwichtigste im Buch behandelte Frage lautet: Wieviel Wahrheit vertragen Kinder? Antwort, zusammengefasst: Eine Menge! Vielleicht sogar mehr als die Erwachsenen, manchmal. Das wäre jedenfalls meine ganz persönliche These.


Bittere Pillen zu schlucken - das Thema hat Tiefenwirkung


Eine These, die nicht überall auf Wohlwollen stößt, dessen bin ich mir bewusst. Denn was das Thema Kinder und der Tod angeht, habe ich selbst schon manche bittere Pille schlucken müssen und hier auch schon kontrovers diskutierte Blogbeiträge veröffentlicht ("Bitte nehmt die Kinder mit...." - siehe hier). Was für mich total selbstverständlich wäre, nämlich den Kindern im Falle eines gestorbenen Angehörigen einen möglichst unverkrampften Umgang mit dem Tod anzubieten, indem man sie zum Beispiel fragt, ob sie den toten Körper vielleicht noch einmal sehen möchten, begleitet durch einen Erwachsenen, zum Beispiel, das war für manche meiner allerbesten Freunde fast ein Affront und eine Zumutung. Wie brutal, wie gemein, sowas könne man doch nicht machen... Wäre fast zum Streit gekommen. Mit einem wertvollen Lerneffekt für mich. 



Nämlich diesem: In Sachen Kinder und der Tod niemals die Tiefensprengkraft des Themas unterschätzen. Viele Eltern haben da offenbar eine große Scheu - oder Angst. Was das alles mit Ralph Caspers neuem Buch zu tun  hat? Nun, eine ganze Menge, wie die ersten Amazon-Leserrezensionen des Buches deutlich machen. Denn das Buch erhält dort viel Kritik, vor allem wird seine "Härte" gegenüber den Kindern und sein vermeintlich zu geringer Anteil an "christlichem Glauben" bemängelt. Unverständlicherweise, wie ich finde. Denn, hey Leute, bitte nicht vergessen: Ralph Caspers hat das alles doch selbst erlebt! Also wer, wenn nicht einer wie er, dürfte seine Erfahrungswerte mit der Welt auch in der Form teilen, dass er sagt: Wie ihr damit umgegangen seid, das hat mir nicht gut getan - und deswegen sage ich Euch jetzt mal, was mir stattdessen gut getan hätte. 



Denn genauso ließe sich das Buch ebenfalls lesen. Wobei seine persönliche Geschichte hier allenfalls in kurzen Erwähnungen am Rande thematisiert wird. Die Marke Ralph Caspers ist halt eine Erklärmarke, kein Betroffenheitsprodukt. Diesem Anspruch wird auch "Wenn Papa tot ist..." in all seinen Teilen gerecht. In seinem Mittelteil geht das Buch der Frage nach, welche Besonderheiten jeweils ein spezieller Todesfall mit sich bringen kann und was dann hilfreich sein könnte - dabei werden wie bei einer mathematischen Gleichung alle nur erdenklichen Konstellationen durchgespielt. Gestorben ist (bitte einsetzen): Mutter, Vater, Geschwisterkind, Oma, Opa, Tante, Nachbar, Freund der Familie, Haustier, Schulfreund, Spielfreund, Cousine, Cousin.... you name it. Das von der Trauer betroffene Kind ist (einsetzen): Baby, Kindergartenkind, Grundschulkind, Teenager, in der Pubertät... Das Buch guckt mit großem Verständnis auf all diese erdenklichen Situationen und bietet Erklärungen an. Was wir bei Teenagern zum Beispiel oft erleben, das scheinbar unberührte Weitermachen mit dem Alltag von vor dem Todefall, ist ebenso ganz normal wie das Grundschulkind, das übergangsweise wieder mit dem Bettnässen anfängt. Und vieles mehr.



