Osnabrück. Es waren die Nationalsozialisten, die der Urne in Deutschland zu neuem Ruhm verhalfen. In dem am 15. Mai 1934 eingeführten Deutschen Feuerbestattungsgesetz setzten sie die Urne dem Sarg als gleichwertig gegenüber. Diese Rechtsprechung gilt so bis heute und ist in weiten Teilen Deutschlands weitestgehend unverändert geblieben. Allzu beliebt war die Feuerbestattung anfangs zwar nicht, aber das änderte sich im Laufe der Jahre. Heute ist sie ein Trend - aber einer mit einer langen Tradition.
Es war Karl der Große, der dem Einäschern von Leichen zuerst einen Riegel vorgeschoben hatte. Aus christlicher Überzeugung: nur intakte Körper können wieder auferstehen. Das war irgendwann um das Jahr 750 herum und galt viele Jahrhunderte als Standard. Bis die Friedhöfe überquollen und sich die Seuchen breitmachten, da brauchte es neue Lösungen. Einige Jahre später kamen private Verbrennungsvereine und bauten die ersten Krematorien. Da war klar: Hier muss was geregelt werden.
(Fotos: Thomas Achenbach) |
Das taten die Nazis dann auch. Was sie 1934 einführten, gilt bis heute. Und zwar: Größtenteils unverändert. Und manches, was die Nazis damals einführten, ist heute noch wirklich wichtig: So beispielsweise die im Gesetz verankerte Pflicht zur zweiten Leichenschau im Falle einer Kremation, die den Missbrauch unmöglich machen soll. Bevor ein Leichnam ins Feuer geht, müssen mehrere Fachleute bestätigen, dass er auch wirklich tot ist. Das ist sinnvoll, denn wenn ein Körper einmal verbrannt worden ist, taugt er auch nicht mehr als Beweismittel (falls es sich doch um einen unnatürlichen Tod gehandelt haben sollte).
Doch was die Nazis damals ebenfalls einführten: Den Friedhofszwang. Bereits durch die Preußen etabliert, galt der nun für ganz Deutschland. Und gilt bis heute, landauf, landab. Mögen die Bestattungsgesetze auch Landessachen sein - es gibt kein Bundes-Bestattungsgesetz, nur Flickwerk von Bundesland zu Bundesland -, mag sich auch das Land Bremen mittlerweile eine kleine Ausnahme ausgehandelt haben, was den Friedhofszwang angeht, ist er auch für Urnen immer noch Standard. Nur die Seebestattung als große Ausnahme wird ebenfalls bereits in den Gesetzestexten des Jahres 1934 geregelt und aufgeführt.
Warum gibt es einen Friedhofszwang für verwesende Leichen - warum hielt man das für sinnvoll? Nun, man hatte vor allem Angst vor Seuchen. Man wollte die Körper an einer Stelle verwesen lassen, die man für geeignet hielt. Man wollte die Kontrolle darüber haben, an welcher Stelle diese sich auflösenden Körper all das wieder in die Erde und ins Grundwasser geben, was sie so in sich gespeichert haben. Medikamentenreste, zum Beispiel, oder Chemikalien, ob nun körpereigene oder fremde. Einsehbar. Aber: Warum gibt es einen Friedhofszwang für Urnen? In denen ja nichts anderes ist als die Asche eines verbrannten Körpers (plus die in der Knochenmühle zu Staub zermahlenen Knochen, die später beigefügt werden)?
Nun, wegen des so genannten "Gleichheitsprinzips". Das bedeutet, überspitzt formuliert: Tot ist tot und gehört auf den Friedhof. Man begründete dies meistens mit der Ehrung der Totenruhe, der Pflege des Grabes als kulturelle Verpflichtung oder der Pflege eines Friedhofs als gesamtgesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe. Und weil die Toten eben dort bestattet werden. Eine hygienische Notwendigkeit indes gibt es dafür nicht - und nicht alle Angehörigen sehen diesen Friedhofszwang tatsächlich ein, was schon längst zu einem mehr oder minder versteckten, teils auch ganz öffentlich angebotenem Urnen- und Leichentourismus führt, der an anderer Stelle in diesem Blog noch Thema sein wird (in Kürze).
Denn nicht nur die Entscheidung des Bundeslands Bremen, den Friedhofszwang für Urnen de facto aufzuheben, hat für allerlei Bewegung in den deutschen Gesetzen geführt - auch die neue Bestattungsform der "Re-Erdigung", die uns hier in Kürze noch intensiv beschäftigen wird, mischt die Karten noch einmal ganz neu. Eine Bestattungsform, bei der die Menschen kompostiert werden, so dass ich am Ende nur noch Erde bekomme - die ich dann aber wieder auf einem offiziellen Friedhof "bestatten" muss... - das zu vermitteln, dürfte nicht mehr ganz so einfach sein. Bald mehr dazu.
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