Bad Essen/Bissendorf/Osnabrück – Wie sehr die alternativen Bestattungsformen als Gegenpol zum klassischen Friedhof im Trend liegen, zeigt die Entwicklung im Landkreis Osnabrück. Hier gibt es inzwischen von allen drei auf diesem Markt tätigen kommerziellen Anbietern jeweils Waldgebiete für die Urnenbestattung in der Natur geben: In Bad Essen hat das Unternehmen Ruhe-Forst im Frühjahr 2017 ein den Bestattungen gewidmetes Waldgebiet eröffnet. In Bramsche-Achmer ist der Friedwald schon länger dabei. Und in Bissendorf-Holte kam im September 2017 die aus Hameln stammende Firma Ruh-Wald mit dazu. Dass alle drei Unternehmen so dicht beieinander vertreten sind, hat Seltenheitswert (nur in der Region Wolfenbüttel/Braunschweig soll es Angaben meiner Blogleser zufolge noch so sein). Die Reihen auf den Friedhöfen werden derweil lichter und lichter - auch rund um meine Angehörigen. Ein Symptom unserer Zeit.
Meine Mutter hat bald keine Nachbarn mehr. Rund um ihr Grab wird es leer auf dem Heger Friedhof in Osnabrück. Waren an den links und rechts gelegenen Gedenkstätten noch vor kurzem die gelben Schilder mit dem Aufdruck "Angehörige, bitte melden!" zu sehen, die ein letztes Suchen nach verbliebenen Angehörigen vor dem Einebnen eines Grabes dokumentieren, sind dort jetzt nur noch Rasenflächen zu sehen. Und so sehr ich es als zertifzierter Trauerbegleiter und als Mensch der Moderne begrüße, dass heutzutage immer ein individueller und zum gestorbenen Menschen passender Abschied möglich ist, so sehr weiß ich auch, dass es meine Mutter geschmerzt hätte, sähe sie diese Leere rund um sie. Was also ist zu tun?
Nun, zum einen das, was schon getan wird: Was in Osnabrück und andernorts schon längst geschieht, ist das Umwidmen der neu dazugewonnenen Rasenflächen auf den Friedhöfen: Wo bis vor wenigen Jahren noch die Gräber der so genannten Körperbestattung nebeneinander lagen, ist jetzt die Urnenbestattung auf der großen Wiese - ggf. mit einer kleinen Plakette - freigegeben. Aber wie die vielen neuen Ruhe-Fried-und-sonstigen Wälder zeigen: Das alleine wird nicht reichen. In Bremen ist man da indes schon weiter (nicht nur, aber auch, im Bereich der Friedhofsnutzung ist Bremen vorbildlich modern orientiert).
Denn im dortigen Ortsteil Blumenthal gibt es das,was einen Friedhof der Zukunft ausmachen könnte. Blumenwiesen statt leerer Grabreihen. Obstbäume auf den Rasenflächen, deren Äpfel zur freien Verfügung stehen (und über deren Giftgehalt gerade eine neue Diskussion ausgebrochen ist - denn vor allem Urnenstaub soll Schwermetalle enthalten, heißt es). Ein Insektenhotel und eine Streuobstwiese für die Bienen. Und, das ist besonders bemerkenswert:
Es gibt auch ein Bestattungsfeld für sozial Schwache ohne Verwandten oder Geld. Das Gräberfeld wird geziert durch zwei steinerne Stelen, die einmal zusammengehört haben. Das Auseinanderrupfen der beiden Steinteile wird durch die Bruchkanten an den Seiten sichtbar. Darunter liegen steinerne Scherben. Eine Grabstätte mit hohem Symbolwert - in mehrfacher Hinsicht. Gute Ideen. Sie ließen sich noch weiter fortspinnen - und die Bremer Politiker tun das auch.
Warum nicht beispielsweise mehr Leben auf den Friedhof holen, den Parkcharakter (und zugleich Erholungscharakter) stärker betonen? Ob es unbedingt Spielplätze sein müssen, wie es die Bremer Grünen vorschlagen, muss man diskutieren. Natürlich hat ein Friedhof immer mehr Würde, wenn es dort etwas stiller zugehen kann. Andererseits: Die symbolische Brücke vom Anfang des Lebens zu seinem Ende auch auf diese Weise aufzuzeigen, ist so verkehrt auch nicht. Übrigens, ein kleiner, aber bemerkenswerter Nebenaspekt:
"Asche zu Asche, Staub zu Staub" - auch die ganz klassische Beerdigung auf dem Friedhof - ohne die vorherige Verbrennung des Körpers - arbeitet stets mit dieser Symbolik des ewigen Kreislaufs der Natur. Die gleiche Symbolik also, die auch ein Wald als letzte Ruhestätte vermittelt. Letztlich sind es also sehr ähnliche, wenn nicht gar gleiche Motive, die die Menschen zu der einen oder der anderen Form von Bestattung bringen. In die gleiche Richtung geht auch ein Zitat des für den neuen Ruhe-Forst bei Bad Essen zuständigen Bereichsleiters.
