Mittwoch, 28. November 2018

Ein ganzes Leben unter mehreren bunten Buchdeckeln - Warum auch Blanko-Notizbücher eine Kraftquelle sein können - Meine zweiten November-Fotos für die Mitmachaktion des Bundesverbands Trauerbegleitung (plus: Tiipps für "Erfolgstraining" und "Superbuch")


Blanko-Notizbücher - ohne die geht es nicht.... (Alle Fotos: Thomas Achenbach)

Osnabrück - Für meine Lebensgestaltung sind sie essentiell - und auch sonst habe ich eine Schwäche für sie: Ohne Notizbücher könnte ich nicht leben. Sie sind ein ausgelagertes Gedächtnis, ein Ankerpunkt in der Erinnerung daran, was die Tage wertvoll gemacht hat und ein Sammelpunkt für alles, an das ich denken muss. Und weil ich gerade versuche, irgendwie drei bis vier Leben in eines zu packen - Familie, Hauptberuf, Trauerbegleitung, dazu noch das Schreiben, Bloggen, die Fotografie und noch das eine oder andere -, ist es besonders sinnvoll, alles, was gerade flüchtig im Gedächtnis herumspukt und das vielleicht erinnert werden sollte, rasch aufzuschreiben. In diesen verschiedenen Prozessen begleiten mich meine verschiedenen Notizbüchern, in denen sich mein ganzes Leben findet. Also sind sie eben auch: Kraftquellen. Außerdem: "Hoffnungsvoll und Seelenschwer". Und damit sind sie als Thema prädestiniert für meine inoffizielle Teilnahme an dieser offiziellen Aktion... als zweiter Beitrag im November, weil ich im Oktober keine Zeit dafür hatte.

Ich will ganz ehrlich sein: Am Anfang kam ich mir reichlich bescheuert vor, als ich damit begann, ein „Glückstagebuch“ oder „Erfolgstagebuch” anzulegen. Tagebuch zu führen, das hatte ich durchaus schon mal ausprobiert, aber es hatte mich doch immer irgendwie befremdet oder mir sehr wenig gebracht. Und dann als Über-30-Jähriger mit einer ganz besonderen Sorte Tagebuch anzufangen... – ganz schön Eso, irgendwie. Andererseits hatte ich auch noch die deutlichen Worte der Persönlichkeitstrainerin und Managementberaterin im Kopf, mit der ich damals einen Vortrag organisiert hatte: Man solle sich am Ende eines jeden Tages wenigstens drei Dinge notieren, die positiv gewesen sind. Um den Fokus auf das Gute im Leben zu richten. Denn: „Beachtung bringt Verstärkung.“ 



Ein simpler psychologischer Trick, der zu deutlich mehr Zufriedenheit im Leben führen soll. Und mehr Zufriedenheit hatte ich zu jenem Zeitpunkt in meinem Leben bitter nötig. Das war vor mehr als zwölf Jahren. Seither bin ich ein überzeugter Fan und Befürworter dieser Technik. Und habe keine Angst davor, es zugegeben. Manager nutzen diese Methode. Geschäftsführer nutzen sie. Erfolgreiche Menschen nutzen sie. Auch wenn es im ersten Moment etwas esoterisch anmuten mag: Es funktioniert. Ich persönlich nenne die Methode gerne „Positiv-Training“. Das klingt pragmatischer. „Glückstagebuch”, wie es viele bevorzugen, das schmeckt für mich dann doch zu sehr nach Teenagerträumen und Seifenoper. Aber „Training“ – das klingt hübsch aktiv und sportlich. Und so geht es: Man besorgt sich ein Buch mit leeren Seiten und einen Stift. Am Abend lässt man, vielleicht vor dem Schlafengehen, den Tag in Gedanken noch einmal Revue passieren und notiert sich einfach alles, was gut gewesen ist. Aber eben nur das. Das Schlechte bleibt einfach weg.




