Anlass hierfür war die Klage eines evangelischen Theologen, der in seinen Umsatzsteuererklärungen stets den reduzierten Mehrwertsteuersatz angegeben hatte, was ihm das zuständige Finanzamt nicht durchgehen lassen wollte. Dagegen hatte der Mann, der dem Bericht der NJW zufolge Hochzeits-, Geburtstags-, Trennungs- und Trauerreden hält und seinen Kunden im Nachgang ein schriftliches Redemanuskript übermittelt, Klage beim Finanzgericht Nürnberg eingericht. Danach ging der Fall durch die Instanzen.
Strittig war in der Rechtsauseinandersetzung vor allem die Frage, ob wegen des Nicht-Erhebens eines Eintrittsgeldes bei Trauerfeiern und ähnlichen Veranstaltungen bei den Rednern von "Ausübenden Künstlern" gesprochen werde könne oder nicht. Hier sagt der Bundesfinanzhof, wie von der Zeitschrift NJW zitiert, nun eindeutig: "Die fehlende "Eintrittsberechtigung" der Teilnehmer von Hochzeits- und Trauerfeierlichkeiten steht der Steuerermäßigung nicht entgegen. Auch setzt sie kein "Kulturangebot" an die Öffentlichkeit voraus".
Das Nürnberger Gericht hatte die günstigere Mehrwertsteuer auch mit der Begründung abgelehnt, Trauerfeiern und ähnliche Veranstaltungen richteten sich an einen geschlossenen Personenkreis - dem sei zu widersprechen, sagt nun der Bundesfinanzhof, denn gerade Trauerfeiern seien öffentliche Veranstaltungen, zu denen Nachbarn und andere Bekannte kämen und bei denen im Falle eines gestorbenen Prominenten zudem eine größere Öffentlichkeit teilnähme.
Der Bundesfinanzhof verweist auf eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht, derzufolge das Wesen einer künstlerischen Tätigkeit alleine in der freien schöpferischen Gestaltung läge, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werde, wie die Zeitschrift aus dem Verlag C.H.Beck weiter schreibt.
Übersetzt für den Fall eines Trauerredners könnte das also bedeuten: Wenn er seine ganz eigenen Eindrücke des Gestorbenen so vermittelt, wie er sie im Trauergespräch erlebt hat, schafft er eine eigene Kunst - und eben nicht ein schablonenartig Gleiches und sich stets Wiederholendes. Somit darf er sich als "ausübenden Künstler" bezeichnen und damit wiederum den günstigeren Steuersatz geltend machen.
Update im März 2017: Wie sich aktuell zeigt, scheinen die Finanzämter des Landes dieses Urteil und seine Zwinglichkeit jeweils anders auszulegen. So berichtete eine Trauerrednerin aus Thüringen bei einem Telefonat, dass es dort wohl Probleme in der Anerkennung gäbe, weil das Urteil als Einzellfall und als nicht maßgeblich ausgelegt würde, während ihr Trauerrednerkollegen aus anderen deutschen Gebieten teils unterschiedliche Rückmeldungen gegeben hätten.
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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Er hält auch Vorträge zum Thema Trauer und Umgang mit Trauernden. Mehr Infos gibt es hier.
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