Sonntag, 18. Dezember 2016

Deutliche Zeichen für eine sich wandelnde Trauerkultur: Warum Unfallkreuze und selbst aufgestellte Wegekreuze eine wichtige Funktion für den Trauerprozess spielen - über wilde Trauerstätten, Teil 2 (Beispiel: Unfallstellen im Osnabrücker Land)

Osnabrück – Der Ort, an dem jemand gestorben ist, spielt für die Hinterbliebenen eine enorm wichtige Rolle. Dies gilt umso mehr für Unfallopfer. Dorthin zu gehen, wo es geschah, ist für die Angehörigen oft ein wichtiges Ritual. Selbst aufgestellte Wegekreuze und wilde Trauerstätten an den Straßenrändern machen das Ereignis für alle sichtbar, auch wenn die Scherben und Splitter längst weggeräumt sind. Diese wilden Trauerstätten sind ein soziologisch und gesellschaftlich hochinteressantes Phänomen – über das es indes wenig an Dokumentations- oder Fosrschungsarbeit gibt. Dabei wäre das tatsächlich mal ein gutes Thema.

Denn diese Unfallkreuze sind für sich betrachtet eine ganz neue Form von Symbol, so hat es die Soziologin Christine Aka formuliert. „Das Kreuz“, schreibt sie; „ist individuell umgedeutet“ – als „überkonfessionell verwendetes Todessymbol“. Weniger christlich zu verstehen als vielmehr als Hinweis darauf, dass hier, an dieser Stelle, der Tod stattgefunden hat – und tatsächlich gibt es kaum eine Unfallstelle ohne Kreuz, wie eine immer wieder aktualisierte Ausstellung das Landkreises Osnabrück zeigt, über die ich kürzlich geschrieben habe


Der Landkreis Osnabrück hat die Ausstellung "Straßenkreuze - gegen das Vergessen" im Programm, die seit zehn Jahren laufend aktualisiert wird. Die eindrucksvollen Fotos zeigen die Wegekreuze aus der Region.   (M.Münch-Landkreis-Osnabrück-Foto)

Die inzwischen in Münster lehrende Volkskundlerin hat zwischen 2000 und 2003 zum Thema Unfallkreuze geforscht und eines der wenigen, wenn nicht gar das einzige Buch zum Thema veröffentlicht („Unfallkreuze – Trauerorte am Straßenrand“ erschien im Waxmann-Verlag), außerdem hat sie einen bemerkenswerten und sehr klugen Zeitschriftenbeitrag geschrieben, aus dem hier zitiert werden wird (Zeitschrift: „Alltag im Rheinland“, herausgegeben vom Landschaftsverband Rheinland, 2010)


So ein Tod bringt "dramatische Anforderungen an die Psyche" 


„Gerade der gewaltsame Tod führt zu dramatischen Anforderungen an die Psyche des einzelnen Trauernden. Individuelle Psychologie, also Gefühle, und gesamtkulturell interpretierbare Phänomene gehen in der Trauer eine komplexe Verbindung ein,“ schreibt Aka in diesem Text. Aber nicht nur im Straßenverkehr, auch an anderen Stellen lassen sich immer mal wieder wilde Trauerstätten außerhalb der Friedhöfe finden – beispielsweise in der Osnabrücker Innenstadt. Und damit wird dieses Phänomen besonders interessant.


Auf 20 Bildtafeln werden in der Ausstellung "Straßenkreuze - gegen das Vergessen" die Unfallstellen vom Landkreis Osnabrück gezeigt - hier fotografiert in den Berufsbildenden Schulen Melle.   (Thomas-Achenbach-Foto) 

Denn es zeigen sich darin neue Formen von Trauerkultur. Das sieht auch Christine Aka so: „Unbestreitbar zeigen die heutigen Unfallkreuze ein Bedürfnis, vielleicht eine Sehnsucht nach neuen Umgangsformen mit Trauer. Solche Trauerhandlungen werden gerne als neue Trauerrituale bezeichnet“. Was sich hier zeigt, ist nach Akas Worten die Folge von zweierlei Entwicklungen: „Der Umgang mit dem Tod ist heute ein individuelles Problem, da es keine konkreten Verhaltensmuster mehr gibt, die einem helfen, „das Richtige zu tun“. Daher würden diese wilden Trauerstätten auch zu einem „Hinweis auf Schmerzzonen, für die kaum eine andere Ausdrucksformen zur Verfügung stehen.“


"Personen auf der Fahrbahn" - unterwegs zur Todesbewältigung?