Das Ganze ist also weniger ein Tagebuch als vielmehr eine Art Wahrnehmungsschule. Für den Anfang reicht es, sich jeden Tag drei Dinge zu notieren. Schon nach wenigen Wochen werden es meiner Erfahrung zufolge automatisch mehr. Warum das Training so gut funktioniert, ist schnell gesagt: Weil man als Mensch zum Perspektivwechesl gezwungen ist. Denn von Natur aus ist der Mensch eben so gestrickt, dass er immer zuerst auf die negativen Seiten des Lebens sieht. Hand aufs Herz: Wenn Sie abends bei Familie oder Freunden erzählen, wie Ihr Tag gewesen ist – wie oft erzählen Sie etwas Gutes? Und wie oft etwas Negatives? Eher Letzteres, oder? Wie kommt das? Ganz einfach: es sind vor allem die kleinen positiven Ereignisse, die viel schneller in Vergessenheit geraten als alles, über das man sich aufregt. Wobei, eines muss klar gesagt sein: In einer Trauer- und Verlustkrise ist diese Technik erstmal zu ambitioniert. Aber es gibt eine ganz pragmatische und niederschwellige Methode, die sich dann anwenden lässt und die ich hier in diesem Blog bereits an anderer Stelle einmal beschrieben habe ("Sammeln Sie Ihre Immerhins..."). Aber dieses tägliche Training ist nur eines der Bücher, die ich in täglicher Benutzung habe.



Das andere ist mein "Superbuch". Ja, zugegeben, das klingt auch erstmal bizarr und esoterisch. Ist aber ganz einfach: Viele Jahre lang habe ich alles das, was mir gerade irgendwie im Kopf herumgespukt ist, auf den nächstverfügbaren Notizzettel oder auf einen gelben Post It geschrieben. Dazu kamen noch allerlei To-Do-Listen und Schmierzettel. Mit dem Resultat, dass ich irgendwann eine wilde und bei jedem Lüften durch die Gegend flatternde Sammlung an Minizetteln und Klebezetteln irgendwo herumliegen hatte, was erstens ziemlich schrecklich aussah und zweitens auch nicht unbedingt das gewünschte Ergebnis gebracht hatte (also: sich tatsächlich an etwas zu erinnern). Und je komplexer mein Leben so wurde, desto ausufernder wurde auch dieser Zettelberg. Ich bin tatsächlich erst sehr spät in meinem Leben und durch einen Blogbeitrag in "Frau Momos Minimalismus" auf die Methode mit dem Superbuch gestoßen. Die Idee ist eigentlich total simpel: Da kommt einfach alles rein. Alles. All die Zettelcheninhalte, Gedanken, Notizen, To Dos, Einkaufslisten, alles. Und wie Frau Momo so schön schreibt: Alles ganz unabhängig von geladenen Akkus. So begleiten mich zwei Notizbücher durch meinen Alltag: Mein Trainingsbuch und mein Superbuch. Und es kommen noch mehr dazu.


Denn es gibt noch Notizbücher mit zielgerichteten Notizen, also projektbezogene Bücher, wo ich alles, was das Projekt braucht, versammelt finde. Also: Jede Menge Leben und jede Menge Pläne und jede Menge Gutes ist da versammelt zwischen diesen Buchdeckeln. Und dennoch ist es immer wieder ein schönes Gefühl, ein neues, leeres Notizbuch in den Händen zu halten, aufzuschlagen und mit den ersten Zeilen zu beginnen. Das hat so etwas von: Das Leben geht weiter, ein neues Kapitel fängt an... Jedes Mal ein kleines Ritual der Erneuerung, der Fortsetzung und der weiteren Bereicherung (dafür, dass ich -Ung-Wörter eigentlich nicht ausstehen kann, waren das jetzt eine ganze Menge davon). Und damit ist ist auch das irgendwie "auch Hoffnungsvoll und Seelenschwer". So wie diese Aktion hier.




Denn der Bundesverband Trauerbegleitung (BVT) - in dem ich ebenfalls Mitglied bin - feiert seinen zehnten Geburtstag in Form einer kreativen Mitmachaktion, zu der noch bis zum Ende des Jahres alle, die Lust haben, zur Teilnahme aufgerufen sind. Auch ohne jeden Bezug zum Thema. Wobei es interessant sein kann, sich den BVT einmal näher anzugucken. Gegründet mit dem Ziel, der Ausbildung zum Trauerbegleiter in Deutschland einen einheitlichen Lehrplan und ein einheitliches Zertifikat verschaffen zu können, versteht sich der Verband inzwischen als Sprachrohr und Interessenvertretung für alle Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise. Sie sind es auch, die sich zur Teilnahme an der Aktion eingeladen fühlen sollen (alle Infos gibt es unter diesem Link). Immer unter der Fragestellung: Was sind Kraftquellen, Stolpersteine, was trägt mich in meiner Achtsamkeit, was ist hilfreich für meine Selbstfürsorge? Was bringt Wut in den Bauch, was streichelt meine Seele? 