Aber warum fällt es uns Eltern bloß so schwer, sich auf dieses Thema und seine Besonderheiten einzulassen? Warum erzählen wir unseren Kindern lieber solche Fantasiegeschichten, von denen wir doch genau wissen, dass sie einer realistischen Prüfung durch Kinderfragen niemals standhalten werden? Denn warum sollte man die Oma auf der Wolke nicht besuchen dürfen? Es gibt doch Hubschrauber und Flugzeuge! Warum müssen wir die Oma überhaupt verbuddeln? Wie soll sie denn von unter der Erde nach da oben auf die Wolke gelangen? Nicht wenige Eltern dürften sich angesichts all dieser und weiterer Fragen in einem Wurzelgeflecht mystischer Erläuterungsversuche verfangen haben, die am Ende weitaus esoterischer geworden sind als man sich das anfangs vorgestellt hatte. Und warum tun wir so etwas? Vielleicht, weil uns der Tod selbst soviel Angst macht? Weil wir unseren Kindern die schreckliche Wahrheit "ersparen" wollen, dass wir alle einmal sterben wollen. Alle. Mama, Papa, die Geschwister, die Freunde, die Haustiere, manche sogar nach einem gar nicht mal soooo langen Leben, gemeinerweise? Aber was genau ersparen wir unseren Kindern eigentlich damit, wenn wir ihnen das vorenthalten? Was, wenn nicht die Chance darauf, eines Tages einen wirklich guten Umgang mit dem Tod pflegen zu können - und nicht in diese schwerfällige Hilflosigkeit zu verfallen, die unseren elterlichen Umgang mit dem Thema auszeichnet?



Genau an dieser Leerstelle möchte Ralph Caspers ansetzen. Das ist gut so. Es gibt jedoch zwei Passagen, mit denen ich nicht so ganz einverstanden bin. Wenn es zum Beispiel um die in einem Trauerprozess immer mal wieder auftauchenden Schuldfragen geht, steht dort im ersten Teil des Buches nur ein sehr kurzer Absatz, der es im Wesentlichen bei einem "Nein, natürlich bist Du nicht schuld" belässt. Das ist natürlich richtig, allerdings geht es bei Schuldgefühlen ja oft um etwas ganz anderes - nämlich um die eigentlich wohltuende Illusion, der enormen Ohnmacht dem Ereignis des Todes gegenüber doch noch etwas entgegensetzen zu können. Deswegen wird in der Qualifizierung zum Tauerbegleiter grundsätzlich empfohlen, Schuldgefühle nicht einfach so vom Tisch zu wischen. Zwar gibt es weiter hinten im dritten Teil des Buches einen vertiefenden Abschnitt zum Thema Schuld, der all diesen Erkenntnissen gerechter wird - aber dass ein so großes Thema in zwei verschiedenen Sektionen etwas unterschiedlich behandelt wird, gehört zu den Schwachstellen des Buches, was mein zweiter Kritikpunkt wäre. 


Aktueller Stand der Forschung: Gibt es Trauerphasen?


An anderen Stellen wiederum gibt es einen eindrucksvollen Einblick in viel aktuelles Wissen, zum Beispiel was die verschiedenen Trauerphasen angeht, bei denen ich zwar die Ideen des Dualen Prozessmodells vermisst habe, die ich kürzlich hier vorgestellt habe - mich aber andererseits gefreut habe, dass die Traueraufgaben nach William Worden dort auftauchen (ebenfalls schon hier vorgestellt). Kurzum: Es ist ein wertvolles Buch, das viel sinnvolle Hilfe anbieten kann. Von mir gibt es eine Rundum-Kauf-und-Lese-Empfehlung dafür. Und die Oma darf dann auch runter von der Wolke - weil es niemals grausam ist, den Kindern die Wahrheit anzubieten. Solange man es kindgerecht tut. Danke, Ralph Caspers!

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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor der Bücher "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag und "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise", 220 Seiten, Campus-Verlag. Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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Dienstag, 9. Juni 2020

Denn wir sind auf dem Weg in die Sterbegesellschaft: Warum es so wichtig ist, als moderne Gesellschaft noch viel mehr und viel öfter über die Themen Tod, Trauer und Sterben sprechen zu können - Eine Studie hat herausgefunden, wie wir sterben wollen - warum es Zeit wird, in Deutschland eine neue "Sorgekultur" zu etablieren

Berlin - Wir brauchen in unserer Gesellschaft noch viel mehr Austausch über die Themen Tod, Trauer und Sterben und neue Gesprächsräume dafür. Raus aus der Nische und rein ins pralle Leben, das ist eine der Empfehlungen einer neuen Studie, die im Frühjahr 2020 veröffentlicht worden ist und die nachdenklich macht. Denn was die Studie ganz klar aufzeigt: Wir sind auf dem Weg in ein großes Sterbe-Zeitalter. Schon in der nahen, aber vor allem in der mittelfristigen Zukunft wird das Sterben in Deutschland und Europa massiv zunehmen. Oder anders formuliert: Beerdigungen werden die Regel werden, Geburten dagegen die Ausnahme. Schuld ist der demografische Wandel, der die Alters- und Bevölkerungsstruktur massiv durcheinanderwirbeln wird. 

