Die "Institution Friedhof" bekommt heutzutage immer mehr Konkurrenz, sei es durch alternative Angebote wie Friedwälder oder durch liberalere Bestattungsgesetze, die sogar das Beisetzen der Asche von Verstorbenen im eigenen Garten erlauben (wie beispielsweise in Bremen, vorausgesetzt, der Verstorbene hat dies zu Lebzeiten so verfügt). So begrüßenswert das auch ist, so sehr müssen die Vor- und Nachteile solcher Möglichkeiten beachtet werden. Darüber haben wir in unserer Trauerbegleiterausbildung viel diskutiert. Zu Recht.
Denn eine Trauerstätte erfüllt ja zweierlei Funktionen: Zum einen soll sie den Wünschen oder Ideen des gestorbenen Menschen entsprechen, soll zu dem Menschen und zu seinem Leben passen. Zum zweiten aber soll der Ort auch den Hinterbliebenen dienen als eine Stätte, die sie besuchen und an der sie traurig sein können, ihren Gefühlen nachgehen können. Ein Ort, an dem das Gefühl erlaubt sein darf, dass man den Gestorbenen ganz nahe ist, vielleicht sogar mit ihnen reden kann. Gerade in der ersten und in heftigen immer wiederkehrenden Trauerphasen ist das wichtig (Weiterlesen: Zehn Tipps für den Umgang mit Trauernden).
Die Hauptwege im Friedwald haben Namen und sind durch eine Art "Straßenschild" gekennzeichnet - das erleichtert die Orientierung. (Thomas-Achenbach-Foto/alle folgenden Fotos: Achenbach) |
Ein Wald allerdings ist nun einmal ein Wald. Auch wenn die Hauptwege gut ausgebaut sind, gibt es doch einige Hürden für Rollstuhlfahrer oder die Benutzer von Rollatoren. Die kleineren und den Friedwald durchkreuzenden Passagen beispielsweise sind mit Hackschnitzeln ausgestreut, ein Fortkommen mit Reifen jedweder Art (Buggy, Rollstuhl oder Rollator) ist hier schwierig. Außerdem ist ohne eigenes Auto ein Hinkommen zu diesem Friedwald unmöglich, einen öffentlichen Bus bis zum Parkplatz gibt es nicht. Andererseits ist es hier wirklich friedlich. Und still. Und menschenleer. Ein richtiger Wald eben, idyllisch eingebettet in ein größeres Waldgebiet, von dem nur ein kleinerer Teil als Friedwald ausgewiesen ist. Hier und da ist ein vereinzelter Vogel zu hören. Über einem ist ein leises Windesrauschen in den Baumwipfeln. Hier und da knackt es. Ansonsten: Nichts. Das ist herrlich. Und sehr würdevoll. Vielleicht sogar würdevoller als mancher Friedhof.
Die verrottbaren Urnen, die es für jede Bestattung im Friedwald braucht, sind in den pauschalen Beisetzungskosten von 275 Euro enthalten, wie es in einem Flyer heißt. Weitere Kosten entstehen durch die Art des gewählten Baumes (von 490 Euro bis 1200 Euro reicht das Spektrum) sowie durch die kleinen runden Namenstafeln, die an einem Baum angebracht werden können. Es gibt verschiedene Baumarten: Familienbäume (blaue Bänder), Einzel- oder Partnerbäume (rote Bänder), Gemeinschaftsbäume (gelbe Bänder) oder Sternschnuppenbäume für kleine Kinder bis zum dritten Lebensjahr. Klar: Särge können hier nicht bestattet werden, die Urne ist Pflicht. Für manche ist das verständlicherweise ein No Go, weil der Gedanke, verbrannt zu werden, einige Menschen abschreckt.
Gewaltige Baumwurzeln, spannendes Licht- und Farbenspiel, eine würdevolle Stille und Ruhe - so ein großer Wald in all seiner Abgeschiedenheit ist in jedem Fall ein stimmungsvoller Ort. |
Der Friedwald verfügt über eigene Förster, die hier für die Pflege sorgen. Hinter dem Friedwald-Konzept steckt ein kommerzieller Anbieter aus dem hessischen Griesheim (Nähe Darmstadt), der auch die Fläche bei Osnabrück betreibt. Wer sich für eine Führung mit den Friedwald-Förstern interessiert, die in den Herbstmonaten September/Oktober bis November mehrmals monatlich angeboten werden, kann sich unter www.friedwald.de oder per Telefon unter 06155/848-200 informieren. Auch einen würdevollen Ort für eine mögliche Trauerzeremonie findet man hier. Wobei - eigentlich sind es zwei Orte. Auf einer künstlichen Lichtung mitten im Wald ist eine Art Gedenkstein eingerichtet worden. Dies ist auch der einzige Ort, an dem kleine Symbole oder Blumen oder Stofftiere oder andere Gedenkutensilien abgelegt werden dürfen. Denn wie die 3-Sat-Dokumentation "Ruhe sanft - über die Krise der Bestatter" im November 2016 berichtete, werden alle Gegenstände, die um die Bäume herum oder auf dem Waldboden abgelegt werden, von den Förstern wieder entfernt. Der Wald soll eben Waldcharakter haben und behalten, so ist das Konzept des Friedwalds.