Diese klugen Beobachtungen machen verstehbar, warum Trauernde gerne an diese Orte zurückkehren, an denen, salopp gesagt, „es geschehen ist.“ Ich bin selbst einmal in einer journalistische Recherche der These nachgegangen, dass die so oft im Verkehrsfunk gehörte Meldung von „Personen auf der Fahrbahn“ in Wahrheit auf Trauernde zurückzuführen ist, die einen Unfallort aufsuchen. Eine These, von der ich nach wie vor überzeugt bin – die ich allerdings derzeit nicht nachweisen kann, weil weder Polizei noch andere Trauerbegleiter noch Seelsorger mir diese Ahnung bestätigen konnten, geschweige denn sie mit Zahlen oder Fakten untermauern konnten. Also bleibt es eine gefühlte Spur, der ich zwar weiter nachgehen werde, für die ich aber andere Aufspürmittel finden muss. Aber zurück zur Wissenschaft.

Ein bis drei Schüler pro Schuljahr werden an den BBS Melle Opfer von Verkehrsunfällen. Dieses Foto zeigt (von links) den Ausstellungs-Macher Manfred Motzek vom Landkreis Osnabrück sowie Edda Kröger, Diplom-Sozialpädagogin an der BBS Melle und den stellvertretenden Schulleiter Claus Dötzer.   (Thomas-Achenbach-Foto)

Christine Aka schreibt in ihrem klugen Text weiter: „Mir scheint es dabei um eine Art therapeutischer Handlungen zu gehen.“ Und an dieser Stelle wird es besonders interessant, weil sich in den klugen Beobachtungen der Wissenschaftlerin vieles finden lässt, was Trauernde als hilfreich beschreiben. Also nicht allein das Aufsuchen eines Trauerortes, sondern beispielsweise das Gefühl, dem Verstorbenen dort besonders nahe sein zu können. Das gilt für den Besuch am Grab genauso wie für den Besuch der Totenstätte.


Dort sein können, wo die letzten Sekunden stattgefunden haben


Das bestätigen auch Akas Beobachtungen: „Der Ort hat damit fast die Funktion eines mythischen Platzes, an dem dem Verstorbenen real nahe zu kommen meint, näher als beispielsweise auf dem Friedhof, an seinem Grab. Denn an der Stelle des Unfalls erscheinen die letzten Momente eines Lebens den Hinterbliebenen fast konserviert, im Raum anwesend.“ Der Unfallort sei damit auch „ein Ort einer merkwürdigen unspezifischen Transzendzenzgläubigkeit“, die aber mit katholischen Vorstellungen wenig gemein habe.


Klassische Form von Todesbewältigung - inklusive Transzendenz


Denn: „Die unwiderruflich Abwesenden werden imaginär präsent gemacht, sie werden beschenkt, angesprochen, in das Leben integriert“, formuliert es die Wissenschaftlerin: „Hier findet auf allen Ebenen ein symbolischer Austausch zwischen den Lebenden und den Toten statt, eine klassische Form von Todesbewältigung und für jede Art von Umgang mit Transzendenz grundlegend.“ Somit würden diese wilden Trauerstätten die Betrachter auch anregen, über aktuelle Formen des Redens über Trauer und des Zeigens von Trauer nachzudenken. Oder anders formuliert..:


Eine Wegekreuz an einer Unfallstelle in Melle-Neuenkirchen, wo im Juli 2012 ein tragischer Unfall geschah - auch dieses Trauerkreuz findet sich in der Ausstellung über die Unfallstellen des Landkreises Osnabrück.  (M.Münch-/Landkreis-Osnabrück-Foto)


Der Sinn der Trauerstätten ist die Sinnsuche


„Als Indiz für öffentliche Trauer regen Unfallkreuze damit zum Nachdenken über heutige Formen von sinnstiftenden Ritualen und individueller Spiritualität an“, heißt es auf dem Klappentext des zu der Forschungsarbeit gehörenden Buches aus dem Waxmann-Verlag. Oder wie Christine Aka es so in ihrem Zeitschriftentext schreibt: „In einer neuen Art kombiniert, haben diese Bedeutungsaktualisierungen gerade ihren Sinn darin, nach Sinn zu suchen“.

