Sonntag, 29. Mai 2016

Ein Trauermarsch aller Eltern, die ein Kind verloren haben - wie ist der "Walk To Remember" am 29. 7. 2016 in Frankfurt geplant, wer kann teilnehmen und was sind die Hintergründe? Ein Interview...


Osnabrück/Frankfurt am Main - Eine Premiere in Deutschland: Wenn am 29. 7. (Fr., ab 17 Uhr) in Frankfurt am Main der „Walk To Remember“ stattfindet, gehen dort Eltern aus der ganzen Welt in einem  Trauermarsch über die Straßen, um diesen gemeinsamen Gang dem Gedenken ihrer gestorbenen Kinder zu widmen... 

Hintergrund ist der parallel in Frankfurt stattfindende Kongress des internationalen Netzwerks „The Compassionate Friends“, einer weltweit aktiven Vereinigung von Eltern, die ein Kind verloren haben. Aber wie ist das Ganze geplant, wie soll es stattfinden - und, vor allem, wer darf teilnehmen? Die deutsche Mit-Organisatorin der Veranstaltung, Karin Grabenhorst, hatte auf der Messe "Leben & Tod 2016" einen Vortrag darüber gehalten. Im Interview mit diesem Blog gibt sie Auskunft darüber. Das Interview wurde in zwei Durchläufen per E-Mail geführt. 


Karin Grabenhorst ist eine der Mit-Organisatorinnen der Tagung "Mourning In Motion" in Frankfurt, zu der der "Walk To Remember" ebenfalls gehört.     (Björn-Buder-Foto mit freundlicher Genehmigung)


Karin Grabenhorst, wenn am 29. Juli in Frankfurt eine große Tagung des internationalen Trauer-Hilfs-Netzwerks "The Compassionate Friends" startet, dann ist an diesem ersten Tag der Tagung ein wesentlicher Bestandteil ein "Walk To Remember", ein Trauermarsch all der Eltern, die ein Kind verloren haben. Wie muss ich mir das vorstellen?

Karin Grabenhorst: Der "Walk to remember" steht als deutlich sichtbares Zeichen dafür, dass diejenigen, die um ein Kind trauern, nicht allein ihren Weg durch die Trauer gehen müssen, sondern dass es "mitfühlende Freunde" gibt (das ist die Übersetzung von The Compassionate Friends), die mit ihnen gehen - und das weltweit! Wie tröstlich das ist, in einer so großen Schicksalsgemeinschaft unterwegs zu sein, habe ich selbst 2012 in Costa Mesa /USA bei der letzten internationalen Tagung so erlebt. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Tagung unter dem Motto "Mourning in Motion - Trauer in Bewegung" steht (Anmerkung des Blogautoren: Anmeldeschluss ist am 31. 5. 2016, spannendes Workshop- und Vortragsprogramm). Es war meine Idee, auch hier deutlich zu machen, dass "Trauer" in Bewegung gekommen ist und immer weiter aus der Tabuzone herausgeholt wird: Inzwischen als Forschungsgegenstand an Universitäten, Gründungen von Netzwerken und Selbsthilfegruppen.   

Und wie ist das Ganze geplant?

Karin Grabenhorst: Konkret treffen wir uns am 29.7.16 um 17.15 h Uhr vor dem Hotel InterContinental in Frankfurt, wo die Tagung "Mourning in Motion - Trauer in Bewegung" stattfindet. Alle TagungsteilnehmerInnen, dazu gehören auch die ReferentInnen und diejenigen, die sich - angesprochen durch die Presse - spontan mit "auf den Weg machen wollen", gehen den Weg zum Eisernen Steg und besteigen dort ein Schiff zu einer Fahrt auf dem Main. Da wir alle grüne T-Shirts mit Logo und Namen des Kindes tragen, um das wir trauern, wird sich ein grünes Band am Mainufer entlang ziehen, bis "alle in einem Boot"  auf dem Main schippern. 

Viele Eltern könnten sich sicher vorstellen, an dem Trauermarsch teilzunehmen, aber nicht unbedingt an der Tagung - ist das möglich und an wen müssten Sie sich wenden, wenn?

Karin Grabenhorst: Der Walk to Remember ist eine öffentliche Veranstaltung, genauer eine Demo, da ist keine Anmeldung erforderlich. Der Treffpunkt ist vor dem Hotel InterContinental um 17.15.Uhr. Im Foyer halten wir einige wenige T-Shirts für diejenigen vorrätig, die sich noch spontan entscheiden, dazuzukommen und auch die Main-Schifffahrt mitzumache. Offiziell endet der Anmeldeschluss am 31. 5. 2016, auch für Tagesanmeldungen. 

Es ist ja erstaunlich, dass so etwas ausgerechnet im Sommer stattfindet und mal nicht an den "traurigen Tagen im November" - ist das Absicht?

Karin Grabenhorst: Es ist Tradition, die Internationale TCF-Tagung mitten im Sommer stattfinden zu lassen. Die meisten internationalen TeilnehmerInnen verbinden die Teilnahme an der Tagung mit einem Besuch des Gastlandes. Und Deutschland im November ist ja auch nicht wirklich einladend... Außerdem sind im November alle aktiv in Vorbereitung des Worldwide Candle Lighting und werden in ihren Trauergruppen gebraucht - eben wegen der traurigen Tage im November...

Für alle Leser, die damit nichts anfangen können - was genau ist das "World Wide Candle Lighting"?

