Freitag, 13. Dezember 2019

Wie die menschliche Sterbeuhr alle in diesem Jahr bereits Gestorbenen misst und wo sie zu finden ist - und warum die dazugehörige Website verständnisvolle Inspirationen für Trauernde geben kann

Osnabrück - Wer hätte das gewusst? Alle 33 Sekunden stirbt, statistisch gesehen, ein Mensch in Deutschland. Das macht pro Stunde etwa 108 gestorbene Menschen. Und wer wissen möchte, wieviele Menschen in diesem Jahr bereits gestorben sind, kann sich jetzt auf einer neuen Website die so genannte Sterbeuhr ansehen, die einem das in eindrucksvoller Weise und immer ganz aktuell zeigt. Doch das damit verbundene Online-Magazin "Trauer now" ist noch aus einem ganz anderen Grund ein empfehlenswerter Lesetipp (zu erreichen über diesen Link hier). 

Denn in mehreren Artikeln auf diesem Portal gibt es wertvolle Impulse und viele Anregungen für Trauernde - und für die Menschen, die sie begleiten, sei es als Angehörige oder Freunde oder Kollegen. Ergänzt wird das Angebot um berührende Porträts von Menschen, die mit den Themen Tod, Trauer und Sterben und zu tun haben. Darunter ist beispielsweise der Sternekoch Vincent Klink, der Tipps für das "Totenmahl" gibt. Anregungen für hilfreiche Trauer-Rituale in und eine Linkliste für weitere Angebote runden die Website ab. Aber wer steckt dahinter?


Sie tickt für bzw. in jedem Menschen: die menschliche Sterbeuhr (alle Fotos: Thomas Achenbach). 

Als Macher des Onlineportals fungiert die Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V., die sich - ausgehend vom Kasseler Museum für Sepulkrakultur -  für eine neue Trauerkultur in Deutschland einsetzt. In einer Pressemitteilung über die "Trauer Now"-Website heißt es dazu: Tod und Trauer sind in der Gesellschaft in vielen Bereichen immer noch tabu, viele sind darauf nicht vorbereitet, viele damit allein. Es braucht eine neue, respektvolle, öffentliche Diskussion darüber, wie eine heilsame Trauer besser gelingen kann – wie aus ihr eine unbelastete Erinnerung werden kann. Was muss sich dafür verändern? Antworten darauf sollen sich der Mitteilung zufolge auf dem Portal finden. Hier sollen zudem neueste, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse präsentiert werden, wie es in der Mitteilung weiter heißt. Und dass es wichtig sei, dieses Thema immer wieder ins Bewusstsein der Menschen zu bringen. Warum?


Es braucht mehr Orte zum Trauern


"Trauer ist etwas, über das wir ungern sprechen, aber sie geht uns früher oder später alle an", wird der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft und Direktor des Zentralinstituts und Museums für Sepulkralkultur in Kassel, Dirk Pörschmann, zitiert. Das Problem sei jedoch: Viele sind auf Trauer nicht vorbereitet. Dann zieht es ihnen nochmal in besonderer Weise den Boden unter den Füßen weg. Deswegen sei es so wichtig, eine Trauerkultur zu etablieren, "die die Hinterbliebenen in den Mittelpunkt rückt", wie es Dirk Pörschmann weiter sagt: "Wir wollen Inspirationen geben, wie der Abschied von geliebten Menschen wahrhaftig, würdevoll und heilsam gelingen kann." Fast 955 000 Menschenn sterben insgesamt jedes Jahr. Rechnet man pro gestorbenem Menschen eine statistisch wahrscheinliche Größe von 1,5 Trauernden hinzu, ergibt sich eine gewaltige Menge an Betroffenen - jedes Jahr aufs Neue. "So brauchen Menschen beispielsweise Orte, an denen sie mit ihrer Trauer so frei umgehen dürfen und können, wie es ihnen gut tut", sagte Pörschmann. Menschen benötigten auf dem Friedhof Beisetzungsorte, die einen positiven und lebendigen Trauerprozess ermöglichen.


Doch gerade die Friedhöfe sind es, die aktuell in die Kritik geraten sind. Auf dem 2019 in Köln stattfindenden Kongress "Heilsame Abschiede" stellten zwei Soziologen eine Studie vor, die zu dem eindeutigen Ergebnis kommt: Der Friedhof könnte ein Auslaufmodell sein, wenn sich dort nicht bald etwas ändert. Eine umfangreichere Berichterstattung zu diesem Thema findet sich unter anderem bei der Neuen Osnabrücker Zeitung (registrierungspflichtig) oder ebenfalls beim Portal Trauer Now unter diesem Link.... 

Übrigens: Lust drauf, diesen Blog auch als Podcast zu hören? Dann bitte hier klicken für die Übersicht über alle bisher veröffentlichten Episoden, darunter meine Interviews mit dem Buchautoren Pierre Stutz, dem "Letzte Lieder"-Macher Stefan Weiller und dem Trauer-Chat-Moderator und Ex-Spielsüchtigen Kai Sender....

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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor des Buches "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag, 17 Euro, erschienen im März 2019. Mehr Infos gibt es hier.

Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare, Trauergruppen und mehr: Alle aktuellen Termine mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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