Mehr zum Thema auf noz.de: Gedenkstätten an Unfalllorten

Mehr zum Thema auf diesem Blog: Warum sich an einem Feinkostgeschäft in der Osnabrücker Altstadt die Trauerbekundungen sammeln - wilde Trauerstätten, Teil 1


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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung in Osnabrück sowie im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Mehr Infos gibt es hier

Ebenfalls auf diesem Blog: Wie funktioniert bitte ein "Sterbestammtisch" - und was ist das eigentlich genau?

Ebenfalls auf diesem Blog: "Sei doch bitte wieder normal" geht leider gar nicht - Trauernde brauchen langfristiges Verständnis ohne Ziele 

Ebenfalls auf diesem Blog: Zehn Tipps für einen hilfreichen Umgang mit Trauernden - für Angehörige, Freunde und Kollegen

Und im Kultur-Blog des Autors: Rusalka, Nabucco, La Traviata und Romeo & Julia - das werden die kommenden vier Kino-Höhepunkte live aus der MET aus New York

Sonntag, 11. Dezember 2016

Es hilft, anderen Menschen die eigene Geschichte zu erzählen – zum Beispiel, wenn sich der Vater suizidiert hat… - Wie ein neuer Youtube-Kanal mit Promi-Unterstützung die Themen Suizid und Depression und Trauer geschickt in die Öffentlichkeit holt

Osnabrück/Berlin. Als ihr Vater sich suizidieren wollte - was er schließlich auch tat -, hat sich die Schauspielerin Nova Meierhenrich die allergrößten Vorwürfe gemacht. "Bin ich 'ne schlechte Tochter – ich muss das doch hinkriegen, dass der hierbleiben will", waren ihre Gedanken, wie sie jetzt auf Youtube schildert. Und als es dann geschah, dachte sie: "Man hat versagt, auf ganzer Linie." Ein gutes Beispiel dafür, wie erdrückend, aber auch wie normal die Schuldkomplexe sein können, die die Hinterbliebenen beim Suizid eines Angehörigen erleiden. Die Darstellerin und Moderatorin ist bei einem bemerkenswerten neuen TV-Format zu erleben, das ausschließlich über Youtube erreichbar ist und das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Themen Depressionen und Suizid zu enttabuisieren. Die gewählten Zitate stammen aus diesem Format.

Der erste Schritt, seine Gefühle zu bearbeiten, ist immer: Darüber reden, reden, reden. Darin sind sich Nova Meierhenrich und der Moderator Markus Kavka, ein bekannter Musikjournalist der TV-Sender ZDF Kultur (leider eingestellt) und MTV (leider noch nicht), ganz einig, als sie zusammen an der Theke der "Kitty Cheng Bar" sitzen und reden. Das Format heißt "Bar Talk". Ich habe vor kurzem bereits in meinem Kulturblog über diesen neuen Youtube-Kanal berichtet, bin aber bei weiterem Hinhören und Hinsehen darauf gestoßen, dass sich darin auch viel über das Thema Trauer lernen lässt. Deswegen soll das heute und hier den Schwerpunkt bilden. 


Zwei, die man kennen könnte, reden beim "Bar Talk" über die großen Themen des Lebens: Nova Meierhenrich und Markus Kavka.   (Freunde-fürs-Leben-Pressefoto)

Denn es ist durchaus nicht so, dass das Thema des Vaters in der Familie der Schauspielerin ausschließlich mit Schwermut einhergeht: "Wir lachen viel in der Familie, wenn wir an meinen Vater denken, wir erinnern uns an die schönen Dinge, und ich glaube, das ist ein guter Weg, damit umzugehen, sich an die schönen Dinge zu erinnern", schildert sie. Allerdings war es auch ein langer Weg dorthin - und noch immer tauchen gelegentlich Schuldgefühle auf. So schildert es die Darstellerin auf "Freunde fürs Leben TV", dem Webkanal, der den "Bar Talk" produziert. 


