Osnabrück. Das Schreiben liegt mir vor. In Kopie und anonymisiert. Aber: Ein offizielles, amtliches Dokument der Gemeinde Lotte: "Hiermit erteile ich Ihren Eltern und Ihnen die Erlaubnis, dass ihre nach einer Feuerbestattung verbliebenen sterblichen Überreste - Totenasche - auf Ihrem Grundstück beigesetzt werden dürfen", so beginnt es, sinngemäß. Es folgen ein paar Auflagen, die der Angeschriebene bitte zu erfüllen habe. Dann ist die Bestattung im eigenen Garten kein Problem mehr... Eben jene Gemeinde Lotte, in der das möglich ist, liegt drei Kilometer von meiner Haustür entfernt. Und ich, in Niedersachsen, als Bewohner der Stadt Osnabrück dürfte das, was dort erlaubt ist, hier keinesfalls. Ein bizarrer Fall von vielen.
Bestattungsgesetze sind Landesgesetze - und von Land zu Land sehr unterschiedlich. Wie sehr, das zeigt sich nun wieder anhand dieses interessanten Falls, der mich über einige Umwege erreicht hat: Urnenbestattungen im eigenen Garten sind nicht nur in der Gemeinde Lotte erlaubt, sondern in ganz Nordrhein-Westfalen.
Die Voraussetzung dafür ist, dass die zuständige Gemeinde dies vorher genehmigt - und natürlich darf ausschließlich Asche nach einer Kremierung beigesetzt werden, also keinesfalls ein Leichnam in einem Sarg (ob und inwiefern die Regeln auch für die Erde gelten, die am Ende einer Re-Erdigung überbleibt, ist aktuell offen, vermutlich nicht). Geregelt ist das in §16, Absatz 6, Satz 2 des Bestattungsgesetzes NRW. Trotzdem bizarr:
Demnächst im eigenen Garten? (Foto: Pixabay.de, CC-00-Lizenz) |
Selbst die Innenstadt von Osnabrück, also meines Wohnorts, ist für mich weiter weg als die Gemeinde Lotte. Anders gesagt: Mache ich gefühlte zwei Schritte nach rechts von meiner Haustür aus, bin ich im Urnen-im-Garten-Gebiet, stelle ich mich wieder vor meine Tür, bin ich im Bereich Friedhofszwang für Urnen. Was für ein Wirrwarr. Aber einer, der Wünsche weckt und vielerlei unbefriedigte Bedürfnisse sichtbar macht (siehe dazu auch meinen Kommentar zum Thema Bestattungspflicht in Deutschland). Welche Auflagen sind es nun, die in der Gemeinde Lotte für die Urnenbestattung im Garten zu erfüllen sind?
(Foto: Pixabay.de/CC-0-Lizenz) |
Erstens: Für die nächsten 25 Jahre nach der Bestattung muss für alle Personen, die das wünschen, ein freier Zugang zu der Bestattungsstätte im Zeitraum von 9 bis 18 Uhr gewährleistet sein. Zweitens sei sicherzustellen, dass die Nutzung des Grundstücks, auf dem die Bestattung erfolgte, mit der Totenwürde vereinbar sei. Das Grundstück dürfe also nicht genutzt werden als Kirmes-, Fest-, Grill-, Veranstaltungs- oder Sportplatz, heißt es in dem Schreiben weiter.
Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass man sich eine Urne zwar für die Bestattung vor Ort aushändigen lassen kann, sofern dies genehmigt ist, dass diese dann aber auch bestattet werden muss. Das Aufbewahren von Urnen zuhause ist in Deutschland weiterhin strafbar (Stand: April 2024).
In Bremen erlaubt: Asche ausstreuen
Im Bundesland Bremen ist es übrigens schon seit 2015 möglich und zulässig, dass die Urne den Angehörigen ausgehändigt wird und dass die Asche dann auch auf einem privaten Gelände verteilt werden darf. Die Voraussetzung dafür ist, dass der gestorbene Mensch zuvor in Bremen gemeldet war und diesen Wunsch noch zu Lebzeiten schriftlich festgehalten hat.
Wozu dieser Wirrwarr an Regeln und Gesetzen führen kann, zeigt das Phänomen des Urnentourismusses. Man könnte auch sagen: Leichentourismusses. Das ist weit verbreitet - viel weiter, als manche denken - und längst praktizierter Alltag.
Dreh- und Angelpunkt: Eine Trauerhalle auf einem Friedhof (Foto: Pixabay.de/CC-0-Lizenz) |
Wer seine Verstorbenen eben doch als Asche zuhause haben möchte, der findet Mittel und Wege: Man miete sich über einen Anbieter eine günstige Grabstelle in den Niederlanden, der Schweiz oder in Tschechien. Ist die Urne dann ins Ausland überführt worden, endet damit auch die Zuständigkeit der deutschen Behörden. Ob sie wirklich beigesetzt wurde oder doch zurück ins Auto verfrachtet - das zu kontrollieren, wessen Zuständigkeit ist das jetzt?
Zumal in allen drei genannten Ländern keine Bestattungspflicht existiert. Re-Import nennt sich das Verfahren. Das ist so weit verbreitet, dass sogar Medien schon mehrfach darüber berichtet haben (zum Beispiel hier, oder hier, oder hier).
Regel brechen und einfach Strafe zahlen
Oder andersrum: Der Leichnam wird einfach in ein Schweizer Krematorium gebracht - oder in ein niederländisches, ein tschechisches -, schon gilt selbige Zuständigkeitsverwirrung. Die deutschen Behörden sind erstmal raus. Und was dann, wie auch immer, zurück nach Deutschland kommt, muss streng genommen immer noch hier bestattet werden und darf eben nicht zuhause aufbewahrt werden.
Geschieht dies nicht, gilt es als Ordnungswidrigkeit. Nach Recherchen des WDR kostet diese etwa um die 1200 Euro, wie es in der Radio-Dokumentation "Was kostet der Tod" heißt (ausgestrahlt im Januar 2024, hier geht es zum Beitrag). Manche Angehörigen sind durchaus bereit, das Bußgeld gleich mit einzupreisen. Dann kostet es halt Strafgebühren. Aber, und das ist ein wichtiges Aber: Niemand kontrolliert das wirklich. Niemand. Weil es dafür gar keine wirklichen Zuständigkeiten gibt. Nur eines gilt es zu beachten:
Schicker Bau: Das Krematorium in Tuttlingen (Foto: Pixabay.de/CC-0-Lizenz) |
Laut niederländischer Rechtsprechung darf die Asche aus dem Krematorium nicht sofort mitgenommen werden, sondern erst nach 30 Tagen. Diese Regelung wurde eingeführt, damit die Angehörigen genug Bedenkzeit haben, was sie mit der Asche tun wollen, und sich nicht aus dem Affekt heraus - und dem womöglich noch immer großen Schock nach dem Todesfall - zu irgendeiner Aktion hinreißen lassen, die sie bald bereuen.
Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link
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