Dienstag, 10. April 2018

Was die Messe "Leben und Tod" in Bremen in 2018 alles bringen wird (4./5. Mai 2018) - Das Themenspektrum reicht von Nahtoderfahrungen, vielen Lesungen, Blogger-Vorträgen bis zur Sternenkindfotografie


Grün und Orange - das sind die Erkennungsfarben der Messe "Leben und Tod". Jedes Messejahr steht unter einem besonderen Motto.   (Thomas-Achenbach-Foto)

Bremen - Eine Tatortreinigerin und ein Profiler, eine Bloggerin, die über ihre eigene Trauer schreibt, ein ehemaliger Sternekoch, der jetzt in der Küche eines Hospizes arbeitet, ein Arzt, der Nahtoderfahrungen untersucht oder ein Experte für Düfte…. An Vielfalt mangelt es diesmal jedenfalls nicht auf der Messe „Leben und Tod“ , die am 4./5. Mai (Freitag/Samstag) in Bremen stattfinden wird. Auch Nahtoderfahrungen stehen auf dem Programm. Sind sie esoterisch behauchter Psychoquatsch oder lassen sie sich wissenschaftlich belegen? Das passt: Denn das Oberthema des Kongresses heißt diesmal „Leib und Seele“. Wie immer richtet sich die zweitägige Veranstaltung (Freitag und Samstag) sowohl an normale Bürger, die sich über alle Neuigkeiten aus den Bereichen Trauer und Hospiz-, Sterb- und Beerdigungskultur informieren möchten, wie auch an das Fachpublikum, das aus allen in der Hospiz-, Palliativ- oder Trauerbegleiterszene tätigen Haupt- und Ehrenamtlichen besteht. Und wie im vergangenen Jahr habe ich vorab Meike Wengler besucht in ihrem Büro bei der Bremer Messe, um sie zu fragen, wie denn das aktuelle Programm der Messe aussehen wird - wobei alles hier Vorgestellte natürlich nur ein minimaler Ausriss eines insgesamt recht üppigen Messeprogramms sein kann.

Der Körper steht also diesmal ebenso im Mittelpunkt wie die Seele. Wobei das Körperliche dabei auch weit gehen kann. Sexualität am Rande des Todes? Über diese Frage wird ebenso gesprochen wie über den Ekel, der eigentlich nicht sein darf. Der Ekel nämlich, der Schwerstkranke oder die sie Behandelnden oder Pflegenden oder die Angehörigen befällt, wenn es um nach außen aus dem Körper heraus wuchernde Krebsgeschwulste geht. Was durchaus vorkommt, aber alle Betroffenenen - auch den Patienten selbst - an die Grenzen des Erträglichen kommt. Der Vortrag "Der fremde und der eigene Blick - Schamgefühle in schwerer Krankheit" nimmt dieses Thema auf  (4.5., Freitag, 14:30 Uhr, Raum Borkum). Wobei diese Themen jeweils dem Fachpublikum vorbehalten sind. Denn die "Leben und Tod" findet parallel an fünf Standorten statt: In der großen Messehalle gibt es eine klassische Ausstellermesse mit Ständen und einen öffentlich und jederzeit für alle zugänglichen Vortragssaal. Erreichbar ist das alles über die reguläre Eintrittskarte für alle. Flankierend an die Halle angedockt sind aber auch zwei weitere, geschlossene Vortragssäle, in denen jeweils Fachvorträge stattfinden. Wer diese hören will, braucht eine Eintrittskarte für Kongressbesucher.