Jugendliche dort abholen, wo sie sich tummeln


Hintergrund: Das Format will all jenen Menschen Mut machen, die ebenfalls leiden. Vielleicht sogar dabei helfen, Suizide zu verhindern. Hinter dem Projekt steckt der gemeinnützige Verein "Freunde fürs Leben", der Jugendliche und junge Erwachsene über die Themen Depression und Suizid aufklären und eben dort abholen möchte, wo sie sich tummeln: In den sozialen Netzwerken und auf Youtube. Die Zusammenarbeit mit Teenager-affinen Prominenten soll den positiven Effekt auf junge Leute verstärken, schreibt der Verein in einer Pressemitteilung. 


Erzählen dürfen, aber ganz ohne Druck


Lange hatte Nova Meierhenrich die Geschichte um den Tod ihres Vaters als ein rein privates Thema behandelt, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sein sollte - bis die Kollegen der Boulevardpresse in einer Sag-uns-was-oder-wir-drucken-es-ohne-Dich-"Recherche" einige Aussagen von ihr dazu, nun ja,... einforderten. Erst jetzt und erst dem Format "Freunde fürs Leben" gegenüber möchte die Darstellerin ganz offen über alles reden, weil sie an das Projekt "Freunde fürs Leben" und seine Ziele glaube, wie sie sagt.


Schuld und Selbstzweifel - ein Gefühlsstrudel


Dass sich zu den Schuldgefühlen auch eine große Portion Selbstzweifel mischen kann, haben die Mitglieder der Osanbrücker Selbsthilfegruppe des bundesweit tätigen Vereins "AGUS" (Angehörige um Suizid) dem Autor dieser Zeilen einmal bei einer Recherche geschildert. Das Gefühl, selbst nichts wert zu sein, ist offenbar keine Seltenheit. Ebenfalls wichtig: Dass nicht von einem "Selbstmord" gesprochen wird. Denn wer einen Menschen einen Mörder nennt, macht ihn zu einem Verbrecher. Das ist aber für Angehörige eines Menschen, der sich suizidiert hat, nur schwer zu ertragen. 


Wichtig ist das Reden darüber


Allen negativen Erfahrungen mit der Presse zum Trotz hat Nova Meierhenrich auch etwas Positives erleben können: Kaum war sie in der Öffentlichkeit als Hinterbliebene eines Menschen bekannt, der sich suizdiert hatte, bekam sie tausende von Mails. Von Menschen, denen es ähnlich ging, die ihre Geschichte erzählen wollten, die ihre Offenheit schätzten. Das Bedürfnis darüber zu reden ist groß. Und darüber reden ist immer der erste Schritt. So sagen es ja auch Nova Meierhenrich und Markus Kavka im "Bar Talk". 

Internetlink: Der Youtube-Sender "Freunde fürs Leben TV" ist hier zu erleben.

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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Er hält auch Vorträge zum Thema Trauer und Umgang mit Trauernden. Mehr Infos gibt es hier

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Männertrauergruppe in der Region Osnabrück: Offene Gruppe, Einstieg jederzeit möglich - alle Infos über die Gruppe gibt es hier

Ebenfalls auf diesem Blog: Tango auf der Trauerfeier, die Trauerrede als Audiodatei - was heute bei modernen Trauerfeiern alles möglich sein sollte

Ebenfalls auf diesem Blog: Der Fluch der Tapferkeit - warum es Menschen in der modernen Gesellschaft so schwer fällt Trauer als etwas Normales anzuerkennen

Und NEU auf diesem Blog: Mehr als Spendenübergaben - Praxis.Tipps für eine gelingende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Hospiz-, Trauer & Palliativinitiativen


