Osnabrück - Ein Trauermodell, das ich gerne benutze bei Gruppentreffen und in meinen Büchern, kommt aus Amerika und geht von einem ganz anderen Ansatz aus als andere Modelle. Nachdem ich vor einigen Monaten auf diesem Blog bereits das "Duale Prozessmodell der Trauer" vorgestellt hatte, was auf sehr viel Interesse gestoßen war (der Link findet sich am Ende des Artikels), möchte ich heute das Augenmerkt auf dieses andere Trauermodell legen, das mir sehr am Herzen liegt. Es geht davon aus, dass die Trauer uns Menschen vor Aufgaben stellt. Et voilá: So funktioniert das Modell der Traueraufgaben nach William Worden.
Wer in Trauer ist, der erlebt oft ein großes Durcheinander verschiedenster Prozesse. Manchmal sogar innerhalb eines Tages. Wut und Aggression tauchen ebenso in Schüben auf wie Phasen großer Ohnmacht und Hilflosigkeit. Das alles verläuft mehr in parallelen Wellenbewegungen. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Verlaufsmodellen und Phasenmodellen, die den Verlauf eines Trauerwegs in verschiedene Stadien einzuordnen versuchen. Eines der mich am meisten Überzeugendsten ist dabei das des Trauerforschers Dr. William J. Worden, der sein Modell als "Die Aufgaben der Trauer" (The Tasks Of Mourning) beschreibt. Es ist ein Modell, das meiner Meinung nach die tatsächlichen Gefühlsspiralen und das Hin und Her im Inneren von Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise perfekt abzubilden versteht. Und so funktioniert es.
(Foto: Pixabay.com/Tumisu, Cc-0-Lizenz) |
Was mir an diesem Modell so gut gefällt, ist alleine schon die Umkehrung der Verhältnisse: Wenn uns die Trauer vor Aufgaben stellt, dann ist es nicht nur ein passives Ereignis, das sich an uns abarbeitet. Sondern wir haben etwas zu tun: Wir müssen Aufgaben lösen. Das finde ich überzeugend. Die "Aufgaben der Trauer" sind eben nicht ein zu erduldendes Durchleben von sich irgendwie einstellenden Verläufen, sondern ein aktives Gestalten und (Mit-) Steuern eines Entwicklungsprozesses. William J Worden ist übrigens eigentlich ein Psychologe, der sich im Laufe seiner Karriere dem Verlauf der Trauer gewidmet hat. Sein Buch "Beratung und Therapie in Trauerfällen" (englisch: Grief counseling and grief therapy) erschien erstmals 1982 und ist für mehrere Neuauflagen von Worden selbst stets aktualisiert und überarbeitet worden.
Aufgabe Nr. 4 in der Trauer - nach William Worden: Der oder dem Toten einen neuen Platz zuweisen. Es geht in einem Trauerprozess eben nicht, wie es Außenstehende einem oft empfehlen, um ein "Loslassen", aber eben auch nicht um ein krampfhaftes "Festhalten". Stattdessen ist es hilfreich, dem Verstorbenen einen gefühlsmäßigen (oder auch tatsächlichen) Platz zu geben, einen Ort, wo man weiß, dass man ihn oder sie finden kann. Dass so etwas funktionieren kann, spiegeln mir die Menschen, die ihre eigenen Verlusterfahrungen schonn vor vielen Jahren gemacht haben, so hart sie auch gewesen sein mögen (verlorene Kinder, beispielsweise): Dass die Trauer niemals so ganz aufhört, dass aber der Schmerz in Intensität verliert, dass das Leben wieder einen neuen Mittelpunkt und eine neue Balance finden kann, auch wenn es keinen Tag gibt, an dem man nicht an den oder die Verstorbenen gedacht hat. Weil die Toten auch im Leben der Hinterbliebenen ihren neuen Platz gefunden haben. Was das bedeuten kann, macht der britische Autor Julian Barnes in einem Satz deutlich: "Das können diejenigen, die den Wendekreis des Leids noch nicht überschritten, oft nicht verstehen - wenn jemand tot ist, dann heißt das zwar, dass er nicht mehr am Leben ist, aber es heißt nicht, dass es ihn nicht mehr gibt." Und darum geht es bei dieser Aufgabe.
Ein weiteres Trauermodell, das sich anzuschauen lohnt: So funktioniert das "Duale Prozessmodell der Trauer" (bitte hier klicken).
Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link
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William J. Worden sagt, es gibt vier wichtige Aufgaben innerhalb eines Trauerprozesses, denen er jeweils einen bestimmten Namen gegeben hat bzw. eine bestimmte Funktion zugeordnet hat.
Aufgabe Nr. 1 in der Trauer - nach William Worden: Das Begreifen. Das ist leichter gesagt als getan. Grob gesagt geht es darum, die Tragweite des Verlusts zu akzeptieren, diesen als neue Realität anerkennen zu lernen. Der oder die Gestorbene ist tot, wird nicht wiederkehren, das muss erstmal verinnerlicht werden. Oft geht das nur in ganz kleinen Stücken oder ganz kleinen Schritten, oft berichten Trauernde, dass der Verstand dort weiter ist als das Herz es jemals sein könnte.
