Die Weihnachtstage. Der Todestag. Und der Geburtstag. Es sind diese neuralgischen Tage, an denen der Verlustschmerz nochmal stärker wird als er ohnehin schon sein mag, an denen der Schmerz vielleicht in den Bereich des Unaushaltbaren vordringt. Vor allem der Geburtstag des verstorbenen Menschen, der zuvor vielleicht als ein Tag des Fröhlichseins und der Lebensfreude erlebt worden ist, macht besonders deutlich, dass es da jetzt eine Lücke gibt. Dass da keine Lebensfreude mehr ist, weil kein Leben mehr da ist. Es ist durchaus verständlich, dass Menschen nach einem Verlust an solchen Tagen nicht alleine sein wollen und dass sie diese Tage irgendwie begehen oder würdigen wollen - und doch stoßen Trauernde bei einem solchen Vorhaben auf Unverständnis. Das zeigen alleine die Einträge in Onlineforen zu diesem Thema: "Ich bin total perplex - bei uns in der Familie ist sowas nicht üblich", heißt es beispielsweise an einer Stelle bei Eltern.de. Was also tun?
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Geburtstage von Verstorbenen feiern oder nicht - das ist eine alte Streitfrage. (Pixabay.de-Foto, Creative-Commons-CC0-Lizenz) |
Wie immer in solchen Fällen gelten zwei wichtige Grundannahmen. Erstens: Es gibt keine allgemeingültigen Regeln (mehr), und das ist auch gut so. Zweitens: Es zählt das, was den jeweiligen Hinterbliebenen gut tut. Und es sollte so gestaltet sein, dass es ihnen gut tut. Das können sie sogar ein wenig selbst in die Hand nehmen und gestalten, wenn sie genug Energie und Muße dazu haben. Es kommt also immer auf den Einzelfall, auf die einzelnen Menschen, drauf an. Es gibt auch Möglichkeiten, den Geburtstag vom Todestag abzugrenzen und ihm ein neues Gesicht zu geben. Hier ein paar Ideen dazu.
Kleine Teile, großes Ganzes - ein Erinnerungspuzzle
Wer mag, kann den Geburtstag beispielsweise zu einem bunten Erinnerungstag machen und die Freunde, Verwandte und Bekannte bitten, eine persönliche Erinnerung an die verstorbene Person aufzuschreiben und einzuschicken. Das wird zwar einerseits Schmerzen wecken, darauf sollte man gefasst sein, kann aber andererseits dazu beitragen, dass die Grundidee des Geburtstages - das Fröhliche, Bunte, Lebensbejahende - auch in die Zeit nach einem Todesfall transportiert wird. Eingeklebt in ein Erinnerungsbuch, wird ein ganzheitlicheres Dokument des Erinnerns aus diesen Puzzlestücken.
Ein Tag der Stille, ein Tag des Weitergebens
Dies kann dazu beitragen, eine neue Form von Bindung an die Gestorbenen - die nach einem Todesfall nötig und wichtig ist - zu stützen und zu fordern. In Abgrenzung dazu kann der Todestag als ein Tag des Trostes und der Stütze verstanden werden, an dem weniger die gestorbene Person als vielmehr die Unterstützung der Hinterbliebenen die größere Rolle spielt. Eine weitere Idee wäre es, den Todestag als einen Tag der Stille und den Geburtstag als einen Tag des "Weiterlebens" oder "Weitergebens" zu gestalten.
Musik auflegen, die der Verstorbene mochte
Am Geburtstag beispielsweise die Musik aufzulegen, die den Verstorbenen gefallen hat, kann eine schöne Geste sein, die als hilfreich empfunden wird. Oder an einen Ort fahren, den der Verstorbene gemocht hat (und das Dortsein ohne ihn sowie die Erinnerungen bewusst auszuhalten versuchen). Dies alles trägt die Idee, dass etwas in der Welt bleibt, was den verstorbenen Menschen etwas bedeutet hat. Gemeinsam eine Kerze anzünden, das Licht weiterleuchten lassen, solche und ähnliche Rituale helfen an beiderlei Tagen. Kritisch dürfte allerdings die Frage sein, ob zum Geburtstag auch eingeladen werden sollte.
Angehörigen nicht zuviel zumuten
Denn wie immer in solchen Fällen gilt auch dies: Angehörige oder Freunde könnten sich alsbald überfordert fühlen. Die Aussicht, jedes Jahr aufs Neue an gleich zwei Tagen - dem Geburtstag und dem Todestag - als Trostspender und Gedenkhelfer verlangt zu sein, wirkt leider rasch abschreckend auf viele. Hier bedarf es eines sanften Herantastens und einer gewissen Feinfühligkeit. Dies ist ein sensibler Bereich, weil Trauernde oft unbewusste Erwartungen an ihre Bekannten und Verwandten in sich tragen können, so dass Enttäuschungen nicht ausbleiben. Doch das muss nicht sein.
Nicht alle auf einmal, sondern nacheinander
Eine hilfreiche Idee könnte sein, nicht jedes Jahr einen immergleichen Stamm von Menschen einzuladen - also alle, die an den Geburtstagen ohnehin dabei waren -, sondern jedes Jahr eine ausgewählte Person aus diesem Kreis. Und auch, wenn eine solche Anmerkung auf dem Blog eines Trauerbegleiters als platte Werbung empfunden werden kann, soll doch angemerkt sein: Natürlich stehen ausgebildete Trauerbegleiter ebenfalls zur Verfügung, einen Geburtstag oder Todestag gemeinsam gestalten zu helfen oder an diesen Tagen da zu sein - auch einfach nur zum Zuhören und Verstehen oder zum gemeinsame Schweigen. Denn das alles muss es geben dürfen an solchen Tagen.
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An einen Ort fahren, den die verstorbene Person mochte, erfordert etwas Mut - aber es kann zu einer guten Erfahrung werden. (Pixabay.de-Foto, Creative-Commons-CC0-Lizenz) |
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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor des Buches "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag, 17 Euro, erschienen im März 2019. Mehr Infos gibt es hier.
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