Freitag, 17. Mai 2019

Warum die Mutter von Rolf Zuckowski auf dem Sterbebett eines der Lieder ihres Sohnes zitierte und was das mit dem Musiker gemacht hat - Eindrücke vom Auftritt des Kindermusikers auf der Bremer Messe "Leben und Tod": Angekommen im Leben jenseits der Weihnachtsbäckerei

"Wir sind gemeinsam unterwegs..." - mit diesem Lied eröffnete der Musiker Rolf Zuckowski (72) seinen Auftritt auf der "Leben und Tod" in Bremen im Mai 2019  (alle Fotos: Thomas Achenbach).

Bremen - "Mit jedem Abschied wird man irgendwie neu geboren" - so sagte es der beliebte Kinderliedermacher Rolf Zuckowski im Mai 2019 auf der Messe "Leben und Tod" in Bremen bei einer Podiumsdiskussion, und fügte hinzu: "Das habe ich gelernt". So wie er auch dieses inzwischen gelernt hat: "Es gibt ein Leben jenseits der Weihnachtsbäckerei". Und in diesem Leben musste sich der bekannte Musiker auch mit dem Tod auseinandersetzen, sogar mehrfach und schon recht früh. Auf der Bühne in Bremen berichtete der 72-Jährige gleichsam intensiv wie sensibel von seinen eigenen Trauerprozessen. Die mit dem Suizid des Vaters begannen.

Sein Vater hatte es immer recht schwer, wenn er zuhause war, erinnert sich der Kindermusiker - oder besser gesagt: Wenn er an Land war. Denn der gestandene Seemann fühlte sich auf Schiffen und auf dem Meer zuhause, aber mit festem Boden unter den Füßen wollte ihm das Leben nicht so recht gelingen. Viel Alkohol, viel Flucht, und irgendwann wollte er einfach nicht mehr - seinen Suizid verkündete er mit einer entsprechenden Aussage. "Er hat sich 1981 von uns verabschiedet", erzählte der Musiker. Für den etwa 30 Jahre alten Rolf Zuckowski, der da gerade als Musiker in Hamburg durchstartete, war das der Anlass, sich an Kinderliedern zu versuchen - er wollte den Kindern Mut machen. "Das hat auch damit zu tun, dass es meinem Vater anders ging", sagte er auf der Messe.



Als dann 2004 seine Mutter bereits im nahenden Sterben lag, sagte sie: "Ich möchte ja doch zu ihm rüber", berichtete der Sänger bei der Podiumsdiskussion. Und später zitierte die Mutter auf dem Sterbebett eines der Kinderlieder ihres Sohnes - in Anlehnung an seinen Song "Kinder werden groß, man hat sie lieb und lässt sie los" sagte sie zu ihm: "Weißt Du, Rolf, auch Eltern werden groß - man hat sie lieb und lässt sie los", erinnert sich der Sänger. "Trauer...", sagte er dann: "Da ist immer wieder das Gefühl, da bleibt etwas". 



Zuckowski erinnert sich noch daran, wie er auf dem Balkon des Altenheims stand, gleich an dem Vormittag, nachdem seine Mutter in der Nacht gestorben war - und wie er von dort vom Hamburger Flughafen die erste Morgenmaschine starten sah. "Ich habe gedacht: Ja, so isses", erzählt der 72-Jährige. Nun seien beide Eltern drüben und er noch hier. Als Folge dieses Erlebnisses entstand das Lied "Drüben", das sich ebenfalls auf seinem 2016 veröffentlichten Trost- und Traueralbum "Deine Sonne bleibt" finden lässt und das der Musiker in Bremen spielte ("Drüben ist Ruhe, drüben ist Frieden, drüben sind alle gleich / Drüben ist jeder irgendwann, drüben kommt jeder sicher an").


Medienrummel auf der Messe - Rolf Zuckowski ist da


"Nun werde ich auch für Dich hier leben", habe er dort auf dem Balkon noch gedacht, erinnert sich Rolf Zuckowski. Der Auftritt des Musikers sorgte übrigens für einen gewissen Medienrummel, der diesmal selbst für "Leben und Tod"-Verhältnisse ungewöhnlich hoch war: Fernsehteams von Sat.1, RTL und dem NDR, mehrere Zeitungsreporter und Fotografen wuselten durch das Forum, also den öffentlich zugänglichen Vortragsbereich in der Messehalle 6. Wobei es gar nicht so unpassend ist, wie man meinen könnte, einen Rolf Zuckowski als Podiumsgast auf einer Trauermesse anzutreffen - doch dass der Musiker hat eine CD mit eigenen Trost- bzw. Trauersongs veröffentlicht hat, ist nur den Wenigsten bekannt. Dieses Album - "Deine Sonne bleibt" - entstand auch in einer neuerlichen Auseinandersetzung mit dem Tod seiner Mutter bzw. seiner Eltern. Der wahre Grund für die Anwesenheit des 72-Jährigen auf der Messe war jedoch ein anderer.



So ist Rolf Zuckowski einer der Beteiligten bei einer neuen Ausstellung mit Bildern und Musikbeiträgen zum Thema Trauer, die jetzt allen Einrichtungen, die sie gerne ausleihen möchten, zur Verfügung steht. Sie heißt wie ein bekanntes Lied von Rolf Zuckowski, das dieser auch gleich zu Beginn seines Auftritts spielte: "Gemeinsam unterwegs". Wobei die Ausstellung noch mit dem Untertitel versehen ist: "Eine Ausstellung über Leben und Endlichkeit". 



Hauptbestandteil dieser Schau sind jedoch die Bilder des Malers Anselm Prester - besser bekannt als "der Inselmaler Anselm", der auf der Nordseeinsel Langeoog ein Atelier unterhält und dort schon zahlreichen Kindern und Erwachsenen in Kursen das Malen nähergebracht hat. So auch der in Hanau arbeitenden Diakonin Kerstin Slowik, die dort einen Ambulanten Hospizdienst leitet - und die die Idee hatte, diese beiden für sie in ihrer eigenen Kindheit so prägenden Elemente für eine Wanderausstellung zu kombinieren: Die Musik von Rolf Zuckowski und die Bilder des Inselmalers Anselm. Der erzählte auf dem Podium dann auch von seinen Bestrebungen, die Senioren der Insel Langeoog auch zum Sterben dort lassen zu können - und sie nicht in die ungewohnte Ferne des Festlands entsenden zu müssen. Wo es Insulaner nicht immer so schön finden, wie Anselm Prester auf der Messe erzählte: "Beim Aussteigen habe ich noch so gedacht, Mensch, was habt Ihr Bremer hier eigentlich für eine Luft...!" - sagte er. 



Dem Sterben - das in seinen Bildern immer wieder auch ein Thema ist - kann der Inselmaler übrigens viele Aspekte abgewinnen, wie er berichtete: "Ich habe durchaus auch humorvolle Sterbeszenen erlebt", erinnerte er sich. Infos über die Ausstellung "Gemeinsam unterwegs" und die Konditionen zum Ausleihen gibt es über die Internetseite www.ausstellung-gemeinsam-unterwegs.de.

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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor der Bücher "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag und "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise", 220 Seiten, Campus-Verlag. Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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