Das "Forum", also der öffentlich für alle Messebesucher zugängliche Vortragsbereich, hier aufgenommen beim Vortrag von Martin Kreuels zum Thema Männertrauer auf der Bremer Leben und Tod in 2017.   (Thomas-Achenbach-Foto)

Parallel zum Vortragsprogramm finden immer auch Workshops statt, zu denen man sich allerdings vorher angemeldet haben muss. Besonders spannend diesmal: Der Gründer des Projektes mein-sternenkind.eu, Kai Gebel, wird mit einer Kollegin zusammen einen fast fünfstündigen Workshop zum Thema Sternenkindfotografie durchführen (5.5., Samstag, 13:30 Uhr, VIP-Lounge, nur mit Anmeldung) - ein ganz wichtiges Projekt, weil es im Trauerprozess für Eltern enorm wichtig sein kann, sich immer wieder vergewissern zu können, ja, das Kind hat es wirklich einmal gegeben, ja, wir sind Eltern, also zu Recht trauernde Eltern (wie genau das Projekt funktioniert, hatte ich bereits einmal für die Osnabrücker Nachrichten einem Artikel geschrieben, den ich hier bald zusätzlich online stellen werde, weil unser e-Paper gerade umgebaut wird...). Im Bereich der Fachvorträge gibt es dann auch die bereits erwähnte thematische Einheit zum Thema Nahtoderfahrungen, die recht prominent besetzt ist und in der spannende Thesen vertreten werden (5.5., Samstag, Raum Juist ab 9:30 Uhr). Beispielsweise die These: Aus medizinischer bzw. wissenschaftlicher Sicht ist eine Nahtoderfahrung nicht vollständig erklärbar. 


Mechthild Schroeter-Rupieper bei ihrem Vortrag 2017- diesmal, in 2018, liest sie auf der "Leben und Tod" aus dem oben abgebildeten Buch.   (Thomas-Achenbach-Foto)

So sagt es der Mediziner Prof. Dr. Dr. Wilfried Kuhn - Chefarzt der Neurologischen Klinik des Leopoldina-Krankenhauses der Stadt Schweinfurt. Für ihn steht die oft erklärte Behauptung, dass bei der Nahtoderfahrung ein komatöses Gehirn bewusste und sehr deutliche Wahrnehmungen erfahren soll, "im Widerspruch zum neurobiologischen Weltbild", wie er in einem Blogartikel schrieb. Demzufolge sagt Kuhn ganz klar: Die Nahtoderfahrung kann neurobiologisch nicht vollständig erklärt werden. Wohingegen sich Simon Peng Keller, katholischer Theologe und Spiritual-Care-Professor aus Zürich, in seinem Vortrag mehr den Visionen und Bildern annähert, die bei einer Nahtoderfahrung eine Rolle spielen. Angereichert wird der Themenkomplex durch den Vortrag einer Fachfrau ganz anderer Natur: Nicht durch Wissenschaften, sondern durch eigenes Ereleben ist die Autorin Sabine Mehne, (ihr Buch heißt "Licht ohne Schatten") zur Expertin für Nahtoderfahrung geworden. Sie fragt sich, ob es bei der Begleitung Sterbender und Trauernder hilfreich sein kann, von den Erfahrungen derjenigen zu profitieren, die ein solches Erlebnis einmal hatten. Zum Thema eines krassen Erlebens spricht übrigens auch die Bloggerin Silke Szymura, die im Februar 2017 durch die spannende Aktion "Alle reden über Trauer" ein bundesweites Medieninteresse erzeugte und die nun erstmals in ihrer Funktion als Bloggerin einen Fachvortrag halten darf (was ich natürlich als ebenfalls bloggender Trauerbegleiter nur begrüßen kann).


Der freundliche Hund gehörte bei einem der Stände sozusagen zum Personal - der grob gekachelte Boden gehört ebenso zur "Leben und Tod" wie die separaten Vortragsräume "Juist" und "Borkum".   (Thomas-Achenbach-Foto)

