Osnabrück/Kirchlinteln - Drei Ereignisse haben sich kürzlich überschnitten. Erstens hat die wunderbare Fotografin Ulrike Lehnisch von der Firma "LuxTeufelsWild" aus dem Leisen Speicher in Osnabrück mehrere neue Portraitfotos von mir geschossen, die ich allesamt sehr gelungen finde - und mit der Veröffentlichung meines neuen Buches war es an der Zeit für ein paar neue Fotos. Zweitens darf ich in Essen im Ruhrgebiet am 26. 2. 2024 einen Vortrag zum Thema "Männer und Trauer im Spannungsfeld der Moderne halten". Und drittens gibt es da dieses Interview mit mir, das ich sehr gerne mag, das aber leider nie eine Veröffentlichung hat erleben dürfen. Anlass genug, all das zu koppeln und zu veröffentlichen. Wie es zu dem Interview kam, ist übrigens schnell erzählt.
Im Spätsommer 2023 durfte ich nach Verden an der Aller zurückkehren für einen weiteren Vortrag dort, nachdem ich dort bereits 2022 auf dem hervorragend organisierten Sternenkinderkongress sprechen durfte. Eingeladen hatte mich diesmal Henning Rutsatz von "Abschied Bestattungen" und das Thema meines Vortrags war "Männer und Trauer im Spannungsfeld der Moderne". Und im Vorfeld sollte der unten angefügte Text auf den Vortrag aufmerksam machen.
Er organisierte den Vortragsabend in Verden an der Aller und koordinierte das Interview: Henning Rutsatz von Abschied Bestattungen aus Kirchlinteln (Foto: privat). |
Denn wie das Leben oft so spielt, kam es anders als gedacht, und die an sich angedachte Veröffentlichung hat doch nicht stattfinden können. Da hatte ich allerdings die mir zugeschickten Fragen bereits beantwortet. Und nun freue ich mich, dass ich das Interview - ganz außerhalb von damit verbundenen Terminen - hier einfach auf meinem Blog veröffentlichen darf, gekoppelt an die neuen Fotos, die ich ebenfalls sehr gerne mag. Nun macht das Interview eben auf einen Vortrag im Ruhrgebiet aufmerksam, der öffentlich ist und der gleichzeitig den Start einer neuen Männertrauergruppe markiert. Aber jetzt genug der Vorrede. Los geht's...
Mit meinem neuen Buch "Das ABC der Trauer" bin ich inzwischen ebenfalls für Lesungen unterwegs (Foto: Ulrike Lehnisch/Luxteufelswild). |
Herr Achenbach, Sie beschäftigen sich u. a. mit einem recht
speziellen Thema, es geht um Trauer bei Männern. Wie kommen Sie zunächst dazu,
sich überhaupt mit Trauer auseinanderzusetzen?
Achenbach: In meinem Leben hat sich irgendwie ein Puzzlestück an das andere gefügt, wie das oft so ist – das fing schon in der fünften Klasse an, als eine Mitschülerin von uns von einem Bus überfahren wurde. Dann waren es Freunde, die lebensbedrohlich erkrankt waren, Nachbarn, Kollegen, der Tod meiner Mutter – und immer war da diese enorme Hilflosigkeit bei allen Anderen und bei mir selbst. Irgendwann war mir klar: Ich möchte gerne sprachfähiger oder zumindest souveräner werden bei den Themen Trauer, Tod und Sterben. Die letzte Initialzündung war dann eine berufliche Krise.
Es ist allgemein bekannt, dass Frauen und Männer sehr
unterschiedlich ticken. Das fängt beim Redebedürfnis an. Ist das ein Grund,
weshalb Sie den Anlass erkannt haben, dass Männer bei der Trauerarbeit
Unterstützung benötigen?
Achenbach: Ehrlich gesagt hat sich das einfach so ergeben – man ist als Mann, der Trauerbegleitungen anbietet, immer noch so etwas wie ein Exot. Prompt kamen eher Männer zu mir als Frauen. Und relativ bald habe ich die Chance bekommen, in die Leitung einer Männertrauergruppe einzusteigen. Ich habe durchaus auch Frauen begleitet – aber Männer fühlen sich nach meiner Erfahrung meist sicherer, wenn sie von ihresgleichen begleitet werden können.