Aufgabe Nr. 2 in der Trauer - nach William Worden: Die Gefühle und die Schmerzen zu durchleben. Es geht darum, alle Schmerzen und die Verzweiflung zulassen, sie auszuleben, wahrzunehmen, nicht wegzudrücken. Das ist oft besonders schwer, weil dieser Prozess erstens sehr viel länger dauern kann als gedacht und weil zweitens das Umfeld von Trauernden oft ungeduldig wird. Meistens steht dem eine Erwartungshaltung entgegen, die besagt: Komm, sei doch mal wieder normal. Aber normal ist nun einmal gar nichts in einem Trauerprozess, also in einem Prozess, der ja nun gerade das Unnormale aufzuarbeiten wünscht. Laut Worden ist es in Ordnung, all das zuzulassen, was da ist, ja, es sozusagen zu durchschreiten: Ein Gelähmtsein oder eine um sich schlagende Verzweiflung. Eine Niedergeschlagenheit oder eine wachsende Aggression. Die Sehnsucht und das Den-Tod-beklagen. Gehört alles dazu.
Aufgabe Nr. 1 in der Trauer - nach William Worden: Das Begreifen. Das ist leichter gesagt als getan. Grob gesagt geht es darum, die Tragweite des Verlusts zu akzeptieren, diesen als neue Realität anerkennen zu lernen. Der oder die Gestorbene ist tot, wird nicht wiederkehren, das muss erstmal verinnerlicht werden. Oft geht das nur in ganz kleinen Stücken oder ganz kleinen Schritten, oft berichten Trauernde, dass der Verstand dort weiter ist als das Herz es jemals sein könnte.
Aufgabe Nr. 3 in der Trauer - nach William Worden: Neuorientierung und das Suchen nach neuer Stabilität. Trauer ist wie ein Mobile aus dem ein Teil herausgeschnitten worden ist. Das ganze System ist in Unordnung geraten, alles, was vorher im Gleichgewicht gewesen ist, gerät in ganz unerwartete Bewegungen. Das System selbst muss sich erst wieder neu orientieren, muss sich neue Stabilitäten suchen, fast alle Komponenten dieses Systems müssen sich neu zusammenfinden. Das braucht Zeit und Geduld - und es ist eine der Aufgaben, vor denen Menschen in einer Verlustkrise oft stehen. Hobbies, die man gepflegt hat, machen keine Freude mehr. Dafür tut es einem plötzlich gut, stundenlange Spaziergänge zu machen oder mit seinen Toten am Grab oder sonstwo einen Dialog zu führen. Menschen, die einem früher gut getan haben, wenden sich plötzlich von einem ab, andere tauchen auf, die hilfreich sein. Das ganze Leben muss sich neu ordnen - und der in einer Verlustkrise steckende Mensch sieht sich vor der Aufgabe, diese Sortierungen vorzunehmen bzw. sorgsam drauf zu achten, was gerade mit ihm geschieht. Darum geht es.
(Pixabay.com/Tomasz Mikolajcyk, Polen, Cc-0-Lizenz |
Aufgabe Nr. 4 in der Trauer - nach William Worden: Der oder dem Toten einen neuen Platz zuweisen. Es geht in einem Trauerprozess eben nicht, wie es Außenstehende einem oft empfehlen, um ein "Loslassen", aber eben auch nicht um ein krampfhaftes "Festhalten". Stattdessen ist es hilfreich, dem Verstorbenen einen gefühlsmäßigen (oder auch tatsächlichen) Platz zu geben, einen Ort, wo man weiß, dass man ihn oder sie finden kann. Dass so etwas funktionieren kann, spiegeln mir die Menschen, die ihre eigenen Verlusterfahrungen schonn vor vielen Jahren gemacht haben, so hart sie auch gewesen sein mögen (verlorene Kinder, beispielsweise): Dass die Trauer niemals so ganz aufhört, dass aber der Schmerz in Intensität verliert, dass das Leben wieder einen neuen Mittelpunkt und eine neue Balance finden kann, auch wenn es keinen Tag gibt, an dem man nicht an den oder die Verstorbenen gedacht hat. Weil die Toten auch im Leben der Hinterbliebenen ihren neuen Platz gefunden haben. Was das bedeuten kann, macht der britische Autor Julian Barnes in einem Satz deutlich: "Das können diejenigen, die den Wendekreis des Leids noch nicht überschritten, oft nicht verstehen - wenn jemand tot ist, dann heißt das zwar, dass er nicht mehr am Leben ist, aber es heißt nicht, dass es ihn nicht mehr gibt." Und darum geht es bei dieser Aufgabe.
Ein weiteres Trauermodell, das sich anzuschauen lohnt: So funktioniert das "Duale Prozessmodell der Trauer" (bitte hier klicken).
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Der Autor dieser Zeilen steht in Osnabrück und im Osnabrücker Land als Trauerbegleiter zur Verfügung. Thomas Achenbach ist zertifizierter Trauerbegleiter nach den Standards des BVT (Große Basisqualifikation).
Thomas Achenbach ist der Autor dieser drei Bücher:
-> "Das ABC der Trauer - 77 Rituale und Impulse" (Patmos-Verlag)
-> "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise" (Campus-Verlag)
-> "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut" (Patmos-Verlag)
Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de.
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