Ein Lichterband umspannt die ganze Welt - das ist die Idee des weltweiten Gedenktages an verstorbene Kinder.  (Thomas-Achenbach-Foto)
Karin Grabenhorst: Jedes Jahr findet am 2. Sonntag im Dezember der Weltgedenktag für die verstorbenen Kinder, das Worlwide Candle Lighting statt, ins Leben gerufen durch The Compassionate Friends. Hier findet die sichtbare Verbundenheit aller Menschen weltweit, die um ein verstorbenes Kind trauern, seinen berührendsten Ausdruck: Eltern, Geschwister, Großeltern, Angehörige und Freunde stellen um 19 Uhr zeitzonenversetzt ein Licht für die Kinder in die Fenster. So zieht sich das Lichterband in 24 Stunden um die ganze Welt für die Kinder, mit ihrem Leben die Welt erhellt haben und immer noch in das weitere Leben strahlen. Dieses Bild hat mich so inspiriert, dass ich mein Lied "So weit vor deiner Zeit" in viele Sprachen übersetzen ließ und die internationale Version "Long before your time" entwickeln konnte - jeder Kontinent ist vertreten, und viele Menschen waren daran beteiligt. Auch aus diesem Grund kam ich ins Internationale Komitee der TCF. 

Die Compassionate Friends sind wie der Bundesverband der verwaisten Eltern und Geschwister ein Zusammenschluss von Eltern, die Waisen geworden sind - ist die deutsche Vereinigung so etwas wie der "Kleine Bruder"?

Karin Grabenhorst: Wenn Sie auf die Größe der beiden Länder anspielen: Bei der letzten internationalen Tagung in Costa Mesa/USA habe ich 2012 erlebt, wie sich die Mitglieder einer großen Weltfamilie umeinander gekümmert haben, miteinander trauerten, gemeinsam weinten und auch lachten, das LEBEN mit dem verstorbenen Kind - oder der verstorbenen Kinder - in den Mittelpunkt stellten und sich dabei unterstützten, und das generations- und kontinentübergreifend. Gleichwohl ist die Mitgliederzahl in den USA natürlich um ein vielfaches höher, nicht nur bedingt durch die Größe des Landes, auch weil viele Kinder - anders als bei uns - in Kriegen und bei Naturkatastrophen ums Leben kommen. 

Bei der Tagung, die Sie da organisieren, bieten Sie ein qualitativ hochwertiges Programm auf dem Niveau der "Leben und Tod" in Bremen, sehen Sie da keine Konkurrenzgefahr?

Karin Grabenhorst:  Nein, überhaupt nicht: Die "Leben und Tod" in Bremen ist eine Messe, dort gibt es immer ein umfangreiches Vortrags- und Workshop Programm, parallel dazu bieten kommerzielle Aussteller ihre Produkte an. Bei unserer Tagung (oder, um den englischen Begriff "Gathering" = "Zusammenkunft" zu verwenden) ist die Begegnung der weltweiten LändervertreterInnen der Institutionen, die Trauernde nach dem Tod eines Kindes begleiten und, wie in Deutschland, sich auch politisch und wissenschaftlich positionieren. Diese LändervertreterInnen sind oft selbst vom Tod eines Kindes betroffen, es ist wie der Austausch von Selbsthilfeorganisationen. Hier sah ich die Chance, dass wir neben dem Netzwerk-Ausbau erstmalig in den Austausch darüber gehen, wie in anderen Ländern und Kulturen Trauernde nach dem Tod eines Kindes (egal, wie alt und durch welche Ursache es es ums Leben kam) begleitet werden.

Warum ist dieser Austausch so wichtig?

Karin Grabenhorst: In den letzten Jahren ist viel in Bewegung gekommen - gleichzeitig ist Tod und Trauer, insbesondere nach dem Tod eines Kindes, gesellschaftlich immer noch sehr tabuisiert. Um an dieser Stelle zu schauen, was inzwischen gut auf den Weg gekommen ist, wo wir in der Trauerbegleitung voneinander lernen können (Best Practice) und wo Forschung und Lehre stehen, fand ich das Motto "Mourning in Motion - Trauer in Bewegung". 

Haben Sie einen Tipp für alle, die mit trauernden Eltern im Umfeld zu tun haben - wie sollten Sie ihnen begegnen, was brauchen Menschen in einer solchen Situation?

Karin Grabenhorst: EINEN Tipp? Das schaffe ich nicht...   

(... und was Karin Grabenhorst dann im Folgenden alles mitgeschickt hat, ist so lesenswert und wertvoll, aber auch so lang, dass es einen ganz eigenen Blogbeitrag an anderer Stelle wert ist... - demächst also mehr dazu auf diesem Blog.)

Zur Person: Karin Grabenhorst ist Vorstandsmitglied im Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V., außerdem ist sie im International Comitee of The Compassionate Friends( TCF). Grabenhorst bietet gestaltende Lebens- und  Trauerbegleitung, Projekte über Leben und Tod, Abschied, Trauer und Hoffnung und ist die Autorin von "Siris Reise oder Wo ist der Weg zur Ewigkeit?" mit eigenen Illustrationen, erschienen beim SANTIAGO VERLAG, Goch.

Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung in Osnabrück sowie im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Mehr Infos gibt es hier

Ebenfalls auf diesem Blog: Was bringt eigentlich Trauerbegleitung? Was kann sie leisten und was nicht? Ein Interview. 

Ebenfalls auf diesem Blog: Zehn Tipps für einen hilfreichen Umgang mit Trauernden - für Angehörige, Freunde und Kollegen

Und im Kultur-Blog des Autors: Weltweit einmalig: Warum gibt es in Deutschland eigentlich so viele Theater - und die Subvention? Wie kommt das?

Ist eine der Organisatorinnen der Tagung "Mourning In Motion" - die in Deutschland arbeitende Karin Grabenhorst.   (Thomas-Achenbach-Foto)


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