Sonntag, 22. Januar 2017

Willkommen in der Welt des "Spiegelns" - wie eine Gesprächstechnik dabei hilft, besser in die Welt des Gegenübers einzutauchen

Osnabrück – Wer schon einmal ein Gespräch bei einem gut ausgebildeten Therapeuten, Berater oder Trauerbegleiter erlebt hat, der wird diese Methode kennen: Sie nennt sich das "Spiegeln" und es geht dabei darum, tatsächlich zu verstehen, was den Betroffenen beschäftigt. Um hier noch feinfühliger zu werden, um noch differenziert nachvollziehen zu können, was der Mensch dort gegenüber wohl fühlt, wird das zuvor Gesagte in eigenen Worten nochmal zurückgegeben. Die Technik geht zurück auf die „personenzentrierte Gesprächstherapie“, die der Psychologe und Psychotherapeut Carl Rogers erfunden und entwickelt hat. Die grundlegende Idee dabei ist die folgende: 


Helfen dabei, die Gefühle des Gegenübers zu verstehen: Emotionskarten, wie sie im Spes-Viva-Trauerland zum Einsatz kommen.  (Thomas-Achenbach-Foto)

Der Mensch, der Hilfe braucht, ist der eigene Experte für sein Leben, seine Gefühle, und braucht nicht die Steuerung von außen, sondern Bedingungen, die seine eigene Steuerung (wieder) erleichtern. Die Technik findet heute in vielen Psychotherapien Anwendung bzw. ist die Grundlage davon, wird aber oft auch in einem anderen Kontext eingesetzt. Sogar im beruflichen Umfeld außerhalb der Beratung und Psychologie. Denn dass die Gespräche, die nach dem von Carl Rogers geprägten Muster „Empathie, Akzeptanz, Kongruenz“ verlaufen – also Verständnis, Akzeptanz und Echtheit, oder anders die Unverstelltheit oder Authentizität der Dialogpartner – eben oft besonders gute, weil tiefe Gespräche werden, lässt sich nach Ansicht der Schweizer Beratungsfirma Manres auch in den Berufskontext einbetten. Die Trainer der Firma empfehlen jedem Angestellten eines von ihnen beratenen Unternehmens, offener und ehrlicher auf alle Kollegen und/oder Mitarbeiter zuzugehen. Das geht natürlich sehr weit. Aber, klar: Mehr echtes Verständnis füreinander kann grundsätzlich nicht schaden. Ob es funktioniert? Nun...:


Immer beim Gegenüber zu bleiben ist eine hohe Kunst


Im von Spes Viva in Belm betriebenen "Trauerland" für Kinder und Jugendliche jedenfalls wird konsequent gespiegelt – bei Kindern zumeist sehr direkt durch das Wiederholen des Gesagten, bei Jugendlichen schon eher durch eine Wiedergabe des Gesagten durch eigene Worte. Das professionelle Ziel ist wie bei einer Erwachsenen-Begleitung das Sich-Einfühlen-können in den Klienten, der sich dadurch besser verstanden und in seiner Situation als Mensch angenommen fühlt. Konsequent in der Welt des Gesprächspartners zu bleiben und nichts Eigenes hineinzumischen, das ist die hohe Kunst eines solchen Gesprächs.


Sogar beim Toben und Knüppeln wird gespiegelt


Im "Trauerland" geht das Spiegeln sogar so weit, dass auch im Toberaum zurückgegeben wird, was dort geschieht. Hier, wo die Kinder und Jugendlichen sich mit Schaumstoffknüppeln oder weichen Bällen richtig austoben können, sind ebenfalls ehrenamtliche Kräfte anwesend, die den Kindern die Intensität ihres Tuns spiegeln – und damit also die Intensität der damit verbundenen Gefühle wie Wut oder Zorn, so die dahinterliegende Idee. In unserer Ausbildung zum Trauerbegleitung haben wir sehr viel über das Spiegeln gesprochen und diskutiert. In einem Punkt bestand Einigkeit: 


Eine weitere spielerische Annäherung an tiefere Gefühle: Das "M+M-Spiel" im Spes-Viva-Trauerland in Belm gibt durch Fragekärtchen emotionale Impulse.   (Thomas-Achenbach-Foto)

Es darf keinesfalls nicht zu einem flachen Nachplappern mutieren, das Verstehenwollen muss immer im Vordergrund stehen. Die damit verbundenen Trainingseinheiten haben allerdings auch gezeigt, dass es so einfach, wie es klingt, eben doch nicht ist. Sondern eine Trainingssache. Jeder, der mag, kann es ja mal in seinem Alltag probieren. Aber Vorsicht! Denn wer so etwas sagt wie „Ich weiß GENAU, wie sich das anfühlt“, hat sich schon wieder auf eine andere Straße begeben – er ist nicht mehr beim Gegenüber. Das geschieht übrigens schneller als man denkt. Wer mag, kann ja mal beim nächsten Small Talk mal versuchen, immer konsequent in der Welt seines Gegenübers zu bleiben. Wem es gelingt, wird erfahren können, dass der Gesprächspartner sich gut aufgehoben fühlt. 

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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor der Bücher "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag und "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise", 220 Seiten, Campus-Verlag. Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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