Mittwoch, 10. Januar 2024

Auch die besondere Einsamkeit trauernder Menschen gilt es zu berücksichtigen - was der Deutsche Hospiz- und Palliativverband in der "Strategie gegen Einsamkeit" der Bundesregierung vermisst (zu Recht) - hier die am 14. 12. 2023 verteilte Pressemitteilung des DHPV im Wortlaut

(Alle Fotos: Thomas Achenbach)

Freunde fallen weg, Menschen wechseln die Straßenseite. Ich habe noch keinen Menschen getroffen, bei dem sich nicht nach dem Verlust eines Angehörigen das gesamte Umfeld neu sortiert hat. Trauer macht einsam - vielleicht in einem ganz besonderen Maße. Nun also soll es eine bundesweite Strategie gegen Einsamkeit geben - und das ist grundsätzlich eine äußerst begrüßenswerte Initiative, die das 
Familienministerium des Bundes da im Dezember 2023 vorgelegt hat. Dennoch hat sie den Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) zu einer Stellungnahme bewegt, denn er vermisst die besondere Einsamkeit von trauernden Menschen in diesem Positionspapier - hier ist die am 14. 12. 2023 verteilte Pressemitteilung des DHPV im Wortlaut: 

"Die vom Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) vorgelegte Strategie gegen Einsamkeit wurde jetzt vom Bundestag beschlossen. Der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) begrüßt, dass Einsamkeit als komplexe gesamtgesellschaftliche Herausforderung anerkannt wird, vermisst aber den Zusammenhang zwischen Trauer und Einsamkeit sowie Trauer und Suizidalität.

Die Linderung oder Vermeidung von Einsamkeit spielt im Kontext von Hospizarbeit und Palliativversorgung eine zentrale Rolle: So bei der gesellschaftlichen Integration und Teilhabe der Schwerkranken und Sterbenden, insbesondere durch Kommunikation und die Beziehungsarbeit, die in ambulanten Hospizdiensten, stationären Hospizen oder in Palliativstationen und in Krankenhäusern geleistet wird.

„Aus diesem Grund begrüßen wir die jetzt verabschiedete Strategie, vor allem, dass Einsamkeit als komplexe gesamtgesellschaftliche Herausforderung anerkannt wird“, so Prof. Winfried Hardinghaus, Vorsitzender des DHPV. „Besonders wichtig ist aus Sicht des DHPV, dass Menschen in vulnerablen Lebenssituationen und deren Risiko für leidvolle Einsamkeit ausdrücklich erwähnt sind, darunter Schwerstkranke in der letzten Lebensphase und ihre Zugehörigen." Oder in Kürze übersetzt: Grundsätzlich gut, aber....

 


Denn wie der DHPV in einer Stellungnahme zum Diskussionspapier weiter betont: „Auf dem Weg zu einer Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit“ im März dieses Jahres ausdrücklich formuliert hatte, gehören zu den Personen in vulnerablen Lebenssituationen ganz besonders auch die Trauernden. Erfahrungen in der Hospizarbeit und Palliativversorgung zeigen, dass der Verlust nahestehender Menschen, insbesondere des Lebenspartners oder der Lebenspartnerin, ein wesentlicher Auslöser für leidvoll erfahrene Einsamkeit ist.

„Und ausgerechnet diese wichtige und zahlenmäßig sehr große Gruppe findet in der jetzt verabschiedeten Strategie keine Erwähnung“, so Hardinghaus. „Hier wäre zum Beispiel die Förderung der von Hospizdiensten angebotenen Trauerarbeit ein wichtiger Aspekt.“

Auch der Zusammenhang von Einsamkeit und Suizidalität ist nach Einschätzung des DHPV zu wenig berücksichtigt. Zwar wird chronische Einsamkeit als zentraler Risikofaktor für Suizidalität benannt. Allerdings hätte nach Ansicht des DHPV die suizidpräventive Bedeutung der Strategie gegen die Einsamkeit stärker zum Ausdruck kommen müssen.



Trotzdem sieht der DHPV einige Punkte, die auch mit den Ansätzen der Hospizbewegung und Palliativarbeit übereinstimmen, etwa die Stärkung von freiwilligem und bürgerschaftlichem Engagement und Ehrenamt als geeignetem Instrument, um Einsamkeit zu lindern und vorzubeugen sowie die Förderung sozialer Orte und Räume für Austausch, Begegnung und Engagement aller Altersgruppen in den Kommunen.

„Wir sprechen in der Hospizarbeit von sorgenden Gemeinschaften“, so Hardinghaus. „Das ist ein Ansatz, der auch bei der Umsetzung der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland eine immer größere Rolle spielt und der der zunehmenden Vereinsamung in unserer Gesellschaft wirkungsvoll begegnen könnte“... - 

... soweit der komplette Wortlaut der DHPV-Pressemitteilung. Und mit allen Erfahrungen, die ich bislang mit Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise gesammelt habe, kann ich mich diesem Papier nur vollumfänglich anschließen.

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Der Autor dieser Zeilen steht in Osnabrück und im Osnabrücker Land als Trauerbegleiter zur Verfügung. Thomas Achenbach ist zertifizierter Trauerbegleiter nach den Standards des BVT (Große Basisqualifikation). 

Thomas Achenbach ist der Autor dieser drei Bücher: 

-> "Das ABC der Trauer" (Patmos-Verlag, Herbst 2023)
-> "Mitarbeiter in Ausnahmesituationen - Trauer, Pflege, Krise" (Campus-Verlag).
-> "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut" (Patmos-Verlag)

Mehr Infos auf www.thomasachenbach.de

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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Auf dem Portal der Neuen OZ zu finden: Das ABC der Trauer - wie der Osnabrücker Trauerbegleiter trauernden Menschen Halt geben möchte

Ebenfalls auf diesem Blog: Ein neuer Raum und neue Möglichkeiten - wo ich in Osnabrück jetzt Trauerbegleitung anbieten darf (weiterhin auch als Spaziergang)  

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