Dienstag, 20. November 2018

Warum es so wichtig ist, sich als Trauerbegleiter auf eine umfassende Grundausbildung verlassen zu können und warum für mich ein Koffer und die Schlümpfe als Symbole dafür stehen - Meine ersten November-Fotos für die Mitmachaktion des Bundesverbands Trauerbegleitung

Koffer. Schlümpfe. Trauer. Kann alles zusammengehören... (Alle Fotos: Thomas Achenbach).

Osnabrück - Eine solide Ausbildung zu haben, das ist ein wertvolles Fundament, auf das sich bauen lässt. Ich merke das immer wieder, wenn ich mich auf eine Begleitung von Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise vorbereite oder wenn ich während des Gesprächs an einen Punkt gerate, in dem ich spüre, ah ja, sieh mal, hier hättest Du noch vor wenigen Jahren vermutlich ganz anders reagiert. Ich habe meine Ausbildung zum Trauerbegleiter abgeschlossen mit der "Großen Basisqualifikation" - und dieser ganze Kurs, der sich über ein ganzes Jahr erstreckte, mit all seinen Teilnehmern und Dozenten und Inhalten war ein wertvoller Baustein meines Lebens. Zu den ganz wichtigen Bestandteilen dieser Ausbildung gehörten zwei Elemente: Koffer und Schlümpfe. Man könnte auch sagen: Tiefe und Leichtigkeit. Somit ist auch dieses Thema eben "Hoffnungsvoll und Seelenschwer". Und damit ist es ebenfalls gut geeignet für meine inoffizielle Teilnahme an dieser offiziellen Aktion... (und weil ich im Oktober vor lauter Stress keine Fotos habe machen können, gibt es im November nun zwei Beiträge)...

Wie das Leben oft so spielt... - kann das noch ein Zufall sein? Kaum waren die Schlümpfe mir in meiner Trauerbegleiterausbildung wiederbegegnet, also die kleinen Plastikfiguren, wie wir sie als Kinder in den 80ern geliebt haben, da stieß ich in meinem Elternhaus auf meine dort noch vorhandene ganz eigene Sammlung alter Schlumpffiguren. Von der ich gar nicht mehr wusste, dass sie dort noch auf mich wartete. Seither finden sich diese Schlümpfe in vielen Variationen immer wieder auch als Fotomotiv und als Symbolfiguren auf diesem Blog und auf meinem Kulturblog. Denn mit diesen kleinen Figürchen lässt sich wesentlich mehr machen als nur spielen oder seine Sammelleidenschaft bedienen. Das war eine der wichtigen Botschaften, die wir aus unserer Trauerbegleiterausbildung mitgenommen haben.



Wobei es natürlich nur eine von vielen Botschaften und Inhalten war, die diese insgesamt sehr reiche und sehr vielfältige Ausbildung uns vermittelt hat. Absolviert im Haus Ohrbeck in der Nähe von Osnabrück, startete diese sich über ein Jahr erstreckende Fortbildung im Februar und endete im März des darauffolgenden Jahres. In der Zeit dazwischen gab es Einheiten, die rund eine Woche lang gingen und Einheiten, die nur ein Wochenende beanspruchten. Unser Kurs, der sich alsbald hervorragend verstand, wuchs eng zusammen und wurde eine verschworene Einheit. Wenn wir zusammen waren, entstand Energie, da gab es ein gegenseitiges Getragensein und eine tiefe Vertrautheit. Was natürlich auch damit zu tun hat, dasss die Ausbildung zum Trauerbegleiter - sinnvollerweise - mit dem Erkunden der eigenen Biographien und der eigenen Trauerwege beginnt. Und da geht es dann gleich zu Beginn richtig ans Eingemachte. Das schweißt zusammen. Dazu kamen zahlreiche Sachinformationen – was ist Trauer, wie äußert sie sich, welche Prozesse gibt es –, psychologische und kreative Einheiten, Exkurse in Sachen Notfallseelsorge und Traumdeutung und einen Ausflug in ein Bestattungshaus. Aber das Allerwichtigste: Jeder von uns hat gelernt, eine Haltung zu entwickeln, aus der heraus er begleiten möchte. Das ist enorm wichtig und sehr hilfreich, es hilft mir bis heute. Und zu alledem gesellten sich dann noch die Schlümpfe.