Spezielle Schilder informieren darüber, wo der Friedwaldbereich anfängt und der "klassisch genutzte" Waldbereich aufhört. |
Weil dieser aber im Freien steht und es in der Region Osnabrück gerne auch mal viel regnet, gibt es auch noch einen großen überdachten Unterschlupf zu Beginn des Friedwalds. Der hat zwangsläufig mehr den Charakter einer überdimensionierten Wanderschutzhütte. Ob er tatsächlich auch für Trauerfeiern genutzt wird oder nicht, habe ich noch nicht recherchieren können - es machte aber ganz den Eindruck.
Was hier an Zeremonien möglich ist, obliegt ganz den Wünschen der Angehörigen. Laut Friedwald-Flyer ist alles denkbar: Von klassischer Trauerfeier mit Musikbegleitung bis zu einer stillen kleineren Version. Aufgrund der Stille des Ortes bzw. der Naturgeräusche dort erscheint mir gerade letzteres besonders reizvoll zu sein. Zumal ich mich sehr gerne in einem Wald aufhalte und die Würde eines solchen Ortes besonders schätze.
Nicht immer ist die Trauerplakette gut erreichbar, hier sind junge Triebe so ausgewachsen, dass sie zur Seite gebogen werden müssen, damit ein Hingelangen an den Baumstamm möglich wird. |
Ein blaues Band an einem Baum kennzeichnet die freien Familien- oder Freundschaftsbäume. |
Die kühle Oktoberluft kitzelt mir in der Nase, als ich richtig tief in das Innere des Waldes eindringe. Die Füße streifen über Blätter und Baumwurzeln. Die Finger sind kalt geworden, das Drücken auf den Auslöser fällt schwerer. Und doch kann ich mich noch nicht losreißen, weil mich die Stille und Würde dieses Ortes umfangen hält. Was mir ganz gut gefällt, an so einem Friedwald, ist seine Übertragbarkeit: Wer seine Angehörigen hier bestattet, kann - wenn er mag - jeden Wald, irgendwo auf der Welt, zu einem symbolischen Überträger machen und überall dort seiner Lieben gedenken. Und da es hierzulande so viele schöne Wälder gibt - zumal im Teutoburger Wald rund um Osnabrück - ist das ein reizvolles Konzept für die Region... Noch ein Vorteil: Eine Grabpflege ist nicht nötig. Bleibt also die Frage, ob die Angehörigen einen festen Trauerort als Rückzugsort für ihre Gefühle benötigen. Was vielen so geht und was ebenfalls sein darf. So wie bei Trauer eben alles sein darf, was sich aufdrängt und die Gefühle in Fluss bringt.
Die Plaketten an den Bäumen lassen sich individuell beschriften. |
Hier ist ein Platz an einem ganz jungen und frischen Bäumchen frei - ob es sich dabei um einen der "Sternschnuppenbäume" für junge Kinder handelt? |
Auf einer Lichtung steht dieser Gedenkstein. Der Platz lädt dazu ein, für Zeremonien oder Trauerfeiern benutzt zu werden. |
Menschen haben ihre Blumen und Kerzen auf der oberen Fläche des Steins abgelegt. |
Verwunschene Waldbilder, wo man auch hinsieht. Und das Licht- und Farbenspiel eines Oktobervormittags. |
Hier und da überspannen hölzerne Brücken die kleinen Bachläufe und Gräben, die den Wald durchziehen. |
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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Mehr Infos gibt es hier.
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Ebenfalls auf diesem Blog: "Sei doch bitte wieder normal" geht leider gar nicht - Trauernde brauchen langfristiges Verständnis ohne Ziele
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Und im Kultur-Blog des Autors: Was "Babylon Berlin" wirklich zu einer ganz besonderen Serie macht - und das ist nicht alleine Bryan Ferry von Roxy Music
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