Silke wird im Vortrag "In lauter Trauer" nicht nur ihren eigenen Blog vorstellen und über ihr eigenes Trauererleben berichten, sondern stellt auch die Frage "Wie kann Trauer in Blog und über soziale Medien ausgedrückt werden" in den Mittelpunkt - womit Ihr Vortrag eine spannende Meta-Ebene bekommen wird (5.5., Samstag, 13:15 Uhr, Raum Juist). Allerdings findet auch dieser Vortrag nicht im für alle zugänglichen Bereich statt. Zum öffentlich zugänglichen Vortragsprogramm gehören diesmal indes mehrere Lesungen - so viele wie noch nie, wie Meike Wengler beim Gespräch betont. Was die Messe-Macherin auch darauf zurückführt, dass die Themen Tod, Sterben und Trauer im Buchmarkt derzeit angesagt sind und viel besetzt werden. So liest beispielsweise die Autorin Anna Funke aus ihrem neuen Buch „Mama ist tot, und jetzt?“, in dem sie ihren eigenen Trauerweg und all die schmerzhaften Gefühle dabei beschreibt (4.5., Freitag, 11 Uhr, Forum). Und die Familien-Trauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper, die beispielsweise die Hinterbliebenen der Germanwings-Katastrophe betreut hatte, wird aus ihrem Buch „Geschichten, die das Leben erzählt, weil der Tod sie geschrieben hat“ vorlesen (3.5., Freitag,10 Uhr, Forum). Außerdem liest Barbara Pachl-Eberhardt, bekannt durch ihr Buch "Vier minus Drei" über ihren eigenen Trauerweg nach dem Verlust von sowohl Mann als auch Kindern durch einen Verkehrsunfall, aus ihrem neuen Buch "Wandelworte, durch die Kraft des Schreibens inneren Frieden finden" - das geht übrigens, wirklich, das kann ich bestätigen (5.5., Samstag, 11.30 Uhr). Dazu gibt die Autorin auch einen Workshop mit vorheriger Anmeldepflicht ("Federleicht", 5.5., Samstag, 13.30 Uhr im Workshopraum 1) wohingegen die genannten Lesungen alle im öffentlich zugänglichen Forum stattfinden). Dort im Forum wird dann auch mit einer spannenden Podiumsdiskussion am Sonntag die Messe zu ihrem Finale kommen: "Beruf Tod - Berufung mit Leib und Seele" wird moderiert von Bärbel Schäfer und ist interessant besetzt (5.5., Samstag, 14.30 Uhr, Forum).


Natürlich gibt es auf der Messe auch Särge, Urnen und anderes Zubehör für Bestattungen zu sehen - manchmal werden die Särge dann auch dort bemalt.   (Thomas-Achenbach-Foto)

Zur Debatte stehen dann unter anderem die folgenden Fragen: Wie wird man Profiler und was macht man da überhaupt? Warum wird ein Musikmanager zum Bestatter? Was macht der Beruf einer Tatortreinigerin mit einem? Wie steht man als ehemaliger Kriegs- und Krisenjournalist zum eigenen Tod? Und wieso entscheidet man sich als erfolgreicher Koch dazu, zukünftig für die Bewohner eines Hospizes zu kochen? Darüber diskutieren die Tatortreinigerin Antje Große-Entrup, der "deutsche Profiler" Axel Petermann, der Koch Ruprecht Schmidt, der mal in der Sternegastronomie unterwegs war und als einer der ersten festangestellten Hospizköche überhaupt bei "Leuchtfeuer" in Hamburg arbeitet sowie Eric Wrede, Jahrgang 1980, der zu den"Jungen Wilden" in der Bestattungsbranche zählt und eigentlich einmal bei Universal - also der Plattenfirma - als einer der A&R-Manager gearbeitet hat... Spannende Typen, spannende Themen, spannende Messe. Und im kommenden Jahr geht die Messe schon in ihre zehnte Auflage - dann wird Geburtstag gefeiert. Das Team rund um Meike Wengler arbeitet auch daran schon länger. 


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Der Autor dieser Zeilen 
bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung). Er hält auch Vorträge zum Thema Trauer und Umgang mit Trauernden. Mehr Infos gibt es hier

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Männertrauergruppe in der Region Osnabrück: Offene Gruppe, Einstieg jederzeit möglich - alle Infos über die Gruppe gibt es hier


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