Denn diese etwa daumengroßen Plastikschlümpfe lassen sich auch anders betrachten und einsetzen: Lässt man einmal ihre Comic-Herkunft beiseite und schaut sich die Figuren mal aus einem anderen Blickwinkel an, wird einem der Reichtum an Motiven und Symbolen bewusst, der sich hier entfaltet. Es gibt zum Beispiel einen Schlumpf mit einer Lupe, also einen Suchenden. Es gibt einen Schlumpf, der schwer zu tragen hat und ins Schwitzen gerät. Es gibt einen Papa-Schlumpf, der als Dirigent im Frack gerade den Taktstock schwingt. Überhaupt, die Figur des Papa Schlumpfs so als der Weise, Erfahrene, Väterliche. Und, und, und... Ein perfekt geeignetes Sammelsurium an Symbolismen und Bildern also, mit denen sich beispielsweise in einem Seminar oder einer Trauerbegleitung oder in einem Coaching sehr gut arbeiten lässt...



Anstelle der oftmals eingesetzten Bildkarten (meistens kombiniert mit einer Aufgabe wie: Suchen Sie sich eine aus, die zu ihrer aktuellen Situation passt und erklären Sie uns, warum Sie gerade diese Karte gewählt haben...) lassen sich nämlich Spielfiguren nehmen. Auch und gerade im Trauerkontext, denn gerade hierbei darf es auch mal spielerisch zugehen. Und eben weil diese Schlümpfe bei uns in der Ausbildung immer mal wieder eine Rolle spielten und wir das insgesamt ebenso witzig wie anregend fanden, hatten wir auch bald einen Spitznamen für unseren Jahrgang und die dazugehörige Whats-App-Gruppe: Die Trauerschlümpfe. Womit wir zum nächsten für mich wichtigem Symbol kommen: Meinem Koffer.



Denn auch der ist natürlich eher symbolistisch zu verstehen als gegenständlich. Rund ein Jahr nach dem Ende unserer Trauerbegleiterausbildung konnte es mir alles nicht schnell genug gehen. Mit frischem Hintergrundwissen ausgestattet, war ich sehr daran interessiert, mich und meine Dienste nun auch anzubieten - für konkrete Begleitungen, für Trauerseminare und Vorträge und für alles, was sich sonst noch anbot. Schnell war klar: Weil die Hospizgruppen und Hospize, denen ich mich als Trauerbegleiter angeboten hatte, jeweils auf einer zusätzlichen und oft wieder über ein Jahr dauernden eigenen Ausbildung bestanden (worin ich noch einen Kritikpunkt in Sachen Ausbildungswesen sehe, aber das nur am Rande bemerkt), würde ich also als Einzelanbieter unterwegs sein. Gerade zu diesem Zeitpunkt traf sich unser Ausbildungsjahrgang zum ersten Treffen rund ein Jahr danach zu einer weiteren Fortbildung bzw. Supervision. Und in dieser kam dann der Koffer mit ins Spiel...


Seinen eigenen noch ganz leeren und noch ganz blanken Koffer zu gestalten, diese Tätigkeit auch als eine Art Gedankenreise und Zwischenbilanz zu verstehen, nach dem Motto "Was ist alles schon drin, was müsste noch mit hinein?", das war eine für mich sehr wertvolle Reflektionseinheit. Denn auf einmal konnte ich, anders als vorher, all das sehen, was es in der Zwischenzeit gegeben hatte: Mehrere Vorträge, ein bald stattfindendes Trauerseminar unter meiner Leitung, eine sich gerade gründende Trauergruppe. Es war viel mehr los als ich so dachte. Und auch das Bemalen dieses Pappkoffers war eine erfrischend gute Tätigkeit: Zwar hatte ich das Malen in der Schule stets als etwas Schreckliches erlebt - es war jedes Mal eine mehr unbeholfene und dahingepfuschte Versuchsansordnung mit dem ohnehin verhassten Wasserfarbkasten -, aber sich mit Acrylfarben ganz frei und unbefangen und ohne gegenständliche Mal-eine-Rose-Vorgaben kreativ austoben zu können, hatte eine ganz eigene Qualität. Somit war auch ein alter Schulfluch gebrochen dank dieser Aufgabe. Inzwischen ist bei mir übrigens wirklich vieles ins Rollen gekommen in Sachen Trauerbegleitung - und wenn mir auch anfangs alles nicht schnell genug gehen konnte, so staune ich heute manches Mal darüber, was sich inzwischen alles ergeben hat und wie schnell das gegangen ist. Und damit ist ist auch das irgendwie "auch Hoffnungsvoll und Seelenschwer". So wie diese Aktion hier.



Denn der Bundesverband Trauerbegleitung (BVT) - in dem ich ebenfalls Mitglied bin - feiert seinen zehnten Geburtstag in Form einer kreativen Mitmachaktion, zu der noch bis zum Ende des Jahres alle, die Lust haben, zur Teilnahme aufgerufen sind. Auch ohne jeden Bezug zum Thema. Wobei es interessant sein kann, sich den BVT einmal näher anzugucken. Gegründet mit dem Ziel, der Ausbildung zum Trauerbegleiter in Deutschland einen einheitlichen Lehrplan und ein einheitliches Zertifikat verschaffen zu können, versteht sich der Verband inzwischen als Sprachrohr und Interessenvertretung für alle Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise. Sie sind es auch, die sich zur Teilnahme an der Aktion eingeladen fühlen sollen (alle Infos gibt es unter diesem Link). Immer unter der Fragestellung: Was sind Kraftquellen, Stolpersteine, was trägt mich in meiner Achtsamkeit, was ist hilfreich für meine Selbstfürsorge? Was bringt Wut in den Bauch, was streichelt meine Seele? 

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Alle Infos zur Aktion "Hoffnungsvoll und Seelenschwer" gibt es auf der BVT-Website....

Erster Beitrag zur Fotoaktion (Januar): Warum auch meine alten ausgelatschten Chucks eine Kraftquelle für mich sind

Zweiter Beitrag zur Fotoaktion (Februar): Kraftquelle Waldeswillen - wie sich ein alter und gestürzter Baum einfach nicht unterkriegen lässt und warum das so gut tut

Dritter Beitrag zur Fotoaktion (März): Kraftquelle Kulturerlebnisse - wie sich mein Leben mit allen Tiefern und Höhen auch in Eintrittskarten abbilden lässt

Vierter Beitrag zur Fotoaktion (April): Kraftquellen Fotografie, Kreativität & Gestaltung: Wie das Fotografieren mir den Zen-Buddhismus näherbringt

Fünfter Beitrag zur Fotoaktion (Mai): Warum blühende Kastanien für mich zu einem Symbol dafür geworden sind, dass sich Krisen auch überstehen lassen

Sechster Beitrag zur Fotoaktion (Juni): Die alte Teekanne meiner Oma als ein Symbol für die Beständigkeit von Geteiltem im Leben - und für erlebtes Leiden

Siebter Beitrag zur Fotoaktion (Juli): Kindheit, die erste Heimat auf dieser Welt - so voller Mysterien und doch so zerbrechlich - von der Wirkmacht der ersten Jahre

Achter Beitrag zur Fotoaktion (August): Eintauchen in andere Welten durch Rock-LPs und ihre Plattencover - wie mir die Vermischung zweier Künste durch die Zeit half

Neunter Beitrag zur Fotoaktion (September): Standfest, sicher und ausgesetzt - warum die Bäume auf einem Osnabrücker Berg einen so hohen Symbolwert haben 

Zehnter Beitrag zur Fotoaktion (Herbst, die erste): Warum eine fundierte Ausbildung für einen Trauerbegleiter so wichtig ist und warum in meiner Schlümpfe eine Rolle spielen

Elfter Beitrag zur Fotoaktion (Herbst, die zweite): Ein ganzes Leben unter bunten Buchdeckeln - Warum Blanko-Notizbücher eine Kraftquelle sein können

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Der Autor dieser Zeilen 
bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Er hält auch Vorträge zum Thema Trauer und Umgang mit Trauernden. Mehr Infos gibt es hier

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Männertrauergruppe in der Region Osnabrück: Offene Gruppe, Einstieg jederzeit möglich - alle Infos über die Gruppe gibt es hier

Ebenfalls auf diesem Blog: Die merkwürdige Beständigkeit der Dinge - warum das Wegwerfen von Sachen für Menschen in einer Trauerkrise erstmal nicht möglich ist

Ebenfalls auf diesem Blog: Eine der schwierigsten Aufgaben in einem Trauerprozess - überhaupt begreifen zu können, was da geschehen ist - was das so schwer macht

Ebenfalls auf diesem Blog: Der Fluch der Tapferkeit - warum es Menschen in der modernen Gesellschaft so schwer fällt Trauer als etwas Normales anzuerkennen

Ebenfalls auf diesem Blog: Wer Öffentlichkeit will, muss sie selbst herstellen - Praxis-Tipps für gute Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Hospiz-, Trauer & Palliativinitiativen


Ebenfalls auf diesem Blog: Wenn Töne und Texte die Seele ins Schwingen bringen, Teil #01: Serie über Trauer und Musik - die besten Songs und Alben über Trauer und Tod 


Und im Kultur-Blog des Autors: Was "Babylon Berlin" wirklich zu einer ganz besonderen Serie macht - und das ist nicht alleine Bryan Ferry von Roxy Music

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