„Im Wald erleben wir das Wunder der Schöpfung besonders intensiv: Ehrfürchtig stehen wir vor den vielfältigen Wirkungen des Waldes, er schenkt uns beste Atemluft und reines Trinkwasser“, so wird Rudolf Alteheld von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (die den Ruhe-Forst betreibt) in der Pressemitteilung zitiert. Alteheld, bei der Kammer Leiter des Geschäftsbereichs Forst, bezeichnet den Wald mit seinen zahlreichen Pflanzen- und Tierarten als einen Ort, mit dem sich die menschliche Seele tief verbunden fühlt. Was heute jedoch als der wichtigste Faktor stets mitbedacht werden muss:
Sich an einen festen Ort zu binden, der zudem einen Pflegeaufwand (oder einen langfristig zu bezahlenden Gärtner) mit sich bringt, macht vielen Menschen heutzutage eher Angst. Zu ungewiss sind die beruflichen Stationen in diesen Tagen, zu ungewiss sogar die Lebensbindungen. Wer dann für einen langen Zeitraum ein Grab zu pflegen hat in seiner Heimatstadt, aber aus beruflichen oder privaten Gründen mehrere hundert Kilometer entfernt leben muss, sieht sich in einer Zwickmühle. Zumal bizarre Geschichten von fast 100-jährigen Bettlägerigen, die von offiziellen Behörden entweder zur Grabpflege oder einer hohen Bußgeldzahlung aufgefordert werden, nicht dazu beitragen, das Vertrauen in die Institution Friedhof zu stärken (siehe den Bericht der Neuen OZ).
Kein Wunder also, dass die Wälder als Ruhestätten weiter so sehr im Trend liegen. Denn die Wälder dort werden von Förstern gepflegt. Und wer es am Todestag einmal nicht an den eigentlichen Baum dort schafft, kann sich in jedem anderen Waldstück in Deutschland zumindest symbolisch den verstorbenen Menschen nahefühlen. Es bleibt spannend, was das für unsere Friedhöfe bedeutet. Und in welcher Nachbarschaft meine Mutter wohl bald liegen wird. Neben Obstwiesen? Spielplätzen? Insektenhotels? Im Sommer werde ich mir das Friedhofsprojekt in Bremen-Blumenthal selbst ansehen dürfen. Ich bin gespannt - und werde berichten.
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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Mehr Infos gibt es hier.
Ebenfalls auf diesem Blog: Ein Besuch im Friedwald - Wie sieht es dort aus?
Ebenfalls auf diesem Blog: Trauer am Arbeitsplatz/Trauer im Arbeitsleben - wie belastend ist Trauer im Beruf, was können Unternehmen tun?
Ebenfalls auf diesem Blog: Zehn Tipps für einen hilfreichen Umgang mit Trauernden - für Angehörige, Freunde und Kollegen
Und im Kultur-Blog: Theater kosten den Steuerzahler einfach zuviel Geld... ist das wirklich so? Und woher kommt die Theatersubventionierung eigentlich?
Meine Mutter hat bald keine Nachbarn mehr. Rund um ihr Grab wird es leer auf dem Heger Friedhof in Osnabrück. Waren an den links und rechts gelegenen Gedenkstätten noch vor kurzem die gelben Schilder mit dem Aufdruck "Angehörige, bitte melden!" zu sehen, die ein letztes Suchen nach verbliebenen Angehörigen vor dem Einebnen eines Grabes dokumentieren, sind dort jetzt nur noch Rasenflächen zu sehen. Und so sehr ich es als zertifzierter Trauerbegleiter und als Mensch der Moderne begrüße, dass heutzutage immer ein individueller und zum gestorbenen Menschen passender Abschied möglich ist, so sehr weiß ich auch, dass es meine Mutter geschmerzt hätte, sähe sie diese Leere rund um sie. Was also ist zu tun?
Viel Resen, viel Fläche - vor gar nicht allzu langer Zeit war hier noch Grab an Grab. Leere Grabreihen aufgenommen auf dem Heger Friedhof Osnabrück im Februar 2017. (Thomas-Achenbach-Foto) |
Nun, zum einen das, was schon getan wird: Was in Osnabrück und andernorts schon längst geschieht, ist das Umwidmen der neu dazugewonnenen Rasenflächen auf den Friedhöfen: Wo bis vor wenigen Jahren noch die Gräber der so genannten Körperbestattung nebeneinander lagen, ist jetzt die Urnenbestattung auf der großen Wiese - ggf. mit einer kleinen Plakette - freigegeben. Aber wie die vielen neuen Ruhe-Fried-und-sonstigen Wälder zeigen: Das alleine wird nicht reichen. In Bremen ist man da indes schon weiter (nicht nur, aber auch, im Bereich der Friedhofsnutzung ist Bremen vorbildlich modern orientiert).
