Mitbringsel von der Messe - inklusive der Erinnerung: ich werde sterben. Vielleicht nicht heute. Aber wer weiß, was morgen so ist. (Alle Fotos: Thomas Achenbach) |
Bremen - In Deutschland könnte es in naher Zukunft noch mehr solcher Tage zum Gedenken an die Gestorbenen und zur Unterstützung von Trauernden geben, wie es der Tag des "World Wide Candle Lighting" jeweils im Dezember ist. Das ist eine der wesentlichen Lehren der 2019er-Auflage der Messe "Leben und Tod" in Bremen, die dort am 10./11. Mai stattfand - übrigens mittlerweile zum zehnten Mal und so erfolgreich, dass es in 2020 zu einer süddeutschen Ausweitung kommen wird (aber dazu später mehr). Wie immer gab es auf der Bremer Messe zahlreiche neue Trends in der Trauer- und Bestattungskultur zu entdecken - so zum Beispiel einen Beerdigungsclown.
"Ein Licht für Dich" - unter diesem Motto möchte der Vidu, der Selbsthilfeverein für Verwitwete, einen weiteren Gedenktag nach dem Muster des Sternenkindgedenkens etablieren. Das Wort Vidu steht dabei für Witwe, denn es ist die lateinische Vokabel dafür. Und darum geht es: Jeweils am letzten Sonntag im Oktober - in 2019 also am 27. 10. - sollen alle, die das wollen, ein Teelicht ins Fenster stellen und leuchten lassen, wobei das Teelicht mit einer speziellen Banderole umwickelt sein sollte, die der Verein als Download auf seiner Website anbietet und die Vereinsmitglieder auch auf der Bremer Messe verteilten. Die Aktion soll für die Belange aller Menschen sensibilisieren, die sehr früh einen Partner verloren haben - früh verwitwete also. Den Sonntag als Aktionstag haben die Verantwortlichen dabei sehr bewusst gewählt.
Denn der Sonntag gilt allgemein als der Familientag, also als ein Tag, der den Charakter von unverletzter Heiler Welt in sich trägt. Dem Verein zufolge geht es hierbei um Frauen und Männer, die den Partner durch Krankheit, Unfall oder Suizid früher als "normal" verlieren; Mütter und Väter, die nicht nur die eigene Trauer, sondern auch die ihrer Kinder aushalten und auffangen müssen; zerplatzte Lebensträume, ausradierte Zukunftsvorstellungen, begleitet durch psychische, häufig auch materielle Not. Und weil Ende Oktober die kommende Dunkelheit des Winters wieder ausbricht, ist das Leuchten eines Lichts ein starkes Symbol. Anders als beim "World Wide Candlelighting" gibt die Initiative jedoch keine feste Uhrzeit vor. Einen Gedenktag ganz anderer Art plant indes eine von der Trauerbegleiterin Iris Willecke aus dem Sauerland ins Leben gerufene Projektgruppe.
Aktionstag soll an unsere Sterblichkeit erinnern
Dieser soll "Memento Tag" heißen und jeweils am 8. 8. eines Jahres stattfinden. Wobei die Zahl Acht hier als aufrecht stehendes Symbol der Unendlichkeit zu verstehen ist. Anders als bei den zuvor genannten Aktionstagen geht es hier nicht um das Gedenken, sondern um das Bewusstmachen. Nicht umsonst erinnert das namensgebende "Memento" an die Tradition des "Memento Mori", auf Deutsch also: Erinnere Dich daran, dass Du sterblich bist. Dass Du sterben wirst. Genau darum soll es bei dem Aktionstag gehen: Die Menschen an die Endlichkeit des Lebens zu erinnern und damit ein neues Bewusstsein zu schaffen dafür, wie besonders es eigentlich ist. Oder wie Iris Willecke in ihrem Blog dazu schreibt:
"Meiner Meinung nach ist es an der Zeit, Themen wie Endlichkeit, Tod, Sterben und Trauer wieder etwas mehr ins gesellschaftliche Bewusstein zu holen. Ich glaube, dass dazu ein deutschlandweiter „Memento – Tag“ eine tolle Sache wäre. Den Tag können dann unterschiedlichste Gruppen, Organisationen, Dienstleister, … für eigene Aktionen rund um die Themen Sterben, Tod und Trauer nutzen, ähnlich also wie z.B. beim „Tag des Friedhofs“ oder dem „Tag der Kinderhospizarbeit“..." Die Initiative ist schon recht weit mit ihren Vorbereitungen: So gibt es schon ein eigenes Logo, einen Instagram-Account, eine eigene Website und eine Postkarte, die auf der Messe "Leben und Tod" verteilt wurde. Auch an anderen Stellen ging es bei der Bremer Messe sehr lebensnah und bunt zu - so zum Beispiel am Stand von Kaala Knuffl.
