Freitag, 25. Oktober 2019

Vorgestellt: Drei neue Bücher, die ich empfehlen möchte - Mit einem Themenmix rund um Trauer und Verlust, persönliche Krisen und andere wichtige Bereiche wie das Draußen gehen und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit - Buchtipps im November 2019

(Alle Fotos: Thomas Achenbach)

Osnabrück - Schon seit mehreren Wochen, sogar Monaten, liegen hier drei Bücher bei mir im Arbeitszimmer, die ich gerne vorstellen wollte und die mich sehr interessiert haben. Jetzt endlich finde ich die Zeit, sie angemessen zu würdigen und mit einer längeren Besprechung zu bedenken. Es geht um weibliche Trauer nach dem Verlust eines Partners, es geht darum, warum uns das Gehen - das schlichte Gehen - als Menschen nicht nur in einer Krisensituation so besonders gut tut und es geht um Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, ein Thema, dem ich mich auch auf diesem Blog immer mal wieder als Randaspekt gewidmet habe und dass ich in Seminaren bei Hospiz- und Palliativeinrichtungen vermittelt habe. Lust drauf? Ja? Prima, dann kann's ja losgehen:



1.) "Alleine weiterleben" / Eva Terhorst

Kurzbeschreibung des Buches: Wenn es im Titel heißt "Alleine weiterleben - wenn der Partner stirbt", dann ist das sehr bewusst auf die männliche Form reduziert. Denn das neue Buch von Eva Terhorst, mit der ich hier auf diesem Blog auch ein paar Dialoge zum Thema Trauer und Verlust gestaltet habe, richtet sich explizit an Frauen. Eva ist inzwischen in der Welt der Trauerbuchautoren fest etabliert und bringt mittlerweile ihr fünftes Buch auf den Markt. Bekannt geworden war sie anfangs mit "Das erste Trauerjahr". Veröffentlicht im Herder Verlag, Taschenbuch, 158 Seiten, 18 Euro.

Wie ich auf das Buch aufmerksam geworden bin: Der Verlag hatte es mir auf Evas Bitte hin zugeschickt, wie er es auch schon mit ihren vorherigen Büchern getan hat.

Wie ich dieses Buch gelesen habe: Ich war neugierig darauf, wie es Eva wohl gelingen würde, sich wieder einer bestimmten und sehr zugespitzten Zielgruppe zuzuwenden, zumal einer, der sie selbst aufgrund ihrer eigenen Trauererfahrungen sehr nahesteht, was sowohl Vor- wie auch Nachteil sein kann.

Was mir an dem Buch gefällt: Tatsächlich ist der unschlagbare Vorteil dieses Buches, dass es sich ganz klar und sehr zugespitzt an eine bestimmte Zielgruppe richtet, also an Frauen, die ihren Partner verloren haben - und dass Eva diese Zielgruppe immer wieder ganz bewusst adressiert und anspricht. Das macht das Buch persönlich und noch besser lesbar. Außerdem geht es nicht alleine um Trauer und die damit verbundenen Gefühle, die Eva wieder einmal besonders einfühlsam aufzuzeigen versteht, sondern auch um ganz praktische Aspekte: Wie gehe ich damit um, wenn mit dem Tod des Partners meine finanzielle und existenzielle Sicherheit auf dem Spiel steht? Was muss ich dann alles tun (diese Frage wird sogar in Form einer Checkliste behandelt, sehr hilfreich). Wie kann ich die Kinder gut begleiten in einer solchen Situation, was brauchen sie - und vor allem, in welchem Alter brauchen Kinder genau was? Einen langen Abschnitt widmet Eva auch der Frage, wie sich eine trauernde Frau wohl auf Partys, Familienfeiern und bei anderen öffentlichen Anlässen fühlt - und sie ermutigt die Betroffenen dazu, sich nur das zuzumuten, was ihnen gut tut und einfach wegzubleiben, wo es ihnen nicht gut tun wird. Solcherlei verständnisvolle und empathische Tipps finden sich an vielen Stellen des Buches. Wie immer in ihren Büchern bietet Eva wieder viele Affirmationen und viele Traumreisen an (teilweise auch zum Anhören), von denen ich mir gut vorstellen kann, dass sie bei der weiblichen Leserschaft richtig gut ankommen - und nicht nur da, mit dem Impuls "Ich traue meinen Kindern ihr Schicksal zu" hat sie auch bei mir in einer gerade nicht ganz so leichten Zeit, wenn auch ohne Trauerkontext, voll ins Schwatze getroffen. 
Eva berichtet in diesem Buch zudem viel von ihrem eigenen Todesfall und den Erfahrungen, die sie gemacht hat, drängt sich damit aber nicht in den Vordergrund, stattdessen bilden die praktischen und pragmatischen Aspekte den Hauptbestandteil. Das ist eine insgesamt gelungene Mischung, die das Publikum sicher ansprechen wird

