(Alle Fotos: Thomas Achenbach) |
Osnabrück - Jemand ist gestorben. Wir treffen den Angehörigen. Und, was sagen wir jetzt? Ich muss hier noch einmal eine Lanze brechen für die Formulierung "Mein Beileid"... Bereits vor einigen Jahren habe ich einen Artikel darüber veröffentlicht, warum ich das "Mein Beileid" immer noch für eine gute und angemessene Reaktion halte, sobald man von einem Todes- und Trauerfall erfährt. Auch, wenn es bei vielen Menschen inzwischen irgendwie verpönt zu sein scheint und inzwischen irgendwie ungern benutzt wird. Umso erfreuter war ich nun, als es bei einer in Witten stattfindenden Tagung zum Thema Trauer im Berufsleben, bei der ich als Zuhörer dabei sein durfte, in der Diskussion auch um die Formulierung "Mein Beileid" ging - und als ich in meinen Ideen dazu bekräftigt wurde. Was ich gerne zum Anlass nehmen möchte, darauf näher einzugehen.
Die Unsicherheiten lassen sich im Internet finden. "Einfach nur ,Mein Beileid' - das kommt mir so unpersönlich vor..." - so schrieb es ein Nutzer im Portal "Gutefrage.net." Ob es nicht bessere Sätze gäbe, lautet seine Frage. Doch wie so oft im Leben sind es die kleinen Worte, in denen die größte Bedeutung mitschwingen kann. Mein Beileid, zerpflücken wir dieses kleine Wörtchen doch einmal in seine einzelnen Bestandteile, so wie es auch die sich aus dem Publikum meldenden Diskussionsteilnehmer bei der Tagung in Witten getan haben: Es geht um das Bei- und das Leid. Gemeint ist mit diesem Wort also: In kann jetzt bei Dir sein in Deinem Leid. Du wirst von mir Zuspruch, Unterstützung und vor allem ein offenes Ohr bekommen. Aber, und das ist das Wichtige daran: Ich kann und werde Dir zuhören, werde Dich ernstnehmen, aber ich kann nicht mit Dir mitleiden. Viel besser sogar: Ich kann Dich in Deinem eigenen Leid wahrnehmen und Dich dort lassen, so dass Du Deine eigenen Wege damit und darin finden kannst. Denn darum geht es in der Trauer: Seine eigenen Wege zu finden. Das unterscheidet dieses Beileid also vom Mitleid - und das mag spitzfindig klingen, ist aber eine sehr wichtige Differenzierung. Denn letztlich steckt alleine schon in dieser sprachlichen und vermeintlichten Wortklauberei das ganze Konzept bzw. die komplette Haltung von professionellen Trauerbegleitern drin. Warum das so ist?
Weil es bei der Begleitung von Trauernden immer darum geht, ihr Leiden, ihre Klagen, ihr Schicksal mit ihnen gemeinsam aushalten zu können. Es aber nicht kleinreden zu wollen oder abmildern zu wollen. Das macht jedoch erforderlich, dass der jeweilige Begleiter selbst standhaft bleiben kann, nicht selbst ins Wanken gerät. Dass er empathisch zuhören und die Stimmungen wahrnehmen kann. Oder, um in den oben schon erwähnten Begriffen zu bleiben: Dass er bei-leiden kann, ohne in eigenes mit-Leiden zu verfallen. Ein Patentrezept, wie sich Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise gut begegnen lässt, gibt es nicht, denn jeder Mensch reagiert anders. Aber dieses eine ist immer wichtig, ganz egal, wie der Fall jeweils auch aussieht: Dass das Zuhörenkönnen hilfreicher ist als das Selberreden.
Es war die aus München stammende Coachin und Trauerbegleiterin Franziska Offermann, die in ihrem Vortrag zum Thema Trauer im Arbeitsleben auch die Frage nach der Formulierung "Mein Beileid" behandelte. Und sie machte dem Plenum eindrucksvoll vor, dass es wie bei allem im Leben auf die Details ankommt. Wer nur ein lapidares und ganz offensichtlich rein als Floskel benutztes "Mein Beileid" bemüht, verbunden vielleicht mit einer irgendwie lustlos ausgestreckten Hand, der wird natürlich nicht als ernsthaft interessiert oder ernsthaft bemüht wahrgenommen. Es ist also wenigstens genauso wichtig, dieses Beileid mit einer inneren Haltung der Zuwendung und des ernsthaften Interesses zu verbinden - wie bei so vielem, was wir sagen und tun, kommt es viel mehr auf die Haltung an als auf die Inhalte. Das erleben wir oft auch an anderen Stellen.
Was sollen wir sagen? Oder vielleicht: Fragen?
Als ich neulich dem Radiosender SWR 3 ein kleines Interview zum Thema Trauer geben durfte, das dann Bestandteil einer Ausgabe der montäglich laufenden Beziehungsshow wurde (hier gibt es mehr Infos zu dieser Sendung), lautete eine der Fragen: Was können wir den Menschen Hilfreiches sagen, die gerade jemanden verloren haben? Eine oft und gern gestellte Frage, auf die ich gerne antworte: Es kommt weniger auf zu sagende Sätze an als vielmehr darauf, ob wir bereit sind den Menschen wirklich zuzuhören. Und wenn wir das sind, ist die naheliegendste aller Fragen gleich die beste aller Fragen - solange sie ernst gemeint ist und mit echtem Interesse verbunden ist. Nämlich: Wie geht es dir? Aber, gemeint als: Wie geht es Dir jetzt wirklich? Ich würde das gerne wissen - weil ich dann bei Dir sein kann in Deinem Leiden. Denn das ist: Mein Beileid.
Übrigens: Lust drauf, diesen Blog auch als Podcast zu hören? Dann bitte hier klicken für die Übersicht über alle bisher veröffentlichten Episoden, darunter meine Interviews mit dem Buchautoren Pierre Stutz, dem "Letzte Lieder"-Macher Stefan Weiller und dem Trauer-Chat-Moderator und Ex-Spielsüchtigen Kai Sender....
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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor der Bücher "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag und "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise", 220 Seiten, Campus-Verlag. Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de.
Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link
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