Perspektivwechsel. Beginnen wir unsere Reise zu den Endfragen des Lebens einfach mal dort, wo sein Beginn noch so nahe ist: In den Kindergärten. "Fragen Sie mal in Kindergärten nach Bilderbüchern über den Tod... Denn es gibt großartige Bilderbücher über das Thema - und fast jeder Kindergarten hat die auch. Und dann fragen Sie mal: Wo stehen die denn? Dann kriegen sie sowas zu hören wie: Ja, die sind in der Kiste dahinten, wenn es mal schwierig wird, dann holen wir die auch raus. So erfahren Kinder aber nicht, dass der Tod auch Normalität ist, und damit wird es sofort zu diesem schwierigen, großen Thema - und da müssen wir von weg!" Es war der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Heiner Melching, der in einer offiziellen Youtube-Pressekonferenz über die neue Studie diese Worte sagte. 

Über den Tod sprechen? Ach nee, lieber nicht...   (Alle Fotos: Thomas Achenbach)

Über Youtube hatte die Konferenz ausgestrahlt werden müssen, weil die lange geplante Vorstellung der Studie plötzlich mitten in die erste Lockdown-/Corona- und Angstphase hineingeraten war. Was vermutlich einer der Gründe dafür ist, dass die vorgestellte Studie bislang noch nicht die große mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit bekommen hat, die sie meiner Meinung nach verdient hätte. Deswegen ist genau jetzt ein guter Zeitpunkt, um noch einmal darauf hinzuweisen und die Studie noch einmal genauer vorzustellen, jetzt, wo sich gerade alles ein bisschen beruhigt hat und die Menschen wieder Kapazitäten haben für andere Themen als Corona. 


Realität 2035: Eine Geburt macht vier Beerdigungen



Vor allem, was das Sterben und den Tod angeht, sollten wir auf den demografischen Wandel noch besser vorbereitet sein. Das ist eine der Kernthesen der Studie mit dem Titel „Auf ein Sterbenswort – wie die alternde Gesellschaft dem Tod begegnen will, die das „Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung“ u. a. in Kooperation mit dem Allensbacher Institut für Demoskopie durchgeführt hat. "Das, was jetzt noch normal ist, wird sich alleine schon demografisch bedingt verändern", so fasst Doris Kreinhöfer von der die Studie ebenfalls begleitenden Körber-Stiftung in einer Video-Pressekonferenz zusammen, worum es geht (abrufbar über Youtube, Links dazu am Ende dieses Artikels). „In einigen Landkreisen dürften im Jahr 2035 auf eine Geburt über vier Beerdigungen kommen – heute liegt das Verhältnis bei eins zu zwei“, heißt es in der Studie. Und: "Die Alterung fordert somit unseren Umgang mit dem Sterben heraus". Passend dazu hat sich die Körber-Stiftung dieses Themas angenommen, denn diese Stiftung hat sich der Erforschung des gesellschaftlichen Wandels verschrieben.


Und der wird kommen, was das Thema Sterben angeht. Aktuell bilden die über 80-Jährigen noch rund sechs Prozent der Bevölkerung. Doch schon bald wird unsere Gesellschaft immer älter werden – und zudem immer zerfaserter: Immer mehr junge Menschen verlassen die Dörfer und versuchen sich in den Großstädten. Ein von Angehörigen begleitetes Sterben werde alleine dadurch erschwert. Doch bleibt das Sterben in Begleitung weiterhin einer der größten Wünsche der Menschen für das Ende ihres Lebens, auch das zeigt die Studie recht eindeutig.


Die Sterberealität wird durch Corona noch brutaler


In Umfragen und Leitfadeninterviews haben die Autoren herausgefunden, dass die Menschen „schmerzfrei, nah am Gewohnten, selbstbestimmt, sozial eingebunden und gut versorgt sterben“ möchten. Dieses Idealbild hätten Frauen wie Männer, Junge wie Alte, Arme wie Reiche, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, heißt es. Doch spätestens die Coronakrise hat uns klargemacht, wie sehr diesese Idealbild mit der Realität des Sterbens unvereinbar (geworden) ist - und es vielleicht schon vorher war. Rund 50 Prozent der Deutschen sind bereits vor Ausbruch der Krise im Krankenhaus gestorben (ca. 43 Prozent, so benennt es die Studie), durch das Coronavirus könnten sich diese Zahlen erhöht haben. Aber was viel schlimmer ist: Das Sterben ist dadurch oftmals zu einem einsamen Akt geworden, der auf Isolierstationen ohne Besuchsmöglichkeiten stattfinden muss. Auch ohne Coronakrise sahen schon 73 Prozent der für die Studie Befragten einen einsamen Tod zu sterben als weit verbreitetes Problem an. 