Wo ich beim Lesen noch Fragezeichen hatte: Eva richtet sich mit diesem Buch ganz ausschließlich an Frauen. Nicht nur der Klappentext sagt das so, der ganze Inhalt des Buches ist so gestrickt. Das ist einerseits gut so, andererseits hat es mir nochmal verdeutlicht, dass es nun im Grunde genommen noch die "männliche Perspektive" bräuchte. Gewissermaßen als Gegenpol dazu. 


2.) "Draußen gehen - Inspiration und Gelassenheit im Dialog mit der Natur" / Christian Sauer

Kurzbeschreibung des Buches: Nein, das hier ist kein Trauerbuch - und doch passt es perfekt in den Trauerkontext. Es ist, wie der Name schon sagt, ein Buch über das Gehen. Aber genau deswegen gibt es viele Verbindungen zur Trauer (und zur Trauerbegleitung), die an einer Stelle im Buch sogar explizit so benannt werden. Das Buch soll ein eher meditativer-sinnenfreudiger Genuss sein, was sich auch an Gestaltungs- und Papierqualität festmachen lässt (als ursprünglich gelernter Schriftsetzer habe ich an allen Büchern besondere Freude, in denen die für den Satz benutzten Schriften im Impressum angegeben werden - ein Zeichen für eine besondere Qualität). Zwar als Taschenbuch veröffentlicht, aber als großes und besonders gestaltetes, ist es alleine schon haptisch ein besonderes Buch. Veröffentlicht im Verlag Hermann Schmidt, 174 Seiten, 29,80 Euro. 

Wie ich auf das Buch aufmerksam geworden bin: Ich kenne den Autoren, Dr. Christian Sauer (der seinen frisch erworbenen Doktortitel hier bescheidenerweise weglässt), weil er mir zu jenen Zeiten, als ich noch als Redaktionsleiter gearbeitet hatte, gelegentlich als Coach zur Seite gestanden hat, was immer sehr hilfreich gewesen ist. Seither stehen wir in einem gelegentlichen und dann sehr herzlichen Austausch, worüber ich mich freue. 

Wie ich dieses Buch gelesen habe: Mit einer mehrfachen Neugier. Vor allem deswegen, weil ich in Zeiten persönlicher Krisen das Gehen tatsächlich als überraschend hilfreich erlebt habe.  