Obstwiesen statt Gräberreihen - Modell der Zukunft?
Denn im dortigen Ortsteil Blumenthal gibt es das,was einen Friedhof der Zukunft ausmachen könnte. Blumenwiesen statt leerer Grabreihen. Obstbäume auf den Rasenflächen, deren Äpfel zur freien Verfügung stehen (und über deren Giftgehalt gerade eine neue Diskussion ausgebrochen ist - denn vor allem Urnenstaub soll Schwermetalle enthalten, heißt es). Ein Insektenhotel und eine Streuobstwiese für die Bienen. Und, das ist besonders bemerkenswert:
Bestattungsfelder für sozial Schwache - mit Zierde
Es gibt auch ein Bestattungsfeld für sozial Schwache ohne Verwandten oder Geld. Das Gräberfeld wird geziert durch zwei steinerne Stelen, die einmal zusammengehört haben. Das Auseinanderrupfen der beiden Steinteile wird durch die Bruchkanten an den Seiten sichtbar. Darunter liegen steinerne Scherben. Eine Grabstätte mit hohem Symbolwert - in mehrfacher Hinsicht. Gute Ideen. Sie ließen sich noch weiter fortspinnen - und die Bremer Politiker tun das auch.
Wird diskutiert: Spielplätze auf Friedhöfen anlegen?
Warum nicht beispielsweise mehr Leben auf den Friedhof holen, den Parkcharakter (und zugleich Erholungscharakter) stärker betonen? Ob es unbedingt Spielplätze sein müssen, wie es die Bremer Grünen vorschlagen, muss man diskutieren. Natürlich hat ein Friedhof immer mehr Würde, wenn es dort etwas stiller zugehen kann. Andererseits: Die symbolische Brücke vom Anfang des Lebens zu seinem Ende auch auf diese Weise aufzuzeigen, ist so verkehrt auch nicht. Übrigens, ein kleiner, aber bemerkenswerter Nebenaspekt:
"Asche zu Asche, Staub zu Staub" - auch die ganz klassische Beerdigung auf dem Friedhof - ohne die vorherige Verbrennung des Körpers - arbeitet stets mit dieser Symbolik des ewigen Kreislaufs der Natur. Die gleiche Symbolik also, die auch ein Wald als letzte Ruhestätte vermittelt. Letztlich sind es also sehr ähnliche, wenn nicht gar gleiche Motive, die die Menschen zu der einen oder der anderen Form von Bestattung bringen. In die gleiche Richtung geht auch ein Zitat des für den neuen Ruhe-Forst bei Bad Essen zuständigen Bereichsleiters.
"Das Wunder der Schöpfung" - bitte ohne Pflegeaufwand
„Im Wald erleben wir das Wunder der Schöpfung besonders intensiv: Ehrfürchtig stehen wir vor den vielfältigen Wirkungen des Waldes, er schenkt uns beste Atemluft und reines Trinkwasser“, so wird Rudolf Alteheld von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (die den Ruhe-Forst betreibt) in der Pressemitteilung zitiert. Alteheld, bei der Kammer Leiter des Geschäftsbereichs Forst, bezeichnet den Wald mit seinen zahlreichen Pflanzen- und Tierarten als einen Ort, mit dem sich die menschliche Seele tief verbunden fühlt. Was heute jedoch als der wichtigste Faktor stets mitbedacht werden muss:
Die Zukunft der Friedhöfe bleibt spannend, aber ungewiss
Kein Wunder also, dass die Wälder als Ruhestätten weiter so sehr im Trend liegen. Denn die Wälder dort werden von Förstern gepflegt. Und wer es am Todestag einmal nicht an den eigentlichen Baum dort schafft, kann sich in jedem anderen Waldstück in Deutschland zumindest symbolisch den verstorbenen Menschen nahefühlen. Es bleibt spannend, was das für unsere Friedhöfe bedeutet. Und in welcher Nachbarschaft meine Mutter wohl bald liegen wird. Neben Obstwiesen? Spielplätzen? Insektenhotels? Im Sommer werde ich mir das Friedhofsprojekt in Bremen-Blumenthal selbst ansehen dürfen. Ich bin gespannt - und werde berichten.
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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Mehr Infos gibt es hier.
Ebenfalls auf diesem Blog: Ein Besuch im Friedwald - Wie sieht es dort aus?
Ebenfalls auf diesem Blog: Trauer am Arbeitsplatz/Trauer im Arbeitsleben - wie belastend ist Trauer im Beruf, was können Unternehmen tun?
Und im Kultur-Blog: Theater kosten den Steuerzahler einfach zuviel Geld... ist das wirklich so? Und woher kommt die Theatersubventionierung eigentlich?
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