Und im Kultur-Blog des Autors: Wie man als Autor vom Schreiben leben kann - Tipps für Hobbyautoren von einem echten Profi (und ein Plädoyer fürs Selfpublishing)

Sonntag, 4. Dezember 2016

Am 8. 12. 2024 ist es wieder soweit - dann findet weltweit wieder das "World Wide Candle Lighting" statt... Ein Licht für alle, die viel zu früh von dieser Welt gegangen sind, geht einmal um die Welt - so funktioniert das World Wide Candle Lighting für gestorbene Kinder/Sternenkinder

Ein Lichterband umspannt die ganze Welt - das ist die Idee des weltweiten Gedenktages an verstorbene Kinder.  (Thomas-Achenbach-Foto

Osnabrück - Oft sind es die simpelsten Gesten, die uns tief berühren. Bei Trauer ist es das Anzünden einer Kerze. Als ebenso simples wie eindrucksvolles Symbol dafür, dass das Licht des Menschen, der von dieser Welt gehen musste, noch immer in einem leuchtet. Diesen Effekt macht sich eine berührende Aktion zunutze, die immer in der Vorweihnachtszeit stattfindet, einer für Trauernde ganz besonders schwierigen Zeit. Denn für alle Eltern, die ein Kind verlieren mussten, gibt es immer am 2. Sonntag im Dezember das "World Wide Candle Lighting" (in 2024 am Sonntag, 8. 12.). 

Weltweit werden Kerzen in die Fenster gestellt, um der verstorbenen Kinder zu gedenken - aber immer um 19 Uhr der jeweiligen Landeszeit, von Kontinent zu Kontinent. So zieht sich innerhalb von 24 Stunden ein Lichterband um die ganze Welt - und das leuchtet für all die Kinder, die mit ihrem Leben (wie kurz es auch gewesen sein mag) einmal die Welt erhellt haben. Aber es leuchtet auch für alle Eltern, die sich mit ihrer Trauer oft unangemessen alleingelassen fühlen. Und obwohl ich als Papa mit dem großen Glück gesegnet bin, als nicht verwaister Elternteil ein Kind aufziehen zu können, wird auch bei mir eine Solidaritätskerze im Fenster leuchten - für alle Eltern, denen es nicht mehr so geht und mit denen ich im Verlauf des Jahres über solche Erfahrungen gesprochen habe. Denn ein solcher Tag erinnert uns wieder daran, wie wenig selbstverständlich alles ist, was wir als vermeintlich normal hinnehmen - dass wir morgens aufstehen und atmen, beispielsweise. 


(Thomas-Achenbach-Foto)

Eine Gedenkaktion für alle gestorbenen Kinder


Übrigens ist es an diesem Trauertag ganz egal, wie alt das Kind gewesen ist und wann es oder wie es gestorben ist. Denn der Gedenktag wurde von den "Compassionate Friends" ins Leben gerufen, einer aus den USA stammenden Vereinigung von Eltern, die zu Waisen werden mussten. In Deutschland entsteht -  auch wegen vieler an diesem Tag stattfindenden Aktionen in Kliniken und Geburtshäusern - gelegentlich der Eindruck, das "World Wide Candle Lighting" sei vor allem für Sternenkinder, also still geborene Kinder, eingerichtet worden (und selbstverständlich sind auch all diese Kinder integraler und sicherlich besonders schmerzvoller Bestandteil der Gedenktag), aber die Aktion richtet sich grundsätzlich an alle verwaisten Eltern. Um Kinder zu trauern, so formulierte es der Bayerische Rundfunk in einem Beitrag, sei wie "eine Amputation des Herzens." Und Eltern bleiben immer Eltern, ganz egal, ob das Kind 21 Monate oder 21 Jahre alt ist. 