Nur ein Clown darf sowas - Bälle am Grab & Friedhofspoesie
Hinter diesem Namen verbirgt sich die Psychologin Birgit Sauerschell aus Franken, die als "Beerdigungs-Clown" auf der Messe zu erleben war. Klassisch ausgestattet mit roter Nase, aber ansonsten etwas dezenter angezogen, soll Kaala Knuffl nicht als knallbunter Zirkus-Spaßmacher verstanden werden, sondern noch tiefergehender als eine Mischung aus Narr und Symbolkünstler. Aber was macht so ein Beerdigungs-Clown eigentlich? Birgit Sauerschell sagt: "Er bringt vor allem Poesie". Die Tradition geht zurück auf eine im alten Rom verbreitete Methode, die inzwischen auch in den Niederlanden weit verbreitet ist: Wie ein Narr am Hofe eines Königs darf ein Clown auch die Macken und Ticks eines gestorbenen Menschen auf augenzwinkernde Art bei der Beerdigung zeigen - oder darf einen Fußball ins Grab rollen lassen, wenn dort beispielsweise ein Mensch liegt, dem dieser Sport viel bedeutet hat. Respektvoll, mit einem gewissen Zauber, aber mit Charme und dem Schalk im Nacken, das Leben eines Gestorbenen zum Glänzen bringen, das ist die Aufgabe eines solchen Trauer-Clowns, erzählte mir Sauerschell, die übrigens auf mehrjährige Erfahrungen als Klinik-Clown zurückgreifen kann. Dass sie noch den weiten Fahrweg aus dem tiefen Süddeutschlandnach Bremen auf sich nehmen musste, um auf der "Leben und Tod" präsent sein zu können, wird sich in 2020 übrigens ändern.
Denn im kommenden Jahr ist die "Leben und Tod" gleich zwei Mal zu erleben - am klassischen Veranstaltungsort in den Bremer Messehallen im Mai und als norddeutscher Exportschlager erstmals auch in Freiburg, wo sie im Oktober neu stattfinden wird. Das verkündeten die Messeverantwortlichen bei der Eröffnung der diesjährigen "Leben und Tod". Obwohl die Veranstaltung in Freiburg stattfindet, wird sie vom Bremer Erfolgsteam gesteuert und verantwortet - „damit findet erstmals eine Eigenveranstaltung der Messe Bremen dauerhaft an einem zweiten Standort statt“, heißt es in der Pressemitteilung dazu. Die Nachfrage sei schon immer groß gewesen, wird Bereichsleiterin Andrea Rohde von der Messe Bremen darin zitiert: „Wir wurden immer wieder von anderen Messestandorten, Institutionen und Fachteilnehmern angesprochen.
Ich habe noch mehr von der diesjährigen Messe "Leben und Tod" zu berichten: Warum sogar Rolf Zuckowski auf einer Trauermesse auftritt und was er zum Thema zu sagen hat und wie ein ehemals Spielsüchtiger zum erfolgreichen Betreiber mehrerer Trauerchats geworden ist - dazu und zu anderen Themen bald mehr in meinem Podcast und hier auf diesem Blog.
Infos: Die nächste Messe "Leben und Tod" findet am Freitag und Samstag, 8.
und 9. Mai 2020, in Bremen sowie am Freitag und Samstag, 23. und 24. Oktober
2020, erstmals in Freiburg statt.
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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor des Buches "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag, 17 Euro, erschienen im März 2019. Mehr Infos gibt es hier.
Alle aktuellen Termine, Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare etc. mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link
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Den Blog zum Anhören als Podcast - bitte hier klicken für die aktuelle Episode aus dem Trauer-ist-Leben-Podcast...
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