Was mir an dem Buch gefällt: Fangen wir mal mit der Trauer an. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass mehrere Trauergruppen diese beiden Elemente miteinander verbinden: Das Gehen in der Natur und das Sprechen über die Trauer. So wie es beispielsweise das Angebot "Wandern für Trauernde" von der Hospiz- und Palliativinitiative Spes Viva einmal im Monat in der Region Osnabrück anbietet (Transparenzhinweis: Ich bin bei Spes Viva selbst als Ehrenamtlicher aktiv, allerdings nicht in der Leitung dieser Wandergruppe). Auch das Buch benennt an einer Stelle sehr konkret diesen Zusammenhang, wie sehr einen die Natur wieder mit dem Archaischen, dem Echten und dem Endlichen im Leben verbinden kann. Passenderweise beginnt das Buch mit der Szene eines trüben, grauen Herbsttages. Christian Sauer hat sein Buch als Collage aufgebaut - in kurzen Absätzen beschreibt er eigene Wanderungen oder Spaziergänge durch Städte, die sich mit allgemeinen Gedanken und Thesen über das Gehen und seine Kraft abwechseln. Dabei werden viele spannende und wahre Aspekte gestreift - dass sich Landschaften beispielsweise niemals wirklich fotografieren lassen, beispielsweise, oder dass das Gehen eine Psycho- und Kulturtechnik mit therapeutischen Qualitäten sein kann. Besonders gut gefällt mir allerdings der Abschnitt, in dem Christian Sauer wie in einer Art Ratgeber eine Liste der perfekt geeigneten Wege gesammelt hat - die passenderweise mit "Einmal um den Block" beginnt. Das macht tatsächlich schrecklich Lust darauf, einfach loszugehen (weswegen auch dieser Blogartikel in mehreren Abschnitten entstanden ist, unterbrochen, na klar, von einigen wohltuenden Spaziergängen). Und, ja, dass das Gehen einem auch in persönlichen Krisenzeiten viel Energie und innere Ruhe zurückbringen kann, habe ich wie gesagt selbst schon einmal erlebt. Tatsächlich hat es eine Zeit gegeben in meinem Leben, in der ich fast jede dafür verfügbare Minute in den Wäldern rund um Osnabrück verbracht habe. Heute geht das schon rein familientechnisch nicht mehr, aber die Sehnsucht danach ist noch da. Denn genauso wie Christian Sauer es in seinem Buch beschreibt, kann das Gehen an sich etwas fast Magisch-Therapeutisches bekommen. 

Wo ich beim Lesen noch Fragezeichen hatte: Das Buch will ganz bewusst kein Ratgeber sein, sondern mehr eine philosophisch-soziologische Betrachtung. Dementsprechend ist es ein in seinem Tonfall eher meditativ gehaltener Text. Das liest sich sehr angenehm, es braucht allerdings ein bisschen Zeit, um in den Text reinzukommen. Wie bei einer Meditation, tatsächlich: Bis sich die Gedanken und die Außenwelt etwas mehr zurückgezogen haben, bleibt es im Inneren erstmal laut und impulsiv. Aber später kommt der Text mit seiner ihm eigenen Kraft noch besser zur Geltung. 



3.) "Das Wichtigste zuerst - Meldungen schreiben in Zeiten von Twitter, Fake News und Roboterjournalismus" / Stephan Köhnlein

Kurzbeschreibung des Buches: Das Buch richtet sich an alle, die im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Journalismus unterwegs sind (und damit auch an alle, die im Kontext von Hospiz- und Palliativangeboten die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantworten). Das Buch macht mit vielen Praxisbeispielen und in einer wohltuenden Klarheit deutlich, was wirklich wichtig ist beim Schreiben von Texten - und wie das gelingen kann. Veröffentlicht als "Book On Demand" im BOD-Verlag, Norderstedt, 99 Seiten, 9,99 Euro. 

Wie ich auf das Buch aufmerksam geworden bin: Ich kenne den Autoren, Stephan Köhnlein, als Journalistenkollegen mit einer spannenden Laufbahn. Wir stehen in gelegentlichem Kontakt und ich freue mich, dass ich verfolgen darf, was das Leben so mit Stephan macht - er steht übrigens ebenfalls für Workshops und Seminare zur Verfügung.

Wie ich dieses Buch gelesen habe: Immer wieder ergibt sich für mich eine gute Mischung aus meinen beiden Professionen - Journalismus und Trauerbegleitung. So habe ich beispielsweise im Mai 2019 in Berlin beim Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) einen Vortrag und einen Workshop geben dürfen. Immer mal wieder werde ich auch mal angerfragt, ob ich nicht für Firmen und für Unternehmen einen Workshop in Storytelling geben könnte. Aber, ganz ehrlich, mir ist es wichtig, dass zunächst einmal das grundlegende Verständnis geschaffen wird davon, was im Journalismus wirklich wichtig ist: Was sind eigentlich Nachrichtenwerte, wie schreibt man eine Nachricht, wie erkenne ich eigentlich, ob ich etwas Berichtenswertes vorliegen habe oder nicht... Und weil Stefan genau dort anfängt, war ich besonders froh über dieses Buch und besonders neugierig darauf. Auch wenn es überhaupt nicht im Trauerkontext steht: für die Presse- und Öffentlichkeitsbeauftragten von Hospiz- und Palliativinitiativen ist es eine gute Lektüre.