Ein jährlich wiederkehrendes Charity-Projekt zugunsten aller trauernden Eltern, die ein Kind verloren haben, ist die "Aktion Lichtpunkt".  (Thomas-Achenbach-Foto)

"Die Hoffnung, dass das Leben der Angehörigen nicht dunkel bleibt"


Besonders schön ist, was der Bundesverband Verwaister Eltern auf seiner Website zum Aktionstag schreibt: "Das Licht steht auch für die Hoffnung, dass die Trauer das Leben der Angehörigen nicht für immer dunkel bleiben läßt. Das Licht schlägt Brücken von einem betroffenen Menschen zum anderen, von einer Familie zur anderen, von einem Haus zum anderen, von einer Stadt zur anderen, von einem Land zum anderen. Es versichert Betroffene der Solidarität untereinander. Es wärmt ein wenig das kalt gewordene Leben und wird sich ausbreiten, wie es ein erster Sonnenstrahl am Morgen tut." Es sind diese Zeilen, die mich ermutigt haben, auch eine Solidaritätskerze in mein Fenster zu stellen.


Ein Lichtpunkt zum Tragen an der Kleidung


Der Gedenktag ist auch der Abschlusstag einer in Deutschland parallel stattfindenden Aktion, die die Künstlerin Stefanie Oeft-Geffarth ins Leben gerufen hat - die Aktion "Lichtpunkt". Dafür hat sie eine weiße Version ihrer eigentlich in schwarz gehaltenen 
Trauernadel entworfen, also einen kleinen weißen Punkt, der als Schmuck getragen werden kann. Das kleine Schmuckstück, das an Blazer oder Sakko oder der Bluse geheftet werden kann, soll eine moderne Interpretation dessen sein, was als „Trauerflor“ bis in die 70er Jahre hinein gang und gäbe war: Wer in Trauer war, der zeigte das auch. In der weißen Version wird daraus der "Lichtpunkt", der die Idee des "World Wide Candlelightings" weiter transportiert. Diese "Lichtpunkte" sind dabei immer ab dem 1. 11. und bis Mitte Dezember erhältlich. 


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Der Autor dieser Zeilen steht in Osnabrück und im Osnabrücker Land als Trauerbegleiter zur Verfügung. Thomas Achenbach ist zertifizierter Trauerbegleiter nach den Standards des BVT (Große Basisqualifikation). 

Thomas Achenbach ist der Autor dieser drei Bücher: 

-> "Das ABC der Trauer" (Patmos-Verlag, Herbst 2023)
-> "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise" (Campus-Verlag).
-> "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut" (Patmos-Verlag)

Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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Auf dem Portal der Neuen OZ zu finden: Das ABC der Trauer - wie der Osnabrücker Trauerbegleiter trauernden Menschen Halt geben möchte

Ebenfalls auf diesem Blog: Ein neuer Raum und neue Möglichkeiten - wo ich in Osnabrück jetzt Trauerbegleitung anbieten darf (weiterhin auch als Spaziergang)  

Ebenfalls auf diesem Blog: Trauer und Schuldgefühle gehören zusammen - warum sich so viele Menschen nach einem Verlust für selbst schuldig halten 

Ebenfalls auf diesem Blog: Der Trick mit der Selbstwirksamkeit - wie wir uns selbst gut in seelischen Krisen helfen können: psychologische Tipps

Ebenfalls auf diesem Blog: 27 gute Rituale für eine Trauerfeier - wie sich eine Gedenkfeier so gestalten lässt, das sie den Angehörigen/Trauenden gut tun kann

Ebenfalls auf diesem Blog: Warum sich Trauernde förmlich zerrissen fühlen  - eine Einführung in das "Duale Prozessmodell der Trauer" und seine Fallstricke

Ebenfalls auf diesem Blog: Warum sich ein Suizid viel öfter verhindern ließe als wir das glauben und warum es so wichtig ist, immer wieder darüber zu reden

Ebenfalls auf diesem Blog: Tipps zum Umgang mit Trauernden und Trauer - was Menschen in einer Verlustkrise hilft, was man Trauernden sagen kann 

Ebenfalls auf diesem Blog: Was muss ich machen, wenn ich wegen Trauer krankgeschrieben werden möchte? Geht das überhaupt und wenn ja, wie denn?

Der neue Podcast von Thomas Achenbach: "Trauergeschichten - Menschgeschichten", Gespräche über Leben, Tod und Sterben, jetzt online

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