Umso wichtiger wird es da für jeden Einzelnen, sich schon frühzeitig mit seinem eigenen Sterben auseinanderzusetzen und sich zu fragen, wo die persönlichen Grenzen lägen, empfehlen die Autoren der Studie (Adrián Carrasco Heiermann, Tanja Kiziak und Catherina Hinz): „Ohne Auseinandersetzung kann der Einzelne nicht zu eigenen Vorstellungen und Wünschen kommen, ohne Auseinandersetzung wissen seine Nächsten nicht, wie und wo er sterben möchte, ohne Auseinandersetzung wissen wir nicht, welche Strukturen wir benötigen, um gutes Sterben zu ermöglichen“, schreiben sie. Immerhin drei von vier Menschen sähen es als einen Missstand an, dass das Thema Sterben häufig verdrängt wird, schreiben die Macher der Studie weiterhin.


Handlungsempfehlungen und gute Vorschläge


Dementsprechend haben die Autoren der Studie ein paar Handlungsempfehlungen formuliert, die ich hier gerne auszugsweise veröffentlichen und denen ich mich gerne mit vollem Herzen anschließen möchte:



1.) Es wird immer wichtiger, Informationen über das Sterben vermitteln: Viele Angehörige oder Freunde sind unsicher, wie sie einen Sterbenden begleiten sollen. Das ist einer der am meisten genannten Missstände. Das ist insofern spannend, als dass die Studie ebenfalls aufzeigen kann, dass es eine durchaus hohe Bereitschaft zur Hilfe oder gar Begleitung gibt, vor allem unter jenen Menschen, die schon einmal mit dem Sterben eines Menschen konfrontiert waren. 


2.) Es muss mehr Veranstaltungen über das Sterben geben, diese müssen niedrigschwellig und leicht zugänglich sein - und es muss gar nichts Großes sein. Schon eine Bücherei könne einen Abend über das Sterben anbieten. Weil aber 23 Prozent der Befragten angegeben hatten, dasss sie persönlich Angst vor dem Tod haben, ist es umso wichtig, dass die Veranstaltungen sehr einladend und niedrigschwellig angeboten werden. In die Einladung hineinzuschreiben, dass auch stille Teilnehmer genauso herzlich willkommen sind und dass sich nicht jeder aktiv beteiligen müsse, könnte eine gute Idee sein, sagten die Autoren der Studie bei ihrer Youtube-Pressekonferenz. Und es böten sich viele Anknüpfungspunkte an: "Die Themenfülle ist groß, es geht bei gutem Sterben um mehr als nur Patientenverfügungen", sagte Tanja Kizik als stellvertretende Direktorin des Berlin-Instituts dazu in ihrer Vorstellung der Studienergebnisse.


3.) Wir brauchen einen neuen Vereinbarkeitsbegriff im Kontext des Sterbens: 
Gemeint ist damit die Vereinbarkeit von Sterbebegleitung und Arbeitsleben, also eine Ausweitung der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zum Kontext des Sterbens. Und weil die familiäre Begleitung zunehmend schwieriger werden dürfte, alleine schon wegen weit entfernt wohnender Angehöriger, ist auch über die gesellschaftliche Ausweitung von Sterbebegleitung auf Nachbarschaften und Freundeskreise nachzudenken. Auf diesem Weg könnte sich auch das entwickeln, was zu etablieren den Autoren der Studie zufolge unsere neue gesellschaftliche Aufgabe werden wird: Eine neue "Sorgekultur" zu entwickeln.

Und hier noch, wie versprochen, die Linksammlung der in diesem Artikel benutzten Informationen und Fakten:

1.) Die Studie zum Herunterladen: Die Studie lässt sich herunterladen oder bestellen über diese Internetseite (bitte hier klicken)

2.) Die Online-Pressekonferenz, in der die Studie vorgestellt wird, lässt sich über Youtube finden und dort ansehen (bitte hier klicken)

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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor der Bücher "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag und "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise", 220 Seiten, Campus-Verlag. Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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