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Alle Infos zur Aktion "Hoffnungsvoll und Seelenschwer" gibt es auf der BVT-Website....

Erster Beitrag zur Fotoaktion (Januar): Warum auch meine alten ausgelatschten Chucks eine Kraftquelle für mich sind

Zweiter Beitrag zur Fotoaktion (Februar): Kraftquelle Waldeswillen - wie sich ein alter und gestürzter Baum einfach nicht unterkriegen lässt und warum das so gut tut

Dritter Beitrag zur Fotoaktion (März): Kraftquelle Kulturerlebnisse - wie sich mein Leben mit allen Tiefern und Höhen auch in Eintrittskarten abbilden lässt

Vierter Beitrag zur Fotoaktion (April): Kraftquellen Fotografie, Kreativität & Gestaltung: Wie das Fotografieren mir den Zen-Buddhismus näherbringt

Fünfter Beitrag zur Fotoaktion (Mai): Warum blühende Kastanien für mich zu einem Symbol dafür geworden sind, dass sich Krisen auch überstehen lassen

Sechster Beitrag zur Fotoaktion (Juni): Die alte Teekanne meiner Oma als ein Symbol für die Beständigkeit von Geteiltem im Leben - und für erlebtes Leiden

Siebter Beitrag zur Fotoaktion (Juli): Kindheit, die erste Heimat auf dieser Welt - so voller Mysterien und doch so zerbrechlich - von der Wirkmacht der ersten Jahre

Achter Beitrag zur Fotoaktion (August): Eintauchen in andere Welten durch Rock-LPs und ihre Plattencover - wie mir die Vermischung zweier Künste durch die Zeit half

Neunter Beitrag zur Fotoaktion (September): Standfest, sicher und ausgesetzt - warum die Bäume auf einem Osnabrücker Berg einen so hohen Symbolwert haben 

Zehnter Beitrag zur Fotoaktion (Herbst, die erste): Warum eine fundierte Ausbildung für einen Trauerbegleiter so wichtig ist und warum in meiner Schlümpfe eine Rolle spielen

Elfter Beitrag zur Fotoaktion (Herbst, die zweite): Ein ganzes Leben unter bunten Buchdeckeln - Warum Blanko-Notizbücher eine Kraftquelle sein können

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Der Autor dieser Zeilen 
bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Er hält auch Vorträge zum Thema Trauer und Umgang mit Trauernden. Mehr Infos gibt es hier

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Männertrauergruppe in der Region Osnabrück: Offene Gruppe, Einstieg jederzeit möglich - alle Infos über die Gruppe gibt es hier

Ebenfalls auf diesem Blog: Die merkwürdige Beständigkeit der Dinge - warum das Wegwerfen von Sachen für Menschen in einer Trauerkrise erstmal nicht möglich ist

Ebenfalls auf diesem Blog: Eine der schwierigsten Aufgaben in einem Trauerprozess - überhaupt begreifen zu können, was da geschehen ist - was das so schwer macht

Ebenfalls auf diesem Blog: Der Fluch der Tapferkeit - warum es Menschen in der modernen Gesellschaft so schwer fällt Trauer als etwas Normales anzuerkennen

Ebenfalls auf diesem Blog: Wer Öffentlichkeit will, muss sie selbst herstellen - Praxis-Tipps für gute Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Hospiz-, Trauer & Palliativinitiativen


Ebenfalls auf diesem Blog: Wenn Töne und Texte die Seele ins Schwingen bringen, Teil #01: Serie über Trauer und Musik - die besten Songs und Alben über Trauer und Tod 


Und im Kultur-Blog des Autors: Was "Babylon Berlin" wirklich zu einer ganz besonderen Serie macht - und das ist nicht alleine Bryan Ferry von Roxy Music


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