(Foto: Ulrike Lehnisch/Luxteufelswild) |
Kann es also sein, dass Männer den Trauerfall eher
verdrängen? Und was wäre eigentlich schlimm daran?
Achenbach: Eben, das ist es ja – nichts ist schlimm da dran. Es ist nur eine andere Strategie für den Umgang mit der vielleicht größten Hilflosigkeit, die es im Leben gibt. Aber es ist eben eine Strategie. Meistens ist es übrigens gar nicht ein Verdrängen, mit dem wir bei Männern zu tun haben – eher ein ganz besonders feindosiertes Zulassen. Mit einem guten Gespür dafür, dass einen das alles kolossal überfordern könnte.
Wer kommt in Ihre Seminare? Sind tatsächlich auch trauernde
Männer unter den Gästen?
Achenbach: Da muss man ein bisschen unterscheiden. Die Seminare richten sich eher an diejenigen, die sich selbst in Begleitersituationen wiederfinden, also Hospizkräfte, Menschen aus dem Kontext Trauerbegleitung oder Palliativbewegung. Für die Trauernden selbst sind die Einzelbegleitungen gedacht oder die Trauergruppen, wobei ich aktuell keine Gruppe anbiete.
(Foto: Ulrike Lehnisch/Luxteufelswild) |
Was genau bieten Sie an, damit Männer sich ihrer Trauer
stellen?
Achenbach: Letztlich gar nicht so viel – und dann doch sehr viel. Ich schaffe ein Setting, in dem sich ein Mann wohlfühlen kann. Ganz oft ist das zum Beispiel das gemeinsame Gehen draußen in der Natur und nicht etwa ein Gespräch in einem Raum. Und dann lasse ich den Gast erzählen, was ihn bewegt, in einem Tempo und in einer Intensität, die sich aus dem Gespräch heraus ergibt. Ich versuche zu erspüren, wann welches Thema dran ist – und lasse dem Gast ganz viel Raum. Ohne dabei mit bestimmten Methoden zu arbeiten. Das ist mir wichtig. Männer mögen Methoden meistens nicht, das liegt ihnen nicht. Aber reden wollen sie. Und wie.
Wie ist die Resonanz der Gäste nach Ihrem Seminar?
Achenbach: Ganz egal, ob Seminar oder Trauergruppe, es sind meistens sehr intensive Stunden, die prall gefüllt sind mit Leben, das zu betonen ist mir wichtig. Es wird auch viel gelacht – und das mitten im Trauern. Das schließt sich durchaus nicht aus. Und weil es so intensiv werden kann, ist es oft auf eine wohltuende Art anstrengend. Wie es einer meiner Klienten mal formuliert hat: Zu Ihnen zu kommen ist wie ins Fitnessstudio zu gehen, erst sehe ich ein wenig dagegen an, aber hinterher hat es immer richtig gut getan.
(Foto: Ulrike Lehnisch/Luxteufelswild) |
Vielleicht haben jetzt sogar trauernde Männer dieses Interview gelesen und sind unschlüssig, sich Ihnen anzuvertrauen. Machen Sie den Zögerlichen doch noch einmal Mut.
Achenbach: Ich hatte mal einen Mann in Einzelbegleitung, dessen Sohn sich suizidiert hatte. Bei unseren Gesprächen haben wir über alles Mögliche geredet. Über das, was sich im Job gerade so tut bei diesem Mann, über Autos, Musik, alles mögliche. Manchmal, aber nur sehr fein dosiert und nur sehr wenig, auch über das Unfassbare, dem sich dieser Mann stellen musste. Genau so hat es ihm gutgetan, das hat er mir immer wieder gespiegelt. Ein guter Begleiter weiß genau, dass der Gast die Regie führt – und nicht der Begleiter selbst. Deswegen kann ich alle Männer nur ermutigen, es mit einer Begleitung zu probieren. Weil: Ihr seid der Boss. Wir reden über das, was ihr wollt, in der Dosis, die ihr bestimmt.
Herr Achenbach, danke für das Gespräch und viel Erfolg.
Achenbach: Ich darf mich herzlich bedanken für die guten Fragen – und wünsche ebenfalls viel Erfolg, vielen Dank.
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