Was mir an dem Buch gefällt: Dass es Stephan Köhnlein gelingt sowohl alle aktuellen Trends einzufangen - Roboterjournalismus, Twitter-Nachrichten, Fake News und Co. - und trotzdem immer ganz bodenständig zu den allerwichtigsten Fragen zurückzufinden, die sich jeder stellen sollte, der Pressearbeit, Öffentlichkeitsarbeit oder Journalismus macht: Was ist mein Nachrichtenwert? Habe ich eine Geschichte oder habe ich keine? Wie finde ich meine Nachricht? Womit fange ich beim Schreiben an? Wie lange sollte ein guter Bericht sein? Was ist ein erster guter Satz? Wie zitiere ich korrekt und ansprechend, wann ist indirekte Rede besser? Ganz nebenbei streift Stephan Köhnlein noch ein paar der Alltagsfragen, die ich mir auch immer mal wieder stelle: Heißt es eigentlich gäbe oder gebe? Dass Stephan Köhnlein nebenbei immer mal wieder Einblicke gibt in seine bewegte Zeit als Agenturjournalist bei der damaligen deutschen Associated Press (AP), die es leider nicht mehr gibt, und darin, wie sich das Journalismusgeschäft aktuell verändert hat, macht das Buch zusätzlich lesenswert und sorgt für einen gewissen Unterhaltungswert. Gleichzeitig gibt Stephan wichtige Hinweise darauf, wie ein Artikel für Online-Suchmaschinen optimiert wird und was dabei zu beachten ist. Ein ziemlich umfassender und wertvoller Einblick in das grundlegende Handwerk einer Branche, die ihr grundlegendes Handwerk derzeit allzu oft aus den Augen verliert. 

Wo ich beim Lesen noch Fragezeichen hatte: Stephan Köhnlein ist ein hervorragender  Agenturjournalist mit einem wertvollen und reichen Erfahrungssschatz, von dem man viel lernen kann. Hier geht es um die Fakten, um das Voranstellen der Nachricht, um den ganzen Brot-und-Butter-Bereich des journalistischen Tuns, der niemals unterschätzt sein darf. Und so wohltuend - und immer wichtiger - es auch ist, immer wieder auf die grundlegende Basis der journalistischen Arbeit zu blicken, ist der Alltag eines Tageszeitungsredakteurs heute noch von so vielen anderen Bedingungen geprägt. Dementsprechend müsste das Kapitel über Suchmaschinen und Online-Überschriften, über das Auffindbarmachen seiner Texte im Internet und über die Bedingungen für Onlinejournalismus eigentlich ganz weit nach vorne und es müsste vielleicht noch etwas länger sein. 

Eine Randbemerkung noch: Was den Roboterjournalismus angeht, sollte übrigens niemand glauben, dass es sich dabei um eine sehr weit entfernte Zukunftsvision handelte - die ersten Roboterkollegen im Journalismus sind tatsächlich bereits aktiv. Man lese einmal die Wetterankündigungen für Städte und Gemeinden auf manchen Zeitungswebsites und googele dann einmal den Namen des "Autoren". Gelegentlich wird sich ein Anbieter von künstlicher Intelligenz darunter finden, beispielsweise aus Dortmund. Willkommen in der neuen Welt... PS: Ich bin übrigens echt. Ganz ehrlich. Fleisch und Blut und so. ;-)


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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor des Buches "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag, 17 Euro, erschienen im März 2019. Mehr Infos gibt es hier.

Alle aktuellen